Bundesgerichtshof verschärft Anforderungen an umweltbezogene Werbung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Anforderungen an Werbung mit umweltbezogenen Begriffen wie „klimaneutral“ deutlich verschärft. In einem Urteil vom Juni 2024 entschieden die Richter, dass mehrdeutige Umweltbegriffe in der Werbung nur dann zulässig sind, wenn die Unternehmen direkt in der Werbung erläutern, was sie darunter verstehen. Anlass für die Entscheidung war eine Klage der Wettbewerbszentrale gegen den Süßwarenhersteller Katjes.

Das Unternehmen hatte in einer Werbeanzeige einer Fachzeitschrift damit geworben, seit 2021 „klimaneutral“ zu produzieren. Allerdings ist der Herstellungsprozess der Katjes-Produkte nicht tatsächlich CO2-neutral. Vielmehr unterstützt das Unternehmen als Ausgleich für seine CO2-Emissionen Klimaschutzprojekte über einen Partner. Einen Hinweis darauf enthielt die Anzeige lediglich in Form eines Logos mit Link auf die Website des Partners.

Der BGH erklärte diese Werbung für unzulässig. Die Richter machten deutlich, dass der Begriff „klimaneutral“ von den Verkehrskreisen auf zweierlei Weise verstanden werden könne: Zum einen als Vermeidung bzw. Verringerung von CO2-Emissionen im Produktionsprozess selbst, zum anderen als nachträgliche Kompensation des entstandenen CO2 durch Unterstützung von Klimaschutzprojekten.

Verbraucher müssen unmittelbar und unmissverständlich darüber informiert werden, was genau sich hinter ökologischen Werbebotschaften wie „klimaneutral“ verbirgt

Beispiel

 Gerade bei umweltbezogenen Werbeaussagen bestehe für die angesprochenen Verbraucher jedoch ein erhöhtes Aufklärungs- und Informationsbedürfnis. Denn in diesem sensiblen Bereich sei die Irreführungsgefahr besonders groß. Um Verbraucher nicht in die Irre zu führen, müssten Werbende daher bei der Verwendung von mehrdeutigen Umweltbegriffen wie „klimaneutral“ direkt in der Werbung klarstellen, was genau gemeint ist.

Ergänzende Hinweise und Erläuterungen auf verlinkten Webseiten seien dafür nicht ausreichend, auch wenn diese direkt aus der Werbung heraus erreichbar sind. Irreführende Umweltwerbung sei wettbewerbsrechtlich relevant, da ökologische Aspekte die Kaufentscheidungen von Verbrauchern maßgeblich beeinflussen können.

Das BGH-Urteil unterstreicht die wachsende Bedeutung von Transparenz und Klarheit bei umweltbezogener Werbung. Es schafft mehr Rechtssicherheit für Unternehmen und schützt gleichzeitig Verbraucher vor irreführenden Werbeversprechen. Werbetreibende sind nunmehr gehalten, Verbraucher unmittelbar und unmissverständlich darüber zu informieren, was genau sich hinter ökologischen Werbebotschaften wie „klimaneutral“ verbirgt – sei es eine emissionsärmere Produktion oder lediglich eine nachträgliche Kompensation.

Nur wenn Verbraucher die tatsächliche Bedeutung solch schlagkräftiger, aber interpretationsoffener Werbebegriffe auf Anhieb erfassen können, sind sie in der Lage, sich ein zutreffendes Bild zu machen und eine informierte Kaufentscheidung zu treffen. Wer bei der Bewerbung seiner Produkte und Dienstleistungen mit Umweltargumenten wirbt, muss daher künftig noch genauer hinschauen und darf die werbliche Kommunikation nicht dem Zufall oder der Interpretation der Verbraucher überlassen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.6.2024; AZ – I ZR 98/23 –

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Reise-Stornierung: Gericht weist Rückerstattungsanspruch ab

Im Streit um einen Rückerstattungsanspruch aus einem Reisevertrag hat das Amtsgericht München in einemUrteil vom April 2024 gegen den Kläger entschieden, der 3.949 Euro zurückgefordert hatte. Der Kläger hatte eine neuntägige Reise nach Faro (Portugal) für 4.548 Euro gebucht und diese anschließend im Internet storniert. Daraufhin buchte das beklagte Resieunternehmen Stornogebühren in Höhe von 3.859 Euro vom Konto des Klägers ab. Der Kläger argumentierte, er habe sich lediglich über eine Umbuchung informieren wollen und versehentlich die Stornierung vorgenommen. Zudem habe er nach der Buchung von einer Baustelle neben dem Hotel erfahren.

Das Gericht stellte fest, dass die Stornierung wirksam war und eine Anfechtung wegen Irrtums in der Erklärungshandlung  nicht gegeben sei. Für die Stornierung waren fünf Schritte erforderlich, und ein versehentliches „Verklicken“ bei jedem dieser Schritte sei lebensfremd. Nach Ansicht des Gerichts musste dem Kläger bewusst gewesen sein, dass er eine endgültige Stornierung vornahm.

Rückerstattungsanspruch bei Stornierung.Das Reiseunternehmen sei berechtigt, so die Richter, aufgrund des Rücktritts vom Vertrag vor Reisebeginn eine angemessene Entschädigung in Höhe von 3.859 Euro zu verlangen. Es hatte schlüssig dargelegt, dass es für die Buchung der einzelnen Reiseleistungen wie Flüge und Hotel in Vorleistung gehen musste. Die Gesamtaufwendungen beliefen sich auf 4.036 Euro.

Der Kläger konnte sich auch nicht auf die AGB der Beklagten berufen, da seine Behauptung über eine Baustelle neben dem Hotel nicht ausreichend konkret war. Es fehlte an einem schlüssigen Vortrag, dass von der Baustelle ausreichender Baulärm ausgeht, der einen erheblichen Reisemangel darstellt. Auch eine entsprechende Mängelanzeige war nicht erfolgt. Somit konnte der Kläger keinen Anspruch auf Rückerstattung geltend machen.

Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung klarer und bewusster Handlungen bei Online-Buchungen und die rechtlichen Konsequenzen einer wirksamen Stornierung. Es zeigt zudem, dass eine Anfechtung der Stornierung wegen Irrtums nur unter sehr spezifischen Bedingungen möglich ist. Die Entscheidung des Amtsgerichts München hebt hervor, dass Reiseveranstalter berechtigt sind, angemessene Stornogebühren zu erheben, wenn Kunden ihre Buchungen zurückziehen und sie dadurch auf erheblichen Kosten sitzen bleiben.

Amtsgericht München, Urteil vom 18.4.2024; AZ –275 C 10050/23

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Korrektur falscher Schätzwerte bei Erdgasjahresabrechnung erlaubt

Das Amtsgericht München hat mit einem Urteil vom März 2024 entschieden, dass Energieanbieter durchaus berechtigt – quasi sogar verpflichtet – sind, falsche Schätzwerte nachträglich zu korrigieren. Dieser Fall betraf eine Erdgasjahresabrechnung über mehr als 4.200 Euro für den Zeitraum von März 2020 bis März 2021. Die Klägerin argumentierte, dass der ermittelte Gasverbrauch von 63.528 kWh deutlich zu hoch sei. Der hohe Verbrauch resultierte jedoch aus einer fehlerhaften Schätzung des Vorjahres, die zu niedrig angesetzt worden war.

Das Gericht stellte fest, dass der Verbrauchswert aus dem Jahr 2021 auf einer tatsächlichen Ablesung beruhte, während der Wert des Vorjahres geschätzt worden war. Die Schätzung des Vorjahres hatte sich im Nachhinein als zu niedrig erwiesen, was zu einer Korrektur in der Abrechnung 2021 führte. Das bayrische Gericht befand die Korrektur für rechtens, da diese auf realen, abgelesenen Werten basierte und somit den tatsächlichen Verbrauch korrekt widerspiegelte.

Die Beklagte ist berechtigt, die Schätzwerte anzusetzen Ein weiterer wichtiger Punkt des Urteils war die Verpflichtung der Klägerin, das tatsächlich verbrauchte Gas auch zu bezahlen. Das Gericht betonte, dass die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, den Verbrauch am Ende des ersten Jahres selbst abzulesen, um eine genauere Verteilung der Kosten zu gewährleisten. Da diese Möglichkeit von der Klägerin nicht genutzt wurde, sei die Beklagte berechtigt gewesen, die Schätzwerte anzusetzen. Die Schätzung des ersten Jahres und die Korrektur im zweiten Jahr entsprachen den gesetzlichen Abrechnungsmechanismen und führten insgesamt nicht zu einer fehlerhaften Gesamtabrechnung.

Das Urteil der Münchner Richter verdeutlicht die rechtliche Grundlage für die nachträgliche Korrektur von Schätzwerten bei Energieabrechnungen. Es betont die Bedeutung einer korrekten Ablesung zur Vermeidung von Streitigkeiten und stellt klar, dass Energieanbieter verpflichtet sind, fehlerhafte Schätzungen zu korrigieren, um so den tatsächlichen Verbrauch korrekt abzubilden. Diese Entscheidung unterstreicht die Verantwortung der Verbraucher, ihre Verbrauchswerte rechtzeitig und richtig zu erfassen, um unnötige Nachzahlungen zu vermeiden.

Das Gericht betonte zudem, dass keine relevanten Beweise vorgelegt wurden, die die Abrechnung in Frage stellen könnten. Dies zeigt die Bedeutung einer genauen und sorgfältigen Überprüfung von Schätzungen und tatsächlichen Ablesungen durch die Versorgungsunternehmen. Verbraucher sollten aufmerksam ihre Abrechnungen überprüfen und bei Unklarheiten rechtzeitig handeln, um ähnliche Fälle zu vermeiden.

Amtsgericht München, Urteil vom 19.3.2024; AZ – 172 C 12407/23

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Rechtlicher Schutz vor ungewollter E-Mail-Werbung gestärkt

Das Landgericht Paderborn hat in seinem durchaus richtungsweisenden Urteil vom März 2024 deutlich gemacht, dass es gilt, die Rechte von Verbrauchern im Umgang mit unerwünschter Werbung erheblich zu stärken. In diesem spezifischen Fall nutzte ein Reisebüro die E-Mail-Adresse eines Geschäftskunden weiterhin für Werbezwecke, obwohl der Kunde ausdrücklich und durch ein Anwaltsschreiben den Stopp derartiger E-Mail-Werbung gefordert hatte. Die Entscheidung des Gerichts bestätigte, dass eine solche Abmeldung von Werbe-E-Mails sofort wirksam sein muss und dass die gängige Praxis der Verzögerung nicht akzeptabel ist.

Nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gelten Werbemaßnahmen, die ohne ausdrückliche Zustimmung des Empfängers durchgeführt werden, grundsätzlich als unzumutbare Belästigung. Eine Ausnahme von dieser Regel ist jedoch möglich, wenn die Empfänger ihre Zustimmung zur E-Mail-Werbung explizit erteilt haben – und ihnen jederzeit klar und deutlich die Möglichkeit eingeräumt wird, diese Zustimmung zu widerrufen. Im vorliegenden Fall konnte das Reisebüro jedoch nicht nachweisen, dass es die notwendigen Anforderungen für eine solche Ausnahme erfüllt hatte, insbesondere fehlte der Nachweis einer klaren und unmissverständlichen Zustimmung bei der Datenerhebung. Abmeldung von Werbe-E-Mails muss sofort wirksam sein!

Das Gericht kritisierte insbesondere die Praxis des Reisebüros, die relevanten Informationen über das Widerspruchsrecht tief in einer langen und komplizierten Datenschutzerklärung zu verbergen. Diese Vorgehensweise entsprach nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine transparente und verständliche Kommunikation. Die relevanten Informationen waren erst auf den hinteren Seiten der 26-seitigen Datenschutzerklärung zu finden, was das Gericht als komplett unzureichend erachtete um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Und natürlich ist so ein Vorgehen in der Realität quasi sinnfrei, da davon auszugehen ist, dass Kunden derart lange Erklärungen nicht lesen werden.

Die Folgen für das Reisebüro waren gravierend. Neben den Kosten der rechtlichen Auseinandersetzung und den Abmahngebühren wurde eine strafbewehrte Unterlassungsverfügung verordnet, die bei weiteren Verstößen (eben etwa weiterer E-Mail-Werbung) hohe Geldstrafen oder sogar eine Ordnungshaft für den Geschäftsführer zur Folge haben könnte. Dieses Urteil der Paderborner Richter sendet ein klares Signal an alle Unternehmen, die Datenschutzbestimmungen und die Rechte der Verbraucher ernst zu nehmen.

Insgesamt unterstreicht das Urteil die Notwendigkeit, die Datenschutzvorschriften streng einzuhalten und die Kommunikation über Datenschutzrechte klar und für alle und jeden zugänglich zu gestalten. Es stärkt die Position von Verbrauchern erheblich, sich gegen unerwünschte Werbemaßnahmen wirksam zu wehren und betont die Bedeutung des Schutzes persönlicher Daten in der digitalen Kommunikation.

Urteil des Landgericht Paderborn vom 12.4.2024; AZ – 2 O 325/23 –

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Verständnis von grober Fahrlässigkeit bei Online-Banking-Betrug und Phishing

Im digitalen Zeitalter, in dem Online-Transaktionen zur Norm geworden sind, erhöht sich auch das Risiko von Betrugsfällen, insbesondere durch Phishing-Angriffe. Ein Fall, der im Dezember 2023 vor dem Landgericht Lübeck verhandelt wurde, wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung von Wachsamkeit bei der Nutzung von Online-Banking-Diensten. Ein Mann wurde Opfer eines Phishing-Betrugs, nachdem er auf eine gefälschte Bankwebsite gelockt und dazu verleitet wurde, persönliche Daten sowie Transaktionsfreigaben preiszugeben. Die Folge war ein erheblicher finanzieller Verlust.

Phishing ist ein auf elektronischen Weg durchgeführter Betrugsversuch, bei dem der Empfänger eine gefälschte E-Mail zugesendet bekommt, die er häufig jedoch nicht als solche im ersten Moment erkennt. Diese Angriffsmethode, in Form einer professionell wirkenden E-Mail, ist häufig so konzipiert, dass der Empfänger dazu gebracht wird, sensible Daten preis zu geben. Gemeint sind hier vor allem personenbezogene Daten.

Ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Aufmerksamkeit müssen Kunden bei Phishing und Online-Banking beweisen. Die Angreifer bedienen sich oft namhaft klingender Unternehmen oder Institutionen, die beispielsweise im Finanz- oder Handelsbereich ansässig sind. Der Begriff Phishing stammt aus dem englischsprachigen Raum und bezeichnet im Prinzip einen Angelausflug. Hierbei dient eine eigens für den Angriff konzipierte E-Mail dem Cyberkriminellen als Köder, wobei er diesen gleich mehrfach an seine möglichen Opfer, wie z.B. an Mitarbeiter eines Unternehmens, weiterleitet.

Im konkreten Fall passierte Folgendes: Trotz der sofortigen Erkenntnis des Betrugs und der Forderung nach Erstattung des verlorenen Geldes von seiner Bank, wurde die Forderung abgelehnt. Das Lübecker Gericht stützte seine Entscheidung auf die Feststellung, dass der Mann grob fahrlässig gehandelt habe. Er hätte die Anzeichen eines Betrugs erkennen und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen treffen müssen. Insbesondere hätte der spätabendliche Anruf von einer angeblichen Bankmitarbeiterin, die Aufforderung zur Eingabe persönlicher Daten auf einer verdächtig erscheinenden Website und die Bitte um Freigabe einer Transaktion ohne vorherige Überprüfung, Warnsignale sein müssen.

Dieser Fall unterstreicht die Notwendigkeit, bei Online-Transaktionen äußerste Sorgfalt walten zu lassen. Es reicht nicht aus auf die Sicherheitsmaßnahmen der Banken zu vertrauen. Kunden müssen selbst proaktiv sein, um Betrugsversuche zu erkennen. Dazu gehört die kritische Überprüfung von Webseiten, auf denen sie sich anmelden, die Verifikation von Anrufern die sich als Bankmitarbeiter ausgeben und die genaue Überprüfung von Transaktionsdetails, bevor diese bestätigt werden.

Die Lehre aus diesem Fall ist klar: Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, potenzielle Bedrohungen zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Der Schutz vor finanziellen Verlusten durch Betrug beginnt mit der Erkenntnis, dass man selbst die erste Verteidigungslinie ist.

Landgericht Lübeck, Urteil vom 19.12.2023; AZ – 3 O 83/23 –

Foto: Fran Rodríguez

Tierhaltung in Mietwohnungen: Konkrete Entscheidungsgründe für Verbot nötig

In einem Urteil des Landgerichts Berlin vom Dezember 2022 wurde ein Fall behandelt, der für viele Mieter und Vermieter von Interesse sein dürfte: Es ging um die Frage, ob Mieter für die Haltung eines Hundes in ihrer Wohnung die Zustimmung des Vermieters benötigen. In diesem speziellen Fall hatten die Mieter, trotz der Verweigerung durch ihre Vermieterin, einen Hund in ihrer Wohnung gehalten und daraufhin rechtliche Schritte eingeleitet, um feststellen zu lassen, dass sie für die Tierhaltung keine Zustimmung benötigen.

Das Richter kamen zu dem Schluss, dass die Klausel im Mietvertrag, die eine Zustimmung des Vermieters zur Tierhaltung vorsah, die Mieter unangemessen benachteiligte und daher unwirksam war. Die Entscheidung beruhte auf der Erkenntnis, dass eine solche Klausel den Mietern kein nachvollziehbares Kriterium für die Zustimmung zur Tierhaltung bietet und somit in das freie Ermessen des Vermieters gestellt wird. Dies steht im Widerspruch zu den Grundsätzen von Treu und Glauben, die eine faire und nachprüfbare Entscheidungsfindung erfordern. Die Entscheidung über die Tierhaltungmuss auf einer umfassenden Abwägung der Interessen aller Beteiligten beruhen.

Das Gericht betonte weiterhin, dass die Entscheidung über die Tierhaltung auf einer umfassenden Abwägung der Interessen aller Beteiligten beruhen muss. Hierbei sind sowohl die Bedürfnisse und die Lebensumstände der Mieter als auch potenzielle Störungen und Beeinträchtigungen für die Nachbarn und den Vermieter zu berücksichtigen. In dem verhandelten Fall wurden die individuellen Umstände der Mieter, wie die Möglichkeit zur Betreuung des Hundes und ihre Erfahrungen mit der Tierhaltung, als ausreichend angesehen, um die Haltung des Hundes zu rechtfertigen.

Diese Entscheidung verdeutlicht, dass Pauschalverbote zur Tierhaltung in Mietverträgen nicht haltbar sind und dass jeder Fall individuell betrachtet werden muss. Mieter und Vermieter sind gleichermaßen angehalten, im Dialog eine einvernehmliche Lösung zu finden, die den Interessen beider Seiten gerecht wird. Dabei ist es wichtig, dass Vermieter bei der Formulierung von Vertragsklauseln zur Tierhaltung klare und nachprüfbare Kriterien anlegen, die eine gerechte Entscheidungsfindung ermöglichen.

Für Mieter und Vermieter ergibt damit die Notwendigkeit, sich eingehend mit den Bedingungen und der praktischen Umsetzung von Tierhaltung in Mietwohnungen auseinanderzusetzen. Sie sollten sich über ihre Rechte und Pflichten im Klaren sein, um Konflikte zu vermeiden und eine für beide Seiten angemessene Lösung zu finden.

Urteil des Landgericht Berlin vom 7.12.2022; AZ – 64 S 151/22 –

Foto:  bnenin

Keine Gebühren für freiwillige Feuerwehrhilfe bei Reifenpanne

Ein kürzlich ergangener Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom Mai 2023 hat die grundsätzliche Bedingungen für Feuerwehrhilfe sehr deutlich geklärt. Es ging konkret um die Frage, ob die Stadt Kirtorf berechtigt war, Gebühren für die Hilfeleistung der Feuerwehr im Rahmen eines Einsatzes bei einer Reifenpanne zu erheben.

Im Dezember 2022 wurde die freiwillige Feuerwehr der Stadt Kirtorf alarmiert, da ein Baum auf der Fahrbahn umgestürzt sein sollte. Sechs Einsatzfahrzeuge und 17 Feuerwehrkräfte rückten aus, konnten jedoch keinen umgestürzten Baum vorfinden. Stattdessen stießen sie auf eine Autofahrerin, die wegen einer Reifenpanne am Straßenrand stand und auf den ADAC wartete. Die Feuerwehr bot spontan ihre Hilfe an und wechselte den Reifen des Fahrzeugs.

Feuerwehrhilfe bei einer Reifenpanne – sind dann Gebühren zu zahlen?Einige Wochen später erhielt die Autofahrerin einen Bescheid von der Stadt Kirtorf, in dem ihr Kosten in Höhe von 784,20 Euro für den Einsatz in Rechnung gestellt wurden. Die Begründung: Es seien insgesamt Kosten von über 1.000 Euro entstanden, aber aus Billigkeitsgründen sei die Summe um 25 % reduziert worden.

Die Autofahrerin legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht Gießen einstweiligen Rechtsschutz. Das Gericht gab dem Eilantrag statt und stellte fest, dass der Bescheid rechtswidrig war. Es fehlte nicht nur eine ausreichende Begründung für die Gebührenforderung, sondern auch eine taugliche Rechtsgrundlage. Das Gericht betonte, dass durch das Fahrzeug der Autofahrerin keine unaufschiebbare Gefahrenlage entstanden war, die ein Eingreifen der Feuerwehr erforderlich gemacht hätte. Zudem durfte die Autofahrerin davon ausgehen, dass die Hilfeleistung unentgeltlich war, da sie die Feuerwehr nicht selbst angefordert hatte und auch nicht über mögliche Gebühren informiert wurde. Die Feuerhilfe war in der Tat eine freiwillige Hilfe der beteiligten Personen im Einsatz.

Dieser Fall zeigt, dass nicht jede Hilfeleistung der Feuerwehr automatisch mit Gebühren verbunden ist. Es bedarf einer klaren Rechtsgrundlage und einer transparenten Kommunikation seitens der Behörden, um solche Missverständnisse und rechtlichen Auseinandersetzungen zu vermeiden. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die Mitarbeiter der Verwaltung sich im Vorfeld nur unzureichend informiert haben – was die Bürger allerdings erwarten dürfen.

Verwaltungsgericht Gießen, Beschluss vom 15.5.2023 ; AZ – 2 L 260/23.GI –

Foto: Markus Mainka

BGH: Kontrolle und Nachsortierung bei der Mülltrennung können Nebenkosten sein

Wenn ein Vermieter die Mülltrennung von einem externen Dienstleister kontrollieren lässt, darf er die Kosten dafür  auch auf die Mieterinnen und Mieter umlegen. Geklagt hatten Mieter aus Berlin, die für dieses „Behältermanagement“ etwas mehr als zwölf Euro im Jahr zahlen sollten. Der Dienstleister hatte den Auftrag, die Restmülltonnen der Anlage mit rund 100 Wohnungen regelmäßig zu kontrollieren und falsch eingeworfenen Abfall bei Bedarf von Hand nachzusortieren. Mit einem Urteil vom Oktober 2022 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es sich hier in der Tat um Nebenkosten handelt, die auch weitergegeben werden können.

Wenn Mieter es mit der Mülltrennung nicht so genau nehmen, kann der Vermieter dagegen vorgehen, indem dieser etwa einen Dienstleister damit beauftragt, die Mülltrennung im Objekt zu überwachen. Wie auch bei dem verhandelten Fall aus Berlin. Die Betriebskostenverordnung erlaube es ganz klar, die Kosten der Müllbeseitigung auf die Mieter umzulegen. Der Begriff „Müllbeseitigung“ sei dabei in der Verordnung nicht weiter definiert, aber weit auszulegen, wie die Karlsruher Richter dazu feststellten. Das in diesem Fall zusätzlich beauftragte Behältermanagement falle denn auch darunter. Dabei kommt es nicht einmal darauf an, ob dieser Dienst nur eine Reaktion auf ein Fehlverhalten der Mieter beauftragt worden war oder nicht. Kontrolle und Nachsortierung kann Nebenkosten für die Mieter bedeuten.

Im vorliegenden Fall wies die Betriebskostenabrechnung der beklagten Immobiliengesellschaft für das Jahr 2018 jeweils anteilig nach der Wohnfläche auf die Mieter umgelegte Kosten für die Wartung von Rauchwarnmeldern sowie für ein Behältermanagement aus. Auf die Kläger entfiel dabei in dem betreffenden Jahr ein Betrag von 13,66 Euro für die Anmietung und von 8,02 Euro für die Wartung der Rauchwarnmelder sowie ein Betrag von 12,09 Euro für  das  besagte Behältermanagement. Die Beklagte zog den sich aus der Betriebskostenabrechnung ergebenden Nachzahlungsbetrag vom Konto der Kläger ein. Die Kläger widersprachen der Betriebskostenabrechnung fristgemäß.

Der Bundesgerichtshof bestätigte letztlich die weitgehend gleich lautenden Entscheidungen der Vorinstanzen. Die Kosten für das Behältermanagement können auf die Mieter umgelegt werden. Sie entstehen der Vermieterin regelmäßig und wiederkehrend durch die Mietnutzung und seien insbesondere nicht den durch die Grundmiete abgedeckten Verwaltungskosten zuzuordnen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 5.10.2022; AZ – VIII ZR 117/21 –

Foto: mochisu

Staubsaugen zu Mittagszeit ist von den Nachbarn hinzunehmen

Ein Wohnungsmieter hat sozialadäquaten Lärm, wie etwa Staubsaugen eines Nachbarn zur Mittagszeit hinzunehmen. Es besteht keine Pflicht zur Vermeidung jedes störenden Geräusches. Dies hat das Amtsgericht Singen im April 2022 entschieden.

Die Mieterin einer Erdgeschosswohnung klagte im Jahr 2021 gegen die über ihr wohnende Nachbarin auf Unterlassung von Lärmstörungen. Sie beschwerte sich darüber, dass kurz nach 7 Uhr mit Fenstern und Türen geknallt und hin und her getrampelt werde. Auch staubsauge die Nachbarin jeden Tag gegen 12 Uhr. Die Wohnung befand sich in einem sehr hellhörigen Mehrfamilienhaus, ohne Trittschalldämmung.

Von der Beklagten könne nicht erwartet werden, so das Amtsgericht, dass sie nach Ende der Nachtruhe sich ganz zaghaft und behutsam schleichend zu verhalten sowie zaghaft darauf zu achten, keinen Laut von sich zu geben und mucksmäuschenstill zu sein. Auch eine Hausordnung könne nicht vorgeben, dass „jedes störende Geräusch“ zu vermeiden sei. Es gebe nun mal Alltagstätigkeiten, die naturgesetzlich mit Geräuschentwicklungen verbunden seien.

Staubsaugen ist ein sozialadäquates VerhaltenDer Klägerin stehe kein Anspruch auf Unterlassung jeglicher Ruhestörung zu, so das Singener Amtsgericht. Die von ihr genannten Belästigungen seien als Bagatelle zu werten. Der Beklagten sei es erlaubt, im Rahmen eines sozialadäquaten Verhaltens in der von ihr bewohnten Wohnung Geräusche zu verursachen – auch wenn diese von anderen Hausbewohnern als ruhestörend empfunden werden. Ein Wohnungsmieter dürfe selbstverständlich mittags staubsaugen. Zwar komme es beim Schließen von Fenstern und Türen zu punktuellen Geräuschentwicklungen. Diese gehören aber ebenso zum Alltagsleben und seien hinzunehmen.

Grundsätzlich steht bei diesem Urteil – wie auch immer wieder im Mietrecht – die Frage im Raum „Was ist noch sozialadäquat (und damit zu dulden) und ab wann überschreitet die Geräuschkulisse das sozialadäquate Maß (und ist damit nicht mehr zu dulden)?“ Mittägliche Ruhezeiten, wie sie von Mietern immer noch wieder gerne diskutiert und beansprucht werden, sind aber in den meisten Bundesländern bereits seit vielen Jahren, bzw. Jahrzehnten abgeschafft. Und damit für diese Entscheidung im Grunde nicht relevant.

Die Kategorie des sozialadäquaten Lärms ist tatsächlich rechtlich schwierig einzuordnen. Es gibt keine direkt anwendbaren technischen Grenzwerte und in rechtlicher Hinsicht ist ein erheblicher Bewertungsspielraum vorhanden. Viele Streitigkeiten vor Gericht drehen sich deshalb immer mal wieder um diese Frage. Das Urteil der Richter aus Singen ist dazu aber in jeder Hinsicht sehr eindeutig.

Amtsgericht Singen, Urteil vom 29.4.2022; AZ – 1 C 235/21 –

Foto:  Halfpoint

Werbe-E-Mail ohne Zustimmung kann zu Ordnungsgeld oder -haft führen

Der Kläger betrieb eine E-Mail-Adresse, die er unter anderem für berufliche Zwecke nutzte. Im Dezember 2021 widersprach er der werblichen Nutzung seiner personenbezogenen Daten, indem er eine E-Mail an die Beklagte (ein Pay-TV-Anbieter) sandte. Trotzdem erhielt er im Januar 2022 erneut eine Werbe-E-Mail, mit der diese für den Abschluss eines 12-monatigen Abos warb. Der Kläger forderte die Beklagte zunächst außergerichtlich zur Unterlassung auf. Nachdem keine Reaktion erfolgte, hatte er Klage erhoben.

Mit einem Urteil vom August 2022 untersagte das Amtsgericht München dem Pay-TV Anbieter, im geschäftlichen Verkehr zu Werbezwecken mit dem Kläger per E-Mail Kontakt aufzunehmen, ohne dass dessen ausdrückliche Einwilligung vorliegt. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro angedroht, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – zu vollziehen an dem oder den Geschäftsführer(n).

Werbe-E-Mails ohne Zustimmung können zu Ordnungsgeld oder -haft führenDer Kläger bezog sich auf die Datenschutzgrundverordnung, nach der er jederzeit und insbesondere formlos kündigen bzw. weitere Werbe-E-Mails untersagen könne. Die Beklagte trug vor, dem Kläger sei auf seine Nachricht vom Dezember mitgeteilt worden, dass er ganz einfach die entsprechende Einwilligung im Kundenverwaltungssystem entziehen könne. Da der Kläger dies nicht getan habe, habe sie davon ausgehen können, dass seine Einwilligung weiterhin Bestand habe. Dem widersprach das Amtsgericht deutlich und urteilte im Sinne des Klägers.

Die Verwendung von elektronischer Post für die Zwecke der Werbung gegen den eindeutig erklärten Willen des Klägers stelle einen Eingriff in seine geschützte Privatsphäre und damit in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze den Bereich privater Lebensgestaltung und gäbe den Betroffenen das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden.

Nicht nachvollziehbar sei der Einwand der Beklagten, so das Amtsgericht, der Kläger habe in ihrem „Kundenverwaltungssystem“ darüber hinaus noch bestimmte Einstellungen selbst tätigen müssen. Der Widerspruch gegen die Zulässigkeit elektronischer Werbung sei an keine bestimmte Form gebunden; die Verwaltung ihrer Kundendaten obliege allein der Beklagten und könne nicht auf den Kunden abgewälzt werden. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei auch rechtswidrig. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr würde durch das eindeutig festgestellte rechtsverletzende Verhalten des beklagten Pay-TV-Anbieters angezeigt.

Amtsgericht München, Urteil vom 5.8.2022; AZ – 142 C 1633/22 –

Foto: onephoto