BGH-Entscheidung: Unfallbedingte Wertminderung bei reparierten Fahrzeugen

Nach einem Verkehrsunfall entsteht häufig eine besondere Form der Wertminderung, die fachlich als „merkantiler Minderwert“ bezeichnet wird. Diese unfallbedingte Wertminderung tritt selbst dann ein, wenn das Fahrzeug fachgerecht und vollständig repariert wurde. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun eine wichtige Entscheidung zur Berechnung dieser Wertdifferenz getroffen.

Die unfallbedingte Wertminderung entsteht dadurch, dass Unfallfahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt generell niedrigere Preise erzielen als vergleichbare unfallfreie Fahrzeuge. Diese Differenz können Geschädigte als Schadensersatz geltend machen – unabhängig davon, ob sie das Fahrzeug später tatsächlich verkaufen möchten oder nicht.

In seiner Entscheidung vom Juli 2024 hat der BGH klargestellt, dass die Berechnung der unfallbedingten Wertminderung grundsätzlich auf Basis der Nettoverkaufspreise erfolgen muss. Dies gilt sowohl für gewerbliche als auch für private Verkäufer. Bei gewerblichen Verkäufern würde die Umsatzsteuer ohnehin nur als durchlaufender Posten an das Finanzamt weitergeleitet. Private Verkäufer dürfen hingegen gar keine Umsatzsteuer berechnen.

Eine sachverständige Begutachtung sollte von vornherein die Nettopreise als Bewertungsgrundlage heranziehen.Wurde die Wertminderung bisher auf Grundlage von Bruttoverkaufspreisen ermittelt, muss der entsprechende Umsatzsteueranteil vom errechneten Betrag abgezogen werden. Der Bundesgerichtshof will damit eine ungerechtfertigte finanzielle Besserstellung des Geschädigten vermeiden.

Die Entscheidung wirft auch die praktische Frage auf, welche Preise private Verkäufer tatsächlich am Markt erzielen können. Auch wenn diese formal Nettopreise darstellen, können sie durchaus in der Höhe an die Bruttopreise gewerblicher Anbieter heranreichen.

Für Geschädigte bedeutet die Entscheidung, dass sie bei der Geltendmachung der unfallbedingten Wertminderung besonders auf die korrekte Berechnung achten müssen. Eine sachverständige Begutachtung sollte daher von vornherein die Nettopreise als Bewertungsgrundlage heranziehen.

Der konkrete Fall, den der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte, betraf ein geleastes Fahrzeug mit einer geltend gemachten Wertminderung von 1.250 Euro. Die Versicherung hatte zunächst nur 700 Euro gezahlt. Das Berufungsgericht hatte eine Wertminderung von 1.000 Euro festgestellt, ohne zu klären, ob dieser auf Brutto- oder Nettopreisen basierte. Der Bundesgerichtshof verwies den Fall daher zur erneuten Verhandlung zurück.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.7.2024; AZ – VI ZR 188/22 –

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Masernimpfnachweis im Schulalltag: Rechtsprechung, Konsequenzen und Vollzugspraxis

Die rechtliche Situation beim Masernimpfnachweis für Schulkinder stellt sich deutlich differenzierter dar als bei Kindern in vorschulischen Einrichtungen. Ein Fall aus Nordrhein-Westfalen von 2024 verdeutlicht die komplexe Abwägung zwischen Schulpflicht und gesundheitlichem Gemeinschaftsschutz. Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigte im Juli 2024 die Rechtmäßigkeit behördlicher Maßnahmen zur Durchsetzung der Nachweispflicht. Die Entscheidung stützt sich auf die grundlegende Überlegung, dass der Schutz besonders gefährdeter Personen in Gemeinschaftseinrichtungen ein wichtiges gesellschaftliches Anliegen darstellt. Besonders relevant wird dieser Aspekt für Menschen, die aus medizinischen Gründen selbst keine Impfung erhalten können.

Die praktische Umsetzung dieser rechtlichen Vorgaben spiegelt sich in den Zahlen der verhängten Ordnungsmaßnahmen wider. Allein in Sachsen mussten die Behörden in den vergangenen zwei Jahren mehrere hundert Bußgeldbescheide ausstellen. Der Landkreis Görlitz verzeichnete im Jahr 2023 insgesamt 314 Fälle, während die Stadt Leipzig 184 Ordnungswidrigkeitsverfahren einleitete.

Der Masernimpfnachweis ist bei Schulen als eine klare Pflicht anzusehen.Eine Besonderheit ergibt sich aus dem Verhältnis von Schulpflicht und Masernimpfnachweis. Anders als bei Kindertagesstätten führt das Fehlen eines Nachweises nicht zum Ausschluss vom Unterricht. Die Gesundheitsämter können jedoch Bußgelder gegen die Erziehungsberechtigten verhängen. Die Höhe dieser Bußgelder bewegt sich meist zwischen 50 und 250 Euro, kann theoretisch aber bis zu 2.500 Euro betragen.

Die Dringlichkeit der Maßnahmen wird durch aktuelle Ereignisse unterstrichen. Ein kürzlicher Masernausbruch im Vogtland betraf vorwiegend unzureichend immunisierte Kinder. Dies verdeutlicht die fortbestehende gesundheitliche Relevanz der Nachweispflicht.

Die gerichtliche Bewertung der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt das hohe Infektionsrisiko in Schulen. Die Durchsetzung mittels Zwangsgelds wurde als angemessenes Mittel eingestuft, da sie einen ausgewogenen Kompromiss zwischen gesundheitlichem Schutz und der Gewährleistung des Schulbesuchs darstellt. Der Masernimpfnachweis ist bei Schulen damit als eine klare Pflicht anzusehen.

Die behördliche Praxis zeigt deutliche regionale Unterschiede. Während einige Landkreise vorrangig moderate Bußgelder verhängen, setzen andere Behörden auf intensivere Kontrollen und höhere Strafen. Diese unterschiedlichen Ansätze spiegeln die lokalen Gegebenheiten und Erfahrungen wider. Dennoch bleibt das übergeordnete Ziel einheitlich: Der Schutz der Schulgemeinschaft vor einer hochansteckenden Krankheit.

Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 16.7.2024; AZ – 13 B 1281/23 –

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Verzicht auf Mindesturlaub oder Abgeltung während Arbeitsverhältnis unzulässig

Das Bundesurlaubsgesetz regelt den gesetzlichen Mindesturlaub und die entsprechende Urlaubsabgeltung für Arbeitnehmer. Diese Ansprüche sollen während des bestehenden Arbeitsverhältnisses unverzichtbar sein. Eine vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die den Verzicht auf den Mindesturlaub oder dessen Abgeltung vorsieht, ist somit nicht zulässig, solange das Arbeitsverhältnis andauert. Erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eröffnet sich die Möglichkeit eines Verzichts.

Dieser Grundsatz wurde durch ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom April 2024 bekräftigt. Im zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien eines Arbeitsvertrags im Januar 2023 vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis zum 30.4.2023 enden und sämtliche Urlaubsansprüche als in Natur gewährt gelten sollten. Der Arbeitnehmer konnte im Jahr 2023 krankheitsbedingt keinen Urlaub nehmen. Trotz der getroffenen Vereinbarung klagte er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Urlaubsabgeltung – und erhielt sowohl in erster als auch in zweiter Instanz Recht.

Der gesetzliche Mindesturlaub und die Urlaubsabgeltung sind während des Arbeitsverhältnisses unverzichtbar.Das Landesarbeitsgericht begründete seine Entscheidung mit dem Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen. Diese sollen sicherstellen, dass der Anspruch auf den Mindesturlaub und dessen Abgeltung während des laufenden Arbeitsverhältnisses gewahrt bleiben. Eine Vereinbarung, die diese Ansprüche ausschließt oder beschränkt, würde den Schutzzweck verfehlen.

Die Richter stellten klar, dass der Zeitpunkt der getroffenen Vereinbarung entscheidend ist. Da diese im Januar 2023 und somit während des laufenden Arbeitsverhältnisses geschlossen wurde, war sie unzulässig. Unerheblich sei dabei, dass das bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt bereits feststand.

Auch einen sogenannten Tatsachenvergleich, bei dem sich das Nachgeben auf eine Ungewissheit im Tatsächlichen bezieht, verneinte das Gericht. Ein solcher Vergleich könne sich nicht auf eine völlig unstreitige Forderung beziehen. Im vorliegenden Fall habe kein Streit über die Anzahl der aufgrund der Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Jahr 2023 noch nicht gewährten Urlaubstage bestanden. Das Entstehen, der Umfang und die Nichterfüllung der gesetzlichen Urlaubsansprüche seien unstrittig gewesen.

Das Urteil unterstreicht den hohen Stellenwert des gesetzlichen Mindesturlaubs und der entsprechenden Urlaubsabgeltung. Diese stehen während des Arbeitsverhältnisses nicht zur Disposition der Vertragsparteien. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können nicht einvernehmlich auf diese Ansprüche verzichten. Erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht die Möglichkeit einer abweichenden Vereinbarung.

Die Entscheidung schafft Klarheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer: Der gesetzliche Mindesturlaub und die Urlaubsabgeltung sind während des Arbeitsverhältnisses unverzichtbar. Eine Vereinbarung, die hiervon abweicht, ist unwirksam – unabhängig davon, ob das Ende des Arbeitsverhältnisses bereits feststeht. Erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses können die Parteien über einen Verzicht disponieren.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 11.4.2024; AZ –  7 Sa 516/23 –

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Datenschutzrechtliche Grenzen bei Immobilienfotos: LG Frankenthal stärkt Mieterrechte

Eine Entscheidung des Landgerichts Frankenthal vom Juni 2024 beleuchtet die datenschutzrechtlichen Anforderungen bei der Erstellung von Immobilien-Exposés. Der Fall eines Ehepaars aus dem Rhein-Pfalz-Kreis zeigt die Komplexität der rechtlichen Bewertung von Wohnraum- bzw. Immobilienfotos im Spannungsfeld zwischen Vermarktungsinteressen und Privatsphäre. Das Gericht stellte in seiner Entscheidung klar, dass Aufnahmen bewohnter Räumlichkeiten als personenbezogene Daten einzustufen sind. Diese Klassifizierung ergibt sich aus der Tatsache, dass die Einrichtung und Gestaltung der Wohnräume Rückschlüsse auf die Persönlichkeit, Lebensgewohnheiten und wirtschaftliche Situation der Bewohner ermöglichen.

Im konkreten Fall hatte ein Maklerbüro Innenaufnahmen einer vermieteten Doppelhaushälfte angefertigt und diese in einem Online-Exposé auf verschiedenen Immobilienportalen veröffentlicht. Die betroffenen Mieter fühlten sich durch die öffentliche Zurschaustellung ihrer privaten Räume in ihrer Intimsphäre verletzt. Nach Bekanntwerden der Veröffentlichung entwickelten sie ein Gefühl des Beobachtetseins und der Demaskierung ihrer Privatsphäre. Das Gericht betonte in seiner Entscheidung die grundsätzliche Notwendigkeit einer Einwilligung der Bewohner für die Anfertigung und Veröffentlichung solcher Immobilienfotos. Diese Einwilligung muss jedoch nicht zwingend schriftlich erfolgen. Eine konkludente, also durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck gebrachte Zustimmung kann bereits ausreichend sein.

Immobilienfotos im Spannungsfeld zwischen Vermarktungsinteressen und PrivatsphäreIm vorliegenden Fall wertete das Gericht das Verhalten der Mieter als stillschweigende Einwilligung, da sie den Fotografen wissentlich Zugang zu ihrer Wohnung gewährt hatten. Den Mietern musste nach Auffassung des Gerichts klar gewesen sein, dass die Immobilienfotos für Vermarktungszwecke bestimmt waren und damit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden würden. Allerdings stellte das Gericht auch einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Informationspflichten fest. Der Makler hatte es versäumt, die Mieter über ihr jederzeitiges Widerrufsrecht bezüglich der erteilten Einwilligung aufzuklären. Dieser Mangel führte jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Einwilligung.

Die Schadensersatzklage der Mieter wurde letztlich abgewiesen, da sie keinen konkreten immateriellen Schaden nachweisen konnten. Das Urteil ist rechtskräftig und gibt wichtige Orientierung für die Immobilienbranche im Umgang mit Wohnraumfotos.

Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 04.06.2024; –  3 O 300/23  –

Foto: Tom Bayer

Errichtung von E-Ladesäulen: Grundstückseigentümer sind zur Duldung verpflichtet

Die fortschreitende Elektromobilität verändert zunehmend das Erscheinungsbild deutscher Straßen. Eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom Oktober 2022 stärkt den weiteren Ausbau der Ladeinfrastruktur. Der Fall betrifft einen Hauseigentümer, der sich gegen die Installation von E-Ladesäulen vor seinem Grundstück wehrte.

Die richterliche Entscheidung macht deutlich, dass Grundstückseigentümer die Errichtung von Ladesäulen im öffentlichen Straßenraum grundsätzlich akzeptieren müssen. Dies gilt auch dann, wenn sich das betroffene Grundstück in einem reinen Wohngebiet befindet. Die Richter bewerteten die mit der Nutzung von E-Ladesäulen einhergehenden Beeinträchtigungen als sozialadäquat und damit zumutbar.

Besonders bemerkenswert ist die Einschätzung des Gerichts zu den nächtlichen Nutzungszeiten. Die Argumentation des Eigentümers, der sich gegen Lärmbelästigungen durch nächtliches Ein- und Aussteigen, Türenschlagen sowie Gespräche der Fahrzeugnutzer wandte, überzeugte nicht. Das Gericht stellte klar: Selbst in reinen Wohngebieten besteht kein Anspruch auf vollständige nächtliche Ruhe.

E-Ladesäulen müssen auch vor dem eigenen Haus und in einem Wohnrevier akzeptiert werden.Diese Rechtsprechung berücksichtigt die gesellschaftliche Bedeutung der Elektromobilität. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur stellt einen wesentlichen Baustein für den Erfolg der Verkehrswende dar. Gleichzeitig wirft die Entscheidung ein Schlaglicht auf die Herausforderungen beim Infrastrukturausbau. Neben Lärmaspekten durch Kühlungsprozesse während der Ladevorgänge ergeben sich auch Fragen zur Parkraumsituation. E-Ladesäulen vor dem eigenen Haus sind damit ganz klar hinzunehmen.

Die Entwicklung zeigt: Die Integration von Ladeinfrastruktur in bestehende Wohngebiete erfordert einen ausgewogenen Interessenausgleich. Die Gerichte orientieren sich dabei an der Straßenverkehrsordnung, die das Parken von Elektrofahrzeugen im öffentlichen Raum ausdrücklich ermöglicht. Diese rechtliche Einordnung verdeutlicht den Vorrang des Gemeingebrauchs vor individuellen Belangen einzelner Anwohner.

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts folgt damit einem bundesweiten Trend zur Förderung nachhaltiger Mobilitätskonzepte. Gerade in dicht besiedelten urbanen Räumen entstehen dadurch neue Anforderungen an die Gestaltung des öffentlichen Raums. Kommunen stehen vor der Aufgabe, die steigende Nachfrage nach Ladeinfrastruktur mit den Bedürfnissen der Anwohner in Einklang zu bringen.

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.10.2022; AZ – OVG 1 S 28/22 –

Foto: YOGI C

Bundesgerichtshof verschärft Anforderungen an umweltbezogene Werbung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Anforderungen an Werbung mit umweltbezogenen Begriffen wie „klimaneutral“ deutlich verschärft. In einem Urteil vom Juni 2024 entschieden die Richter, dass mehrdeutige Umweltbegriffe in der Werbung nur dann zulässig sind, wenn die Unternehmen direkt in der Werbung erläutern, was sie darunter verstehen. Anlass für die Entscheidung war eine Klage der Wettbewerbszentrale gegen den Süßwarenhersteller Katjes.

Das Unternehmen hatte in einer Werbeanzeige einer Fachzeitschrift damit geworben, seit 2021 „klimaneutral“ zu produzieren. Allerdings ist der Herstellungsprozess der Katjes-Produkte nicht tatsächlich CO2-neutral. Vielmehr unterstützt das Unternehmen als Ausgleich für seine CO2-Emissionen Klimaschutzprojekte über einen Partner. Einen Hinweis darauf enthielt die Anzeige lediglich in Form eines Logos mit Link auf die Website des Partners.

Der BGH erklärte diese Werbung für unzulässig. Die Richter machten deutlich, dass der Begriff „klimaneutral“ von den Verkehrskreisen auf zweierlei Weise verstanden werden könne: Zum einen als Vermeidung bzw. Verringerung von CO2-Emissionen im Produktionsprozess selbst, zum anderen als nachträgliche Kompensation des entstandenen CO2 durch Unterstützung von Klimaschutzprojekten.

Verbraucher müssen unmittelbar und unmissverständlich darüber informiert werden, was genau sich hinter ökologischen Werbebotschaften wie „klimaneutral“ verbirgt

Beispiel

 Gerade bei umweltbezogenen Werbeaussagen bestehe für die angesprochenen Verbraucher jedoch ein erhöhtes Aufklärungs- und Informationsbedürfnis. Denn in diesem sensiblen Bereich sei die Irreführungsgefahr besonders groß. Um Verbraucher nicht in die Irre zu führen, müssten Werbende daher bei der Verwendung von mehrdeutigen Umweltbegriffen wie „klimaneutral“ direkt in der Werbung klarstellen, was genau gemeint ist.

Ergänzende Hinweise und Erläuterungen auf verlinkten Webseiten seien dafür nicht ausreichend, auch wenn diese direkt aus der Werbung heraus erreichbar sind. Irreführende Umweltwerbung sei wettbewerbsrechtlich relevant, da ökologische Aspekte die Kaufentscheidungen von Verbrauchern maßgeblich beeinflussen können.

Das BGH-Urteil unterstreicht die wachsende Bedeutung von Transparenz und Klarheit bei umweltbezogener Werbung. Es schafft mehr Rechtssicherheit für Unternehmen und schützt gleichzeitig Verbraucher vor irreführenden Werbeversprechen. Werbetreibende sind nunmehr gehalten, Verbraucher unmittelbar und unmissverständlich darüber zu informieren, was genau sich hinter ökologischen Werbebotschaften wie „klimaneutral“ verbirgt – sei es eine emissionsärmere Produktion oder lediglich eine nachträgliche Kompensation.

Nur wenn Verbraucher die tatsächliche Bedeutung solch schlagkräftiger, aber interpretationsoffener Werbebegriffe auf Anhieb erfassen können, sind sie in der Lage, sich ein zutreffendes Bild zu machen und eine informierte Kaufentscheidung zu treffen. Wer bei der Bewerbung seiner Produkte und Dienstleistungen mit Umweltargumenten wirbt, muss daher künftig noch genauer hinschauen und darf die werbliche Kommunikation nicht dem Zufall oder der Interpretation der Verbraucher überlassen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.6.2024; AZ – I ZR 98/23 –

Foto: PhotoSG

Aufbewahrungspflicht für Abmahnungen nach Ende des Arbeitsverhältnis

Eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Sachsen vom März 2023 befasst sich mit der Frage, ob ehemalige Mitarbeiter die Entfernung von Abmahnungen aus ihrer in Papierform geführten Personalakte verlangen können. Der Fall betraf eine Sachbearbeiterin, die nach Ende ihres Arbeitsverhältnisses im Jahr 2020 die Beseitigung zweier Abmahnungen aus ihrer Personalakte forderte.

Das Gericht lehnte diesen Anspruch grundsätzlich ab. Generell müssen Arbeitgeber nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses keine Abmahnungen aus den Personalunterlagen entfernen. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn nachweislich konkrete Nachteile für den ehemaligen Mitarbeiter durch den Verbleib der Abmahnung in der Akte entstehen können. Die Beweislast für solche möglichen Nachteile liegt bei den ehemaligen Mitarbeitern.

Diese gerichtliche Entscheidung verdeutlicht so ganz klar die unterschiedliche rechtliche Behandlung von digitalen und analogen Personalakten. Besonders interessant ist die Bewertung des datenschutzrechtlichen Aspekts durch das Gericht. Bei Personalakten in Papierform greift die Datenschutzgrundverordnung nicht. Der Grund: Diese Verordnung bezieht sich ausschließlich auf strukturierte Dateisysteme. Konventionell geführte Akten, die nicht nach speziellen Kriterien geordnet sind, fallen nicht in ihren Anwendungsbereich.

Das Gericht betont dabei einen wichtigen Grundsatz: Bei der Führung von Personalakten steht die Vollständigkeit im Vordergrund – nicht die Datensparsamkeit. Diese Entscheidung stärkt die Position der Arbeitgeber bei der Aufbewahrung von Personalunterlagen und schafft Rechtssicherheit für den Umgang mit Abmahnungen nach Beendigung von Arbeitsverhältnissen.

Diese gerichtliche Entscheidung verdeutlicht so ganz klar die unterschiedliche rechtliche Behandlung von digitalen und analogen Personalakten. Während bei digitalen Systemen die strengen Regeln der Datenschutzgrundverordnung greifen, gelten für Papierakten die klassischen arbeitsrechtlichen Grundsätze.

Landesarbeitsgericht Sachsen, Urteil vom 31.03.2023; Az– 4 Sa 117/21 –

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Gesundheitsdaten bei Medizinischen Diensten: Prüfung eigener Mitarbeiter zulässig

Eine durchaus wegweisend zu nennende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom Juni 2024 hat die rechtliche Situation zur Verarbeitung von Gesundheitsdaten durch Medizinische Dienste erheblich konkretisiert. Der Fall eines IT-Mitarbeiters beim Medizinischen Dienst Nordrhein brachte grundlegende Fragen zur Handhabung sensibler Gesundheitsinformationen zur Klärung.

Nach der aktuellen Rechtsprechung dürfen Medizinische Dienste die Arbeitsunfähigkeit ihrer eigenen Mitarbeiter prüfen und entsprechende Gutachten erstellen. Die Besonderheit liegt darin, dass der beauftragte Medizinische Dienst dabei die Gesundheitsdaten des eigenen Personals verarbeiten darf. Diese Befugnis besteht auch dann, wenn einzelne Mitarbeiter des Dienstes im Rahmen ihrer Tätigkeit Zugang zu den entsprechenden Daten erhalten.

Der konkrete Fall verdeutlicht die praktische Umsetzung: Ein langzeiterkrankter Systemadministrator des Medizinischen Dienstes wurde durch eine Gutachterin des eigenen Arbeitgebers begutachtet. Die rechtliche Bewertung ergab, dass die getroffenen Schutzmaßnahmen ausreichend waren. Diese umfassten die Einrichtung spezieller Organisationseinheiten, ein IT-gestütztes Berechtigungskonzept sowie die Beschränkung der Zugriffsrechte auf einen eng begrenzten Personenkreis. Medizinische Dienste dürfen Gesundheitsdaten eigener Mitarbeiter prüfen.

Bemerkenswert ist die Feststellung, dass ein Arbeitgeber in der Position eines Medizinischen Dienstes nicht garantieren muss, dass keinerlei andere Beschäftigte Zugang zu den Gesundheitsdaten haben. Entscheidend ist vielmehr die Implementierung angemessener Schutzmaßnahmen. Dazu gehören die Einrichtung gesonderter Organisationseinheiten, die Verwendung personalisierter Softwarezertifikate und die strikte Begrenzung der Zugriffsrechte nach dem Erforderlichkeitsprinzip.

Die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung stützt sich auf die berufliche Schweigepflicht und das Sozialgeheimnis, dem alle beteiligten Mitarbeiter unterliegen. Diese Verpflichtungen gelten auch im internen Verhältnis zwischen den Mitarbeitern des Medizinischen Dienstes. Die getroffenen organisatorischen und technischen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheitsdaten erfüllen dabei die rechtlichen Anforderungen an Integrität und Vertraulichkeit.

Ein spezieller Aspekt des Falls betrifft die Kommunikation zwischen den beteiligten Ärzten. Die Gutachterin holte telefonisch Auskünfte beim behandelnden Arzt des Mitarbeiters ein. Diese Vorgehensweise wurde vom Gericht als rechtmäßig eingestuft und gehört zum erforderlichen Umfang der Datenverarbeitung bei der Gutachtenerstellung. Selbst der Umstand, dass die IT-Abteilung des Medizinischen Dienstes standortübergreifend Zugriffsmöglichkeiten hatte, wurde nicht als problematisch eingestuft, solange die Zugriffe ausschließlich zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erfolgten.

Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit für die organisatorische Gestaltung der Begutachtungsprozesse in Medizinischen Diensten. Sie bestätigt die Zulässigkeit der internen Begutachtung bei ausreichenden Schutzmaßnahmen und verdeutlicht die Grenzen der erforderlichen Datenschutzvorkehrungen. Bemerkenswert ist auch die Feststellung des Gerichts, dass der einzige nachgewiesene Fall eines unberechtigten Zugriffs auf die Initiative des betroffenen Mitarbeiters selbst zurückging, was die Wirksamkeit der implementierten Schutzmaßnahmen zusätzlich unterstreicht.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2024; AZ– 8 ARZ 253/20 –

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Rechtliche Aspekte der Grabpflege im Erbrecht

Ein Urteil des Amtsgerichts München vom Oktober 2023 beleuchtet die komplexen rechtlichen Aspekte der Grabpflege im Kontext des Erbrechts. Der Fall drehte sich um eine testamentarische Verfügung, bei der eine Erblasserin ihrer Nichte ein Vermächtnis von 8.000 Euro „für die Grabpflege“ hinterließ. Nach dem Tod der Nichte entstand ein Rechtsstreit darüber, ob diese Verpflichtung auf die Erben der Nichte übergegangen war.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass es sich bei der Anordnung zur Grabpflege um eine höchstpersönliche Auflage handelte, die nicht auf die Erben der Nichte überging. Diese Entscheidung basierte auf der Auslegung des mutmaßlichen Willens der Erblasserin. Das Gericht argumentierte, dass die Erblasserin die Grabpflege speziell ihrer Nichte als Familienangehörige übertragen hatte, die einen besonderen Bezug zur Grabstelle hatte. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Erblasserin auch die ihr unbekannten Erben ihrer Nichte zur Pflege der Familiengrabstätte verpflichten wollte.

Dieses Urteil verdeutlicht die Bedeutung der genauen Formulierung von testamentarischen Verfügungen. Es zeigt, dass die Übertragung von Verpflichtungen wie der Grabpflege nicht automatisch auf nachfolgende Erben übergeht, insbesondere wenn es sich um eine höchstpersönliche Auflage handelt. Das Thema Grabpflege im Erbrecht zeigt einmal mehr, wie wichtig eine klare und durchdachte Regelung des letzten Willens ist.

Für Erblasser ergibt sich daraus die Notwendigkeit, bei der Gestaltung ihres letzten Willens sorgfältig zu überlegen, wie langfristig und durch wen eine solche sichergestellt werden soll. Es kann ratsam sein, explizit festzulegen, ob die Verpflichtung nur für eine bestimmte Person gelten oder auch auf deren Erben übergehen soll.

Das Urteil unterstreicht die Komplexität erbrechtlicher Fragen im Zusammenhang mit der Pflege von Gräbern. Es verdeutlicht, dass neben den emotionalen Aspekten auch rechtliche Überlegungen eine wichtige Rolle spielen. Für Bestattungsunternehmen kann es erkennbar von Vorteil sein, über solche rechtlichen Nuancen informiert zu sein, um Kunden bei der Planung der langfristigen Grabpflege kompetent beraten zu können.

Die Thematik der Grabpflege im Erbrecht zeigt einmal mehr, wie wichtig eine klare und durchdachte Regelung des letzten Willens ist. Sie verdeutlicht auch, dass die Pflege einer Grabstätte weit mehr als nur eine praktische Angelegenheit ist – sie berührt Fragen der familiären Verantwortung, des Andenkens und der rechtlichen Verpflichtungen über Generationen hinweg.

Amtsgericht München, Urteil vom 27.10.2023; AZ – 158 C 16069/22 –

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Zuweisung eines Familienhund nach Trennung: Tierwohl im Vordergrund

Die Entscheidung des Amtsgerichts Marburg vom November 2023 wirft ein Schlaglicht auf einen oft übersehenen Aspekt von Trennungen – das Schicksal gemeinsamer Haustiere. Das Gericht stellte klar, dass bei solchen Entscheidungen wie bei der Zuweisung eines Familienhund nicht etwa das Verhalten der Ehepartner, sondern das Wohlergehen des Tieres den Ausschlag gibt. Faktoren wie die Hauptbezugsperson des Hundes, die Fähigkeit zur Pflege und die Bereitstellung einer artgerechten Umgebung waren ausschlaggebend für die richterliche Entscheidung.

Im August 2023 trennte sich ein Ehepaar in Hessen. Die Ehefrau nahm den gemeinsamen Hund mit, ohne den Ehemann darüber zu informieren oder ihm den neuen Aufenthaltsort mitzuteilen. Der Ehemann leitete daraufhin ein Gerichtsverfahren ein, um die Zuweisung des Hundes zu klären. Das Amtsgericht Marburg entschied in diesem Fall zugunsten des Ehemannes. Der Hund wurde ihm für die Zeit der Trennung bis zur rechtskräftigen Scheidung zugewiesen. Bei dieser Entscheidung stand das Wohl des Tieres ganz klar im Fokus.

Gerichtsentscheidung zur Zuweisung eines Familienhund nach Trennung.Obwohl Familienhund sicher nicht als Sache behandelt werden sollte, wendete das Gericht die Regelungen zur Aufteilung des Hausrats auf diesen Fall an. Entscheidend für die Zuweisung war die Frage, wer die Hauptbezugsperson des Hundes ist und wer am besten für ein artgerechtes Umfeld sorgen kann. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Ehemann diese Kriterien am besten erfüllt. Er konnte gewährleisten, dass der Hund in seinem gewohnten Umfeld bleiben kann. Besonders wichtig war dabei die Möglichkeit für den Hund, sich frei im Garten zu bewegen. Dies wurde als erheblicher Zugewinn an Lebensqualität für das Tier gewertet.

Zwar musste berücksichtigt werden, dass der Ehemann gelegentlich auf kurze Dienstreisen geht, bei denen er den Hund nicht mitnehmen kann. Das Gericht stufte dies jedoch nicht als so schwerwiegende Beeinträchtigung ein, dass es eine Zuweisung an die Ehefrau gerechtfertigt hätte.

Ein besonderer Aspekt der Entscheidung ist, dass das Gericht betonte, die Zuweisung stelle keine Sanktionierung oder Bestrafung eines möglichen Fehlverhaltens dar. Es ging ausschließlich um das Wohl des Familienhund. Es ist entscheidend bei Trennungen auch das Wohl gemeinsamer Haustiere zu bedenken und möglichst einvernehmliche Lösungen zu finden.

Amtsgericht Marburg, Urteil vom 3.11.2023; AZ – 74 F 809/23 WH –

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