Grenzen für Vorauszahlungsanpassung müssen von Vermietern beachtet werden

Beim Mietrecht sind die Regelungen zu den Betriebskostenvorauszahlungen von zentraler Bedeutung und führen immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Betriebskostenvorauszahlungen – umgangssprachlich oft auch als Nebenkosten bezeichnet – ermöglichen es dem Vermieter, von den Mietern Vorauszahlungen für die zu erwartenden Nebenkosten zu verlangen. Doch wie oft im Laufe eines Abrechnungsjahres dürfen diese angepasst werden? Eine Entscheidung des Amtsgerichts Köln vom Dezember 2023 wirft Licht auf die Frage, was bei einer Vorauszahlungsanpassung erlaubt ist.

Die zentrale Fragestellung in dem verhandelten Fall bezog sich auf die Möglichkeit der mehrfachen Anpassung von Betriebskostenvorauszahlungen durch den Vermieter. Laut gesetzlicher Regelung ist eine solche Anpassung grundsätzlich einmal pro Abrechnungsperiode zulässig. Der Hintergrund dieser Regelung ist, dass sowohl Vermieter als auch Mieter ein Interesse an einer möglichst genauen Abrechnung der tatsächlich entstandenen Betriebskosten haben. Eine Anpassung der Vorauszahlungen kann im Allgemeinen erforderlich werden, wenn sich abzeichnet, dass die tatsächlichen Kosten höher oder niedriger ausfallen als zunächst angenommen.

Spielregeln für Betriebskostenvorauszahlungen und eine Vorauszahlungsanpassung. Der spezifische Fall vor dem Amtsgericht Köln drehte sich um eine Vermieterin, die nach einer ersten Anpassung der Vorauszahlungen für Heiz- und Betriebskosten eine weitere Erhöhung vornahm. Sie begründete diesen Schritt mit signifikant gestiegenen Energiepreisen, die sie auf den Ukrainekrieg zurückführte. Die Mieterin hingegen sah in der erneuten Erhöhung hingegen einen unrechtmäßigen Vorgang und zog vor Gericht.

Das Gericht urteilte, dass eine zweite Anpassung der Vorauszahlungen innerhalb derselben Abrechnungsperiode tatsächlich  auch in einem solchen „Ausnahmefall“ nicht zulässig ist. In seiner Begründung verwies es darauf, dass die erste Anpassung zu einem Zeitpunkt vorgenommen wurde, zu dem die gestiegenen Energiepreise bereits bekannt waren. So konnte denn auch die Vermieterin nicht schlüssig nachweisen, dass sich die Umstände in einer Weise verändert hatten, die eine erneute Anpassung rechtfertigen würde.

Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen und vorausschauenden Handhabung von Betriebskostenvorauszahlungen. Vorauszahlungsanpassungen unterliegen strengen Regelungen. Für Vermieter bedeutet es, dass sie die Entwicklung der Betriebskosten wirklich ganz genau im Auge behalten sollten und Anpassungen der Vorauszahlungen wohlüberlegt und im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben vornehmen müssen. Für Mieter wiederum bekräftigt es die Gewissheit, dass sie vor unerwarteten und mehrfachen Erhöhungen der Vorauszahlungen innerhalb eines Abrechnungszeitraums geschützt sind.

Amtsgericht Köln, Urteil vom 11.12.2023; AZ – 203 C 73/23 –

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BGH-Urteil zur Untervermietung bei beruflich genutzten Zweitwohnungen

In einer dynamischen (Arbeit-)Welt, in der berufliche und private Lebensumstände sich schnell ändern können, stellt die Flexibilität in der Wohnsituation eine wesentliche Komponente dar. Insbesondere für Berufstätige, die aus praktischen Gründen eine Zweitwohnung in der Nähe ihres Arbeitsplatzes unterhalten, kann die Möglichkeit, einen Teil dieser Wohnung unterzuvermieten, von großer Bedeutung sein. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn sich die familiären oder beruflichen Umstände so verändern, dass solche Zweitwohnungen zwar weiterhin benötigt werden, aber nicht mehr in dem Umfang wie zuvor.

Flexibilität bei beruflich genutzten Zweitwohnungen. BGH urteilt dazu.Ein vom Bundesgerichtshof im September 2023 gefälltes Urteil unterstreicht die Bedeutung dieser Flexibilität. Es besagt, dass ein Mieter, der eine Wohnung aus beruflichen Gründen als Nebenwohnung nutzt, unter bestimmten Umständen das Recht hat, Teile dieser Wohnung unterzuvermieten, auch wenn die Wohnung nicht mehr als Hauptwohnsitz dient.

Die Argumentation der Richter am BGH basiert auf dem Verständnis, dass die Erhaltung einer Wohnung, an der ein Mieter festhalten möchte, nicht zwangsläufig bedeutet, dass diese auch als Hauptwohnsitz dient. Vielmehr wird anerkannt, dass berufliche Verpflichtungen eine doppelte Haushaltsführung erforderlich machen können – und dass die Möglichkeit, einen Teil der Wohnung unterzuvermieten, dazu beitragen kann, diese aufrechtzuerhalten. Ganz im Einklang mit dem modernen Verständnis von Mobilität und Flexibilität im Berufsleben.

Wichtig ist dabei, dass der Mieter nicht den gesamten Wohnraum aufgeben muss, um einen Teil davon untervermieten zu können. Es genügt, wenn der Mieter beispielsweise ein Zimmer der Wohnung für sich behält. Das Gericht stellt klar, dass die Untervermietung bei Zweitwohnungen ein anerkanntes Recht des Mieters darstellt, welches nicht durch eine zu enge Auslegung des Gesetzes eingeschränkt werden sollte.

Zudem wurde betont, dass die Interessen des Vermieters durch andere Bestimmungen geschützt sind, etwa durch die Möglichkeit, die Untervermietung abzulehnen, wenn berechtigte Gründe vorliegen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bietet somit eine wichtige Orientierung für Mieter und Vermieter gleichermaßen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.9.2023; AZ – VIII ZR 88/22 

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Verständnis von grober Fahrlässigkeit bei Online-Banking-Betrug und Phishing

Im digitalen Zeitalter, in dem Online-Transaktionen zur Norm geworden sind, erhöht sich auch das Risiko von Betrugsfällen, insbesondere durch Phishing-Angriffe. Ein Fall, der im Dezember 2023 vor dem Landgericht Lübeck verhandelt wurde, wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung von Wachsamkeit bei der Nutzung von Online-Banking-Diensten. Ein Mann wurde Opfer eines Phishing-Betrugs, nachdem er auf eine gefälschte Bankwebsite gelockt und dazu verleitet wurde, persönliche Daten sowie Transaktionsfreigaben preiszugeben. Die Folge war ein erheblicher finanzieller Verlust.

Phishing ist ein auf elektronischen Weg durchgeführter Betrugsversuch, bei dem der Empfänger eine gefälschte E-Mail zugesendet bekommt, die er häufig jedoch nicht als solche im ersten Moment erkennt. Diese Angriffsmethode, in Form einer professionell wirkenden E-Mail, ist häufig so konzipiert, dass der Empfänger dazu gebracht wird, sensible Daten preis zu geben. Gemeint sind hier vor allem personenbezogene Daten.

Ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Aufmerksamkeit müssen Kunden bei Phishing und Online-Banking beweisen. Die Angreifer bedienen sich oft namhaft klingender Unternehmen oder Institutionen, die beispielsweise im Finanz- oder Handelsbereich ansässig sind. Der Begriff Phishing stammt aus dem englischsprachigen Raum und bezeichnet im Prinzip einen Angelausflug. Hierbei dient eine eigens für den Angriff konzipierte E-Mail dem Cyberkriminellen als Köder, wobei er diesen gleich mehrfach an seine möglichen Opfer, wie z.B. an Mitarbeiter eines Unternehmens, weiterleitet.

Im konkreten Fall passierte Folgendes: Trotz der sofortigen Erkenntnis des Betrugs und der Forderung nach Erstattung des verlorenen Geldes von seiner Bank, wurde die Forderung abgelehnt. Das Lübecker Gericht stützte seine Entscheidung auf die Feststellung, dass der Mann grob fahrlässig gehandelt habe. Er hätte die Anzeichen eines Betrugs erkennen und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen treffen müssen. Insbesondere hätte der spätabendliche Anruf von einer angeblichen Bankmitarbeiterin, die Aufforderung zur Eingabe persönlicher Daten auf einer verdächtig erscheinenden Website und die Bitte um Freigabe einer Transaktion ohne vorherige Überprüfung, Warnsignale sein müssen.

Dieser Fall unterstreicht die Notwendigkeit, bei Online-Transaktionen äußerste Sorgfalt walten zu lassen. Es reicht nicht aus auf die Sicherheitsmaßnahmen der Banken zu vertrauen. Kunden müssen selbst proaktiv sein, um Betrugsversuche zu erkennen. Dazu gehört die kritische Überprüfung von Webseiten, auf denen sie sich anmelden, die Verifikation von Anrufern die sich als Bankmitarbeiter ausgeben und die genaue Überprüfung von Transaktionsdetails, bevor diese bestätigt werden.

Die Lehre aus diesem Fall ist klar: Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, potenzielle Bedrohungen zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Der Schutz vor finanziellen Verlusten durch Betrug beginnt mit der Erkenntnis, dass man selbst die erste Verteidigungslinie ist.

Landgericht Lübeck, Urteil vom 19.12.2023; AZ – 3 O 83/23 –

Foto: Fran Rodríguez

Vorrang und Spurwahl: Regelung für Abbiegevorgängen bei mehrspurigen Straßen

In der Praxis des Straßenverkehrs kommt es häufig zu Situationen, in denen Verkehrsteilnehmende vor der Herausforderung stehen, die Regeln des Vorrangs – insbesondere beim Abbiegen – richtig zu interpretieren. Ein Fall, der vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken verhandelt wurde, beleuchtet die Komplexität der Vorrangregelungen von Abbiegevorgängen bei mehrspurigen Straßen. Das Urteil vom Oktober 2023 wirft Licht auf die Bedeutung der genauen Kenntnis und Einhaltung der Straßenverkehrsordnung (StVO) für alle Verkehrsteilnehmer.

Im April 2021 ereignete sich in Saarbrücken ein Verkehrsunfall an einer Kreuzung, bei dem zwei Fahrzeuge beteiligt waren. Ein Autofahrer beabsichtigte nach rechts abzubiegen und wählte für seine Weiterfahrt die linke von mehreren Fahrspuren. Gleichzeitig unternahm ein entgegenkommender Verkehrsteilnehmer einen Linksabbiegevorgang in die gleiche Fahrspur – in der irrigen Annahme, der rechts Abbiegende würde sich für die rechte Fahrspur entscheiden. Diese Fehleinschätzung in schwieriger Situation führte zu einem Zusammenstoß, der dann später rechtlich zu beurteilen war.

Vorrangregelungen von Abbiegevorgängen bei mehrspurigen Straßen. Das Landgericht Saarbrücken wies die Schadensersatzforderung des Linksabbiegers ab, eine Entscheidung, die durch die Berufung beim Oberlandesgericht Saarbrücken bestätigt wurde. Die Richter stellten klar, dass der Linksabbieger eine bestehende Wartepflicht verletzt hatte. Die entscheidende Erkenntnis aus dem Urteil ist, dass beim Abbiegen in Straßen mit mehreren Fahrspuren kein Verlass darauf besteht, dass ein entgegenkommender Abbieger die für ihn vermeintlich „richtige“ Spur wählt. Tatsächlich umfasse der Vorrang des Rechtsabbiegers auch die Freiheit, zwischen mehreren Fahrspuren zu wählen, ohne dass dies als Fahrstreifenwechsel im Sinne eines Verstoßes gegen die StVO angesehen wird, so das Saarbrücker Gericht.

Einschränkend wurde dem Rechtsabbieger ein Sorgfaltsverstoß angelastet, da er den Zusammenstoß hätte vorhersehen und hätte auf typischen mehrspurigen Straßen seine Fahrweise anpassen müssen. Trotzdem fiel die Haftungsverteilung überwiegend zu Ungunsten des Linksabbiegers aus, was die Bedeutung der Vorrangregelungen und die Notwendigkeit einer umsichtigen Fahrweise unterstreicht.

Der Fall verdeutlicht erneut, dass im Straßenverkehr eine hohe Aufmerksamkeit und Kenntnis der geltenden Vorschriften essentiell sind. Es zeigt sich, dass die Annahmen über das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmender jederzeit kritisch zu hinterfragen sind und stets eine defensive Fahrweise angewendet werden sollte, um Unfälle zu vermeiden.

Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 20.10.2023; AZ – 3 U 49/23 –

Foto: ginton

Fahrerlaubnisentzug bei Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter

Das Oberlandesgericht Braunschweig hat in einem Urteil vom November 2023 die rechtlichen Konsequenzen für Trunkenheitsfahrten mit E-Scootern unzweideutig festgelegt. Im Kern der Entscheidung steht die Feststellung, dass eine Fahrt unter Alkoholeinfluss mit einem E-Scooter ganz selbstverständlich eine Fahrerlaubnisentzug nach sich ziehen kann. Hier gibt es keinen besonderen Schutz.

Dieser Grundsatz wurde in einem Fall aus Göttingen angewandt, in dem der Fahrer eines E-Scooters mit einem Blutalkoholwert von 1,83 Promille von der Polizei kontrolliert wurde. Trotz der vom Amtsgericht verhängten Geldstrafe und des Fahrverbots ohne Entzug der Fahrerlaubnis, wies das Oberlandesgericht darauf hin, dass der Gesetzgeber E-Scooter als Kraftfahrzeuge einstuft, für deren Führung im Zustand der Fahruntüchtigkeit strenge Sanktionen vorgesehen sind.

Führung im Zustand der Fahruntüchtigkeit: strenge Sanktionen Die Entscheidung des Amtsgerichts, von einer Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen, wurde vom Oberlandesgericht nicht geteilt. Vielmehr betonte das Gericht, dass die Fahrt mit einem E-Scooter im betrunkenen Zustand grundsätzlich als Indiz für die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen wird. Diese Sichtweise berücksichtigt das Gefährdungspotential, das von E-Scootern ausgeht, und stellt sie Fahrrädern gleich. Dabei wurde auch auf die bestehende Rechtsprechung verwiesen, die für Fahrradfahrer einen Grenzwert von 1,6 Promille ansetzt, während die Frage, ob der Grenzwert für Kraftfahrzeugführer von 1,1 Promille auch für E-Scooter gilt, offenblieb. Ein Fahrerlaubnisentzug wegen Trunkenheit ist daher nicht ungewöhnlich.

Diese durchaus richtungsweisende Entscheidung unterstreicht die Ernsthaftigkeit, mit der die Justiz Fälle von Trunkenheit im Verkehr behandelt, unabhängig vom verwendeten Verkehrsmittel. Sie macht deutlich, dass der Schutz der Verkehrssicherheit und die Verantwortung der Verkehrsteilnehmer oberste Priorität haben. Fahrer von E-Scootern müssen sich daher der Tatsache bewusst sein, dass Alkoholkonsum vor der Nutzung schwerwiegende rechtliche Folgen haben kann, einschließlich des Verlusts der Fahrerlaubnis. Die Entscheidung signalisiert auch ganz klar eine strenge Haltung der Justiz gegenüber Trunkenheitsfahrten und hebt die Verantwortung jedes Verkehrsteilnehmers hervor.

Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 30.11.2023; AZ – 1 ORs 33/23 –

Foto: Oleksandr Kozak

Rechtsschutz im Sozialrecht: Untätigkeitsklage als Mittel zur Beschleunigung

In der Praxis des Sozialrechts stellt die Untätigkeitsklage ein wesentliches Instrument dar, um auf ausbleibende Entscheidungen der Sozialleistungsträger zu reagieren. Diese besondere Klageform ist anwendbar auf ein breites Spektrum an Streitigkeiten, die in die Zuständigkeit der Sozialgerichte fallen. Hierzu zählen Konflikte mit gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege-, Arbeitslosenversicherungen, Berufsgenossenschaften, Versorgungsämtern, Jobcentern sowie Grundsicherungsämtern.

Die gesetzlich festgelegten Fristen zur Bearbeitung von Anträgen und Widersprüchen dienen in allen Fällen dazu, den Betroffenen eine zügige Bearbeitung ihrer Anliegen zu garantieren. Die Bearbeitungsfristen sind mit sechs Monaten für Anträge und drei Monaten für Widersprüche klar definiert, um so sicherzustellen, dass Anträge und Widersprüche auch wirklich zeitnah bearbeitet werden. Das ist besonders im Sozialrecht von Bedeutung, wo Verzögerungen die Lebenssituation der Antragstellenden erheblich beeinträchtigen können. So kann etwa die späte Anerkennung eines Schwerbehindertengrades dazu führen, dass Betroffene wichtige Vergünstigungen nicht nutzen können.

Eine Sachstandsanfrage bei dem Sozialleistungsträger ist nicht notwendig, bevor eine Untätigkeitsklage eingereicht wird. In bestimmten Fällen können Bearbeitungszeiten verlängert werden, etwa wenn die Behörde umfangreiche Ermittlungen durchführen muss. Allerdings sind Gründe wie Personalengpässe oder organisatorische Schwierigkeiten keine akzeptablen Rechtfertigungen für eine Überschreitung der Bearbeitungsfristen. Die Verwaltung ist angehalten, ihre Prozesse so zu gestalten, dass Entscheidungen innerhalb der gesetzlichen Fristen getroffen werden können. Verschiedene Gerichtsentscheidungen untermauern die Notwendigkeit eines effektiven Rechtsschutzes und stellen klar, dass Verzögerungen durch die Behörden nicht akzeptabel sind.

Eine Sachstandsanfrage bei dem Sozialleistungsträger ist nicht notwendig, bevor eine Untätigkeitsklage eingereicht wird. Das Hessische Landessozialgericht hat mit Beschluss vom Juni 2022 ebenfalls bestätigt, dass es vor der Erhebung der Klage wegen Untätigkeit keine Erkundungspflicht gibt. Die gesetzlichen Fristen sind eindeutig, und die Behörden tragen die Verantwortung, innerhalb dieser Zeiträume zu entscheiden. Sollten dennoch Verzögerungen auftreten, ermöglicht die Untätigkeitsklage den Betroffenen, eine Entscheidung zu erzwingen. In diesem Zusammenhang werden auch die Kosten für einen Rechtsanwalt vom Sozialleistungsträger übernommen, sofern die Klage berechtigt ist.

Die Untätigkeitsklage bietet somit einen wichtigen rechtlichen Hebel, um die Rechte der Betroffenen durchzusetzen und auf ausbleibende Entscheidungen effektiv zu reagieren. Sie unterstreicht die Bedeutung des Zugangs zu schnellem und effektivem Rechtsschutz im Sozialrecht und bietet Betroffenen eine Möglichkeit, ihre Ansprüche geltend zu machen und notwendige Leistungen zeitnah zu erhalten.

Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 9.6.20022; AZ – L 4 SO 17/22 B –

Foto: Day Of Victory Stu.

Tierhaltung in Mietwohnungen: Konkrete Entscheidungsgründe für Verbot nötig

In einem Urteil des Landgerichts Berlin vom Dezember 2022 wurde ein Fall behandelt, der für viele Mieter und Vermieter von Interesse sein dürfte: Es ging um die Frage, ob Mieter für die Haltung eines Hundes in ihrer Wohnung die Zustimmung des Vermieters benötigen. In diesem speziellen Fall hatten die Mieter, trotz der Verweigerung durch ihre Vermieterin, einen Hund in ihrer Wohnung gehalten und daraufhin rechtliche Schritte eingeleitet, um feststellen zu lassen, dass sie für die Tierhaltung keine Zustimmung benötigen.

Das Richter kamen zu dem Schluss, dass die Klausel im Mietvertrag, die eine Zustimmung des Vermieters zur Tierhaltung vorsah, die Mieter unangemessen benachteiligte und daher unwirksam war. Die Entscheidung beruhte auf der Erkenntnis, dass eine solche Klausel den Mietern kein nachvollziehbares Kriterium für die Zustimmung zur Tierhaltung bietet und somit in das freie Ermessen des Vermieters gestellt wird. Dies steht im Widerspruch zu den Grundsätzen von Treu und Glauben, die eine faire und nachprüfbare Entscheidungsfindung erfordern. Die Entscheidung über die Tierhaltungmuss auf einer umfassenden Abwägung der Interessen aller Beteiligten beruhen.

Das Gericht betonte weiterhin, dass die Entscheidung über die Tierhaltung auf einer umfassenden Abwägung der Interessen aller Beteiligten beruhen muss. Hierbei sind sowohl die Bedürfnisse und die Lebensumstände der Mieter als auch potenzielle Störungen und Beeinträchtigungen für die Nachbarn und den Vermieter zu berücksichtigen. In dem verhandelten Fall wurden die individuellen Umstände der Mieter, wie die Möglichkeit zur Betreuung des Hundes und ihre Erfahrungen mit der Tierhaltung, als ausreichend angesehen, um die Haltung des Hundes zu rechtfertigen.

Diese Entscheidung verdeutlicht, dass Pauschalverbote zur Tierhaltung in Mietverträgen nicht haltbar sind und dass jeder Fall individuell betrachtet werden muss. Mieter und Vermieter sind gleichermaßen angehalten, im Dialog eine einvernehmliche Lösung zu finden, die den Interessen beider Seiten gerecht wird. Dabei ist es wichtig, dass Vermieter bei der Formulierung von Vertragsklauseln zur Tierhaltung klare und nachprüfbare Kriterien anlegen, die eine gerechte Entscheidungsfindung ermöglichen.

Für Mieter und Vermieter ergibt damit die Notwendigkeit, sich eingehend mit den Bedingungen und der praktischen Umsetzung von Tierhaltung in Mietwohnungen auseinanderzusetzen. Sie sollten sich über ihre Rechte und Pflichten im Klaren sein, um Konflikte zu vermeiden und eine für beide Seiten angemessene Lösung zu finden.

Urteil des Landgericht Berlin vom 7.12.2022; AZ – 64 S 151/22 –

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Umfassendes Radfahrverbot bei Alkoholmissbrauch möglich: Rechtsgrundlagen und Konsequenzen

In Deutschland regelt bekanntlich die Straßenverkehrsordnung (StVO) das Verhalten aller Verkehrsteilnehmer, einschließlich der Radfahrer. Obwohl für das Fahrradfahren keine spezifische Fahrerlaubnis erforderlich ist, können Radfahrer unter bestimmten Umständen mit einem Fahrverbot belegt werden. Ein Radfahrverbot tritt vor allem dann in Kraft, wenn durch das Verhalten des Radfahrers die Verkehrssicherheit gefährdet wird.

Ein solches Verbot wird meist bei gravierenden Verstößen gegen die StVO ausgesprochen. Zu diesen Verstößen gehören unter anderem Trunkenheitsfahrten, das Missachten von Ampelsignalen oder das Befahren der falschen Fahrbahnseite. Ebenso kann die Benutzung eines technisch nicht verkehrssicheren Fahrrads ein Fahrverbot nach sich ziehen.

Die Folgen eines Fahrverbots sind erheblich. Es bedeutet, dass die betroffene Person temporär nicht am Straßenverkehr teilnehmen darf. Wer ein Radfahrverbot ignoriert, riskiert Bußgelder bis zu 1.000 Euro und weitere rechtliche Konsequenzen.

Radfahrverbot bei Alkoholmissbrauch möglich: RechtsgrundlagenEin Urteil aus Niedersachsen vom August 2023 illustriert die Ernsthaftigkeit solcher Bestimmungen. Ein Radfahrer wurde mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,95 Promille aufgegriffen. Ein daraufhin erstelltes medizinisch-psychologisches Gutachten bestätigte eine hohe Wahrscheinlichkeit der Wiederholung ähnlicher Vorfälle. Daraufhin verhängten die Behörden ein sofortiges Fahrverbot. Die rechtliche Grundlage für dieses Verbot findet sich in § 3 FeV (Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr).

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigte die Rechtmäßigkeit des Verbots und betrachtete es als angemessene Maßnahme. Die Richter stellten fest, dass Radfahrer mit einer Blutalkoholkonzentration über 1,6 Promille als nicht fahrtüchtig gelten. Das Gericht unterstrich, dass das Verbot eine geringe Eingriffsintensität aufweist, da die betroffene Person generell weniger auf das Fahrrad als auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist.

Das Urteil zeigt ganz deutlich, dass auch Radfahrer bei nicht konformer Verkehrsteilnahme mit ernsthaften rechtlichen Folgen rechnen müssen. Es verdeutlicht zudem, dass die Verantwortung für die Verkehrssicherheit nicht nur bei Autofahrern, sondern auch bei Fahrradfahrern liegt. Um Punkte in Flensburg oder mit dem Fahrrad ein Fahrverbot zu erhalten, muss kein Führerschein vorliegen. Selbst Radfahrer ohne eine Fahrerlaubnis können ein Fahrverbot erhalten.

Das Radfahrverbot ist eine wichtige Maßnahme zur Sicherstellung der Verkehrssicherheit, das allzu oft eher leichtfertig als „sicher“ bei Alkoholgenuss interpretiert wird. Das Urteil betont jedoch erkennbar, dass das Verkehrsrecht eben alle Verkehrsteilnehmer umfasst und auch vermeintlich „schwache“ durchaus nicht von Strafen, Bußgeldern und Fahrverboten ausgenommen sind.

Urteil des Oberverwaltungsgericht Lüneburg vom 23.8.2023; AZ– 12 ME 93/23 –

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Die Komplexität unklarer Testamentsformulierungen

Ein Urteil des Oberlandesgerichts München vom September 2023 wirft ein Licht auf die Risiken, die entstehen, wenn in Testamenten Begriffe unpräzise verwendet werden. Im Zentrum stand ein Testament aus dem Jahr 2011, in dem eine Frau ordnungsgemäß handschriftlich verfügte, dass die Person, die sie bis zu ihrem Lebensende pflegt und betreut, als Erbin bestimmt wird. Scheinbar klare Testamentsformulierungen. Hierbei wurde auch sogar eine Person konkret benannt, die zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung diese Aufgabe erfüllte. Nach dem Ableben der Erblasserin im Jahr 2021 entstanden jedoch Unsicherheiten darüber, ob die im Testament genannte Person denn nun tatsächlich als Erbin gelten kann.

Das Amtsgericht München bestätigte anfänglich die Erbeinsetzung der benannten Person. Das Oberlandesgericht München sah sich allerdings mit der Frage konfrontiert, ob die bloße Nennung einer Person in einem Testament wirklich eine klare und rechtsgültige Erbeinsetzung darstellt.

Nach dem Ableben der Erblasserin im Jahr 2021 entstanden jedoch Unsicherheiten darüber, ob die im Testament genannte Person denn nun tatsächlich als Erbin gelten kann. In seiner Urteilsfindung kamen die Richter zu dem Schluss, dass dies nicht der Fall ist. Die Münchner Richter erklärten, dass die Erwähnung der Person im Testament lediglich als Beispiel diente und keine konkreten und in jedem Fall zutreffenden Kriterien für die Erfüllung der Erbschaft festlegte.

Der entscheidende Punkt in diesem Fall war die Unbestimmtheit der Anforderungen, die die Erblasserin an die Pflege und Betreuung knüpfte. Es blieb in den Testamentsformulierungen offen, ob die Pflege ab dem Zeitpunkt der Testamentserrichtung erforderlich war, ob sie durchgehend stattfinden musste, – und ob eventuell auch mehrere Pflegepersonen als (Mit-)Erben infrage kämen. Zudem war nicht eindeutig, was genau die Erblasserin unter „pflegen und betreuen“ verstand. Auch hier sei eine klare und unmissverständliche Formulierung nötig die alle Unsicherheiten ausschließt.

Dieser Fall hebt erneut die Notwendigkeit hervor, nicht nur in Testamenten klar und absolut eindeutig zu formulieren. Er zeigt, dass Ungenauigkeiten nicht nur zu rechtlichen Streitigkeiten führen, sondern auch die Intentionen des Erblassers verzerren oder gar unbeachtet lassen können.

Oberlandesgericht München, Beschluss vom 25.9.2023; AZ – 33 Wx 38/23 e –

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BGH: Verwahrkosten für von privat abgeschleppte Fahrzeuge sind zeitlich limitiert

In einem Urteil vom November 2023 hat der Bundesgerichtshof wichtige Grundsätze zur Ersatzfähigkeit der Kosten für die Verwahrung eines privat abgeschleppten Fahrzeugs geklärt. Im Kern ging es um die Frage, inwieweit die Verwahrkosten, die nach dem Abschleppen eines unbefugt auf Privatgrund abgestellten Fahrzeugs entstehen, vom Fahrzeughalter erstattet werden müssen.

Der Grundstücksbesitzer nimmt mit dem Abschleppen ein Selbsthilferecht wahr, das einfach handhabbar sein muss und nicht mit Haftungsrisiken behaftet sein darf. Deshalb ist er nicht gehalten, einen Parkplatz im öffentlichen Parkraum ausfindig zu machen, sondern er darf das Fahrzeug in sichere Verwahrung geben.

Im konkreten Fall hatte der Kläger sein Fahrzeug an seine Schwester verliehen, die es unbefugt auf einem privat verwalteten Grundstück parkte. Daraufhin ließ die Verwaltung das Fahrzeug abschleppen. Die Besonderheit: Nachdem der Kläger sein Fahrzeug zurückforderte, reagierte das Abschleppunternehmen nicht, und es entstanden weiterhin Verwahrkosten.

Verwahrkosten für von privat abgeschleppte Fahrzeuge geregelt durch BGH-UrteilDie juristische Auseinandersetzung konzentrierte sich denn auch darauf, ob und in welchem Umfang der Fahrzeughalter für die Verwahrkosten aufkommen muss. Das Landgericht entschied zunächst zu Gunsten des Abschleppunternehmens, während das Oberlandesgericht die Erstattungspflicht auf die Kosten der ersten fünf Tage der Verwahrung beschränkte.

Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Sichtweise und stellte klar, dass die Verwahrkosten Teil der Abschleppmaßnahme sind und somit grundsätzlich erstattungsfähig. Jedoch ist diese Erstattungspflicht zeitlich begrenzt und endet mit dem Herausgabeverlangen des Halters. Dies bedeutet, dass nach einem solchen Verlangen anfallende Verwahrkosten nicht mehr im Rahmen der Abschleppmaßnahme gesehen werden können. Vielmehr sind sie dann als Kosten anzusehen, die durch die Nicht-Herausgabe des Fahrzeugs entstehen.

Interessant ist hierbei die Betonung der Informationspflicht. Der Grundstückseigentümer muss den Halter des abgeschleppten Fahrzeugs unverzüglich über den Vorgang informieren. Eine Verletzung dieser Pflicht kann zu einer Minderung des Erstattungsanspruchs führen, insbesondere wenn dadurch die Herausgabe des Fahrzeugs verzögert wird.

Der Bundesgerichtshof verdeutlicht mit seinem Urteil, dass das Abschleppen von Fahrzeugen von Privatgrundstücken zwar ein legitimes Mittel zur Wahrung des Hausrechts ist, aber gleichzeitig klare Grenzen für die Erstattung von Kosten setzt. Diese Entscheidung bietet somit eine wichtige Orientierungshilfe für Fahrzeughalter, Grundstückseigentümer wie auch für Abschleppunternehmen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.11.2023; AZ – V ZR 192/22

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