Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung bei Autounfällen nicht möglich

Wählt ein Unfallopfer nach einem Autounfall für den Schaden an seinem Fahrzeug eine fiktive Schadensabrechnung so ist nicht vom Brutto-, sondern vom Netto-Wiederbeschaffungswert auszugehen. Eine Umsatzsteuer wird nicht ersetzt, wenn sie nur fiktiv bleibt, weil es nicht zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur kommt. Das entschied der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom Oktober 2018.

Generell gilt: Wer sein Fahrzeug nach einem Unfall von einem Sachverständigen begutachten und entsprechend den Vorgaben dessen Gutachten reparieren lässt, hat gegenüber dem Versicherer auch einen Anspruch auf Bezahlung aller damit verbundenen Kosten. Wer sein Auto nicht reparieren lässt, muss den Geldbetrag erhalten, den die Reparatur gekostet hätte. Das nennt sich dann fiktive Abrechnung und der Anspruch wird um die Umsatzsteuer (USt.) gemindert

Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist jedoch unzulässig. Im vorliegenden Fall hatte der Geschädigte das Unfallfahrzeug verkauft und ein Ersatzfahrzeug angeschafft. Anschließend wollte er vom Unfallverursacher und dessen Haftpflichtversicherung Schadensersatz in Höhe des vom Sachverständigen ermittelten Brutto-Wiederbeschaffungswerts abzüglich des Restwerts.

Bei einer fiktiven Schadensabrechnung gilt der Netto-Wiederbeschaffungswert.Die Gegenseite meinte aber, dass von dem Brutto-Wiederbeschaffungswert die Umsatzsteuer von 19 Prozent abzuziehen sei. Sowohl das zuvor angerufene Amtsgericht als auch das Landgericht Heidelberg gaben der Klage des Unfallgeschädigten statt. Und so musste der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.

Der BGH entschied, dass die gewählte fiktive Schadensabrechnung sich nicht auf einen Brutto- sondern nur auf den Netto-Wiederbeschaffungswert beziehen könne. Eine Umsatzsteuer werde nicht ersetzt, wenn sie nur fiktiv bleibt. Dies gelte auch für den Fall, dass der Geschädigte zwar eine Ersatzbeschaffung inklusive USt. vornimmt – für die Schadenabrechnung aber die für ihn günstigere Möglichkeit einer fiktiven Abrechnung auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens wählt.

Bereits in früheren Urteilen sei der Ersatz der Umsatzsteuer beim Kauf einer gleichwertigen Ersatzsache von privat mit der Begründung versagt wurde, dass keine Umsatzsteuer angefallen sei, so dass sie „in diesem Fall auch im Rahmen einer fiktiven Schadensabrechnung nicht ersatzfähig“ sei.

Der Unfallgeschädigte werde schließlich nicht schlechter gestellt, so das Urteil des Bundesgerichtshof. Übersteigen die konkreten Kosten des tatsächlich getätigten Ersatzgeschäfts einschließlich Nebenkosten (inklusive der Umsatzsteuer) den der fiktiven Schadensberechnung, könne der Geschädigte ja zu einer konkreten Schadensberechnung auf der Grundlage der tatsächlich vorgenommenen Ersatzbeschaffung wechseln.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.10.2018; AZ – VI ZR 40/18 –

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Auch nur bei Aussicht auf künftige Gegenleistung müssen Influencer Werbung kennzeichnen

Generell muss einfach alles als Werbung gekennzeichnet werden, mit dem ein kommerzieller Zweck verfolgt wird. Ein solcher kommerzieller Zweck kann beispielsweise auch dann vorliegen, wenn für einen Beitrag von einem Influencer noch gar kein Geld geflossen ist. Eine Kennzeichnung kann auch dann notwendig sein, wenn eine Marke oder ein Produkt in der Hoffnung auf künftige Gegenleistung verlinkt wird. So hat das Oberlandesgericht Braunschweig im Mai 2020 geurteilt.

Das eröffnet natürlich gleich die Frage, wo die Grenze zwischen Werbung und Empfehlung liegt? Und ist diese Unterscheidung bei Influencern überhaupt relevant? Das OLG Braunschweig meint dazu, dass derjenige, der sich Influencer nennt, auch dann kennzeichnungspflichtige Eigenwerbung betreibt, wenn es sich um scheinbar private Empfehlungen handelt.

Bei den Influencern gibt es eben das besondere Problem, dass es ihnen oftmals primär um ihre eigene Vermarktung geht, es geht um Follower-Zahlen und Aktivität der Nutzerprofile. Daher steht hinter der Bewertung eines Produktes durchaus nicht immer eine direkte Geschäftsbeziehung zum Hersteller.

Eine Marke oder ein Produkt in der Hoffnung auf künftige Gegenleistung verlinkenDoch die jetzt nötige Kennzeichnung soll Betrachter schon einmal davor warnen, dass mit einem Beitrag ein kommerzielles Interesse verfolgt wird und er daher nicht mehr ausschließlich von der eigenen Meinung getragen wird – kein Spaß-Posting ist. Einer scheinbar privaten und objektiven Empfehlung wird eben nachweislich mehr Bedeutung beigemessen, als einem als Werbung gekennzeichneten Post. Das macht ja auch den Erfolg dieser Art Werbung aus.

In dem konkreten Fall kam noch hinzu, dass die Bloggerin scheinbar ohne jeden Grund Hersteller verlinkt hatte. Es gab tatsächlich keinen redaktionellen Anlass zur Verlinkung und dieser Art der Influencer Werbung. Genau dieses, für den Betrachter ohne Zusammenhang, Verlinken von Herstellern wurde auch schon anderen Influencern zum Verhängnis. Interessant ist daher die gerichtliche Feststellung des im zweiten Fall tätigen Landgericht Koblenz in seinem Urteil vom April 2020, dass Influencer „generell Werbung“ betreiben würden. Folgerichtig müssten Influencer jeden Post, der eine Marke, ein Geschäft oder Unternehmen nennt, als Werbung kennzeichnen.

Diese Beurteilung mag zumindest dann nicht absolut verkehrt sein, wenn der Influencer als Unternehmer tätig ist und sich selbst durch bestimmte Inhalte bei Unternehmen ins Gedächtnis bringen will. Nach Einschätzung der Gerichte betreiben die Influencer ihren Account nicht zu rein privaten Zwecken, sondern auch zur geschäftlichen Vermarktung ihrer eigenen Person und ihres eigenen Unternehmens. Die fehlende Gegenleistung durch die verlinkten Unternehmen ist einem solchen Fall für die Bewertung, ob nun kennzeichnungspflichtige Werbung vorliegt, nicht das entscheidende Kriterium.

Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 13.05.2020; AZ – 2 U 78/19 –

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BGH entscheidet: Umschuldung von Immobilienkrediten darf nichts kosten

Nach Angaben von Verbraucherschützern verlangen Banken und Sparkassen laut ihrer AGB Bearbeitungskosten von ihren Kunden, wenn ein Kredit zur Finanzierung einer Immobilie von einem anderen Institut übernommen wird. Und das dürfte auch in der Realität genau so gehabt werden. Viele Kunden merken das oft gar nicht, da der Betrag in den meist recht üppigen Summen eines solchen Kredits einfach untergeht. Der Bundesgerichtshof entschied jedoch im September 2019, dass Bankkunden keine Gebühr für die Umschuldung von Immobilienkrediten zahlen müssen. Preisnebenabreden einer Sparkasse bei der Umschuldung von Immobilienkrediten, wie sie im vorliegend Fall zu beurteilen waren,  sind unwirksam, entschied das Gericht.

Keine Gebühren bei der Umschuldung von Immobilienkredit entschied der BGH 2019Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hatte gegen eine Sparkasse aus Steinfurt geklagt, weil sie 100 Euro verlangt hatte, wenn ein Kreditnehmer nach Ablauf der Zinsbindung seine Immobilie bei einer anderen Bank weiterfinanzieren wollte. Konkret ging es um die unter „4.8 Sonstige Entgelte“ in den Allgmeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu findende Klausel „Bearbeitungsentgelt für Treuhandaufträge Ablösung Kundendarlehen 100,00 €“. Der Anwalt des Bundesverbands argumentierte, dass die Pflicht der Bank sei, dem Kunden den Wechsel zu einem anderen Kreditinstitut kostenfrei zu ermöglichen,.

Der damit verbundene Aufwand sei letztlich durch den von den Kunden verlangten Zins abgegolten, so die Bundesrichter. Die Klausel erfasse aber auch den umgekehrten Fall, nämlich wenn die Bank als neue Darlehensgeberin im Rahmen der Ablösung eines bei einem anderen Kreditinstitut bestehenden Darlehensvertrags tätig wird. Mit der hierfür nötigen Bestellung, Verwaltung und Verwertung von Sicherheiten verfolge Bank oder Sparkasse allein eigene Vermögensinteressen, so dass die Klausel als Preisnebenabrede einzuordnen sei.

Nach Ansicht der Verbraucherschützer hat das Urteil weitreichende Folgen. Nach deren Kenntnis finden sich solche Klauseln in den AGB zahlreicher Banken – und sieht auch gute Chancen, dass betroffene Verbraucher Rückerstattungsansprüche geltend machen können.

Urteil des Bundesgerichtshof vom 10.9.2019; Az. – XI ZR 7/199 –

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EuGH-Urteil: Kommt eine Widerrufswelle bei KFZ- und Immobilienkrediten?

Wird ein privater Kreditnehmer beim Abschluss etwa von Immobilienkrediten nicht ordentlich über sein Widerrufsrecht informiert, so kann dieser noch Jahre nach Abschluss einer Finanzierung einen Widerruf aussprechen. Doch zuletzt war dies immer schwieriger geworden. Die deutschen Gerichte, allen voran der Bundesgerichtshof (BGH), hatten zunehmend bankenfreundlich geurteilt.

Das Urteil des EuGH vom März 2020 verschiebt die Lage jedoch wieder Richtung Verbraucherschutz. Kreditverträge müssten in klarer und prägnanter Form die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist angeben, erklärte dazu der EuGH. Für den Kreditnehmer müsse klar und deutlich sein, wie sich die Widerrufsfrist berechnet und wann sie konkret beginnt. Andernfalls würde die Wirksamkeit des Widerrufsrechts ernsthaft geschwächt.

Der EuGH hat dabei besonders auf den sogenannten „Kaskadenverweis“ geschaut. Der ist als Teil der Widerrufsbelehrung in den meisten ab Juni 2010 abgeschlossenen KFZ- und Immobilienkrediten zu finden. Dieser lautet üblicherweise: „Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“ Ein Text, der Verbraucherschützern schon lange ein Dorn im Auge war,  mache es dieser doch dem Kunden besonders schwer, festzustellen, wann die Widerrufsfrist des Darlehens denn nun eigentlich genau beginnt.

Widerruf bei KFZ- und Immobilienkrediten durch EuGH-Urteil eventuell einfacher

Diese Frist startet laut Gesetz dann, wenn der Kunden von der Bank sämtliche Pflichtangaben genannt bekommen hat, so steht es im Mustervertrag. Doch welche sind das genau? Genau das ist die zentrale Frage: Im Vertrag wurde auf eine Rechtsvorschrift verwiesen, die wiederum auf weitere Vorschriften verwies – das widerspreche der Anforderung nach klaren und prägnanten Angaben zur Berechnung der Frist, so das europäische Gericht in seiner Urteilsbegründung. Es handelt sich hier um einen „Kaskadenverweis“ – Angaben in den Kreditverträgen, die auf eine nationale Vorschrift verweisen, die ihrerseits auf andere Normen verweist.

Doch das reicht dem EuGH nicht aus, Verbraucher könnten auf dieser Vertragsgrundlage nicht ernsthaft den Umfang ihrer vertraglichen Verpflichtung bestimmen – und erst recht nicht, ob die Widerrufsfrist, über die sie verfügen können, bereits schon zu laufen begonnen hat.

Eigentlich steht europäisches Recht vor nationalem Recht. Dementsprechend hätte das verbraucherfreundliche EuGH-Urteil also Vorrang. Doch die deutschen Kreditinstitute können sich demgegenüber bei ihren Widerrufsbelehrungen auf den Musterschutz verlassen. Der besagt: Solange sie den gesetzlichen Mustertext für ihre Widerrufsbelehrung verwenden, haben sie alles richtiggemacht und können dafür nicht belangt werden. Was wiegt also stärker – der Musterschutz für Banken oder die Aussage des EuGH, dass die Formulierung unzumutbar für Verbraucher sei?

Da viele Kreditinstitute in der Formulierung ihrer Vertragstexte vom gesetzlichen Muster abgewichen sind, entfällt für sie dieser Musterschutz. Das könnte tatsächlich zu einer Widerrufswelle durch die Verbraucher führen – die Chance ist da. Doch ohne eine kleinteilige Prüfung der Details dürfte eine solche Vertragsauflösung  nicht ganz problemlos werden.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 26. März 2020, AZ – C-66/19 –

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