Transitvisum: Informationspflicht für Online-Reiseportale

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main stärkt die Rechte von Reisenden gegenüber Online-Buchungsplattformen in einer bedeutsamen Entscheidung zum Thema „Transitvisum: Informationspflicht“. Die Richter entschieden, dass Reisevermittlungsportale künftig über die Notwendigkeit von Durchreisegenehmigungen informieren müssen, wenn Flüge Zwischenstopps in Drittländern vorsehen.

Der konkrete Fall verdeutlicht die praktischen Auswirkungen fehlender Informationen: Eine Familie buchte über ein Online-Portal einen Flug von Zürich nach Auckland mit einem Zwischenstopp in Los Angeles. Das Reiseportal versäumte es, die Buchenden über die erforderliche ESTA-Durchreisegenehmigung für die USA zu informieren. Am Abreisetag verweigerte die Fluggesellschaft der gesamten Familie den Zutritt zum Flugzeug, da die notwendige Autorisierung fehlte.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts etabliert klare Grundsätze für die Informationspflichten von Reisevermittlern. Wenn der gesamte Buchungsvorgang ausschließlich über die Internetseite des Portals abläuft, trägt der Vermittler die Verantwortung, alle wesentlichen Informationen bereitzustellen. Dazu gehören explizit Hinweise auf erforderliche Durchreisegenehmigungen bei Zwischenstopps in Drittländern.

Klare Grundsätze für die Informationspflichten von Online-Reisevermittlern Das Gericht betonte in seiner Urteilsbegründung, dass Durchschnittsreisende bei Flugbuchungen zwar an Visumserfordernisse für das Zielland denken, jedoch nicht automatisch an Transitgenehmigungen für reine Zwischenstopps. Diese Wissenslücke führt zu einem erheblichen Informationsgefälle zwischen Verbrauchern und professionellen Reisevermittlern.

Besonders gewichtig bewerteten die Richter die praktischen Konsequenzen fehlender Informationen. Die Durchführbarkeit einer Reise beeinflusst naturgemäß die Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Flugrouten. Reisende mit kurzfristigem Reiseantritt können möglicherweise nicht mehr rechtzeitig die erforderlichen Genehmigungen beantragen. Zusätzlich beeinflussen die Kosten für Transitvisa oft die Entscheidung für bestimmte Verbindungen.

Die rechtliche Bewertung stützt sich auf das Wettbewerbsrecht. Das Gericht klassifizierte das Verhalten des Reiseportals als wettbewerbswidrig, da es Reisedienstleistungen ohne wesentliche Informationen anbot. Transitgenehmigungen stellen keine nebensächlichen Details dar, sondern wesentliche Voraussetzungen für die Durchführung der gebuchten Reise.

Ein Verbraucherverband hatte die Klage gegen das Reiseportal eingereicht und damit stellvertretend für betroffene Reisende gehandelt. Das Landgericht hatte bereits in erster Instanz zugunsten der Verbraucherrechte entschieden. Die Berufung des Reiseportals scheiterte vor dem Oberlandesgericht.

Die Entscheidung schafft wichtige Präzedenzwirkung für die gesamte Reisebranche. Online-Buchungsplattformen müssen ihre Informationspolitik überprüfen und erweitern. Pauschale Hinweise auf mögliche Transitvisum-Erfordernisse werden künftig als Mindeststandard erwartet.

Für Reisende bedeutet das Urteil erhöhte Rechtssicherheit bei Online-Buchungen. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig, da das Reiseportal eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einreichen kann. Dennoch signalisiert die Entscheidung eine klare Richtung für verbraucherfreundliche Standards in der digitalen Reisevermittlung.

Urteil des Oberlandesgericht Frankfurt am Main vom 20.1.2025; AZ – 6 U 154/24 –

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Freistellung nach Kündigung: Bundesarbeitsgericht stärkt Arbeitnehmerrechte

Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom Februar 2025 eine wichtige Entscheidung zur Freistellung nach Kündigung getroffen. Die Richter entschieden eindeutig: Gekündigte Arbeitnehmer, die ihr Arbeitgeber von der Arbeit freistellt, haben keine Verpflichtung, sich sofort um einen neuen Arbeitsplatz zu bemühen.

Der Fall betraf einen „Senior Consultant“, der seit November 2019 bei seinem Arbeitgeber tätig war und monatlich 6.440 Euro brutto verdiente. Ende März 2023 erhielt er die ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2023. Gleichzeitig stellte das Unternehmen ihn unwiderruflich von jeglicher Arbeitsleistung frei. Das Arbeitsgericht und später auch das Landesarbeitsgericht gaben der Kündigungsschutzklage des Betroffenen denn auch recht.

Die besondere Brisanz des Falls lag in der Frage der Jobsuche während der Freistellung. Der gekündigte Mitarbeiter meldete sich Anfang April 2023 arbeitssuchend. Die Arbeitsagentur übersandte ihm erst Anfang Juli erste Vermittlungsvorschläge. Sein ehemaliger Arbeitgeber hingegen schickte ihm bereits im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 Stellenangebote von Jobportalen und Unternehmen zu. Der Arbeitnehmer bewarb sich erst Ende Juni auf sieben dieser Angebote.

Gekündigte Arbeitnehmer, die ihr Arbeitgeber von der Arbeit freistellt, haben keine Verpflichtung, sich sofort um einen neuen Arbeitsplatz zu bemühen.Das Unternehmen argumentierte, der freigestellte Mitarbeiter hätte sich zeitnah auf die übersandten Stellenangebote bewerben müssen. Da er dies unterlassen habe, müsse er sich fiktiven Verdienst anrechnen lassen. Diese Argumentation verwarf das Bundesarbeitsgericht ganz deutlich. Eine Freistellung nach Kündigung beinhaltet nicht eine aktive Arbeitssuche der Betroffenen.

Die Karlsruher Richter stellten klar: Der Arbeitgeber befand sich aufgrund der einseitig erklärten Freistellung im Verzug. Daher schuldet er unzweifelhaft dem gekündigten Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung für die gesamte Kündigungsfrist. Einen nicht erzielten Verdienst braucht der Betroffene nicht anzurechnen.

Entscheidend war dabei die Beurteilung nach Treu und Glauben. Das Gericht betonte, dass der Nachteil einer fiktiven Anrechnung tatsächlich aber nicht erworbenen Verdienstes nur gerechtfertigt wäre, wenn der Arbeitnehmer wider Treu und Glauben untätig geblieben wäre. Da das Unternehmen nicht darlegen konnte, dass ihm die Erfüllung eines Beschäftigungsanspruchs unzumutbar gewesen wäre, bestand für den Arbeitnehmer keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung des Arbeitgebers ein neues Beschäftigungsverhältnis einzugehen.

Diese Entscheidung stärkt die Position von Arbeitnehmern erheblich. Unternehmen können nicht gleichzeitig ihre Mitarbeiter freistellen und erwarten, dass diese sofort neue Jobs antreten. Das Urteil schafft Rechtssicherheit und schützt gekündigte Arbeitnehmer vor unrealistischen Erwartungen ihrer ehemaligen Arbeitgeber.

Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 12.2.2025; AZ – 5 AZR 127/24 –

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Maklerprovision nach Kündigung des Maklervertrags durch den Vermittler?

Ein Urteil des Landgerichts Koblenz vom November 2024 zeigt deutlich, dass Immobilienmakler ihre Maklerprovision nach Kündigung des Vertrags nicht automatisch beanspruchen können. Der Fall macht eine wichtige Regel des Zivilrechts sichtbar: Wer sich nicht an die Grundsätze von Treu und Glauben hält, verliert möglicherweise seine vertraglichen Ansprüche.

Die Ausgangslage erschien zunächst eindeutig. Eine bundesweit tätige Online-Immobilienmaklerin hatte mit einer Interessentin einen Maklervertrag für ein Mehrfamilienhaus geschlossen. Der vereinbarte Kaufpreis betrug 140.000 Euro, die Provision sollte 3,57 Prozent des Kaufpreises betragen. Die Kundin erhielt das Exposé, ihr Lebensgefährte besichtigte die Immobilie, und beide kauften das Objekt schließlich gemeinsam für 145.000 Euro per notariellem Kaufvertrag.

Die Schwierigkeiten entstanden durch einen Konflikt zwischen der Maklerin und dem Lebensgefährten der Kundin. Dieser hatte Nachweise zur Finanzierung des Kaufs nicht in der gewünschten Form vorgelegt. Die Situation eskalierte in einem Telefonat, das die Maklerin als Drohung interpretierte, wonach keine Provision mehr gezahlt werden würde. Daraufhin entschied die Maklerin, den Maklervertrag noch vor der notariellen Beurkundung zu kündigen und keine weiteren Leistungen mehr zu erbringen.

Trotz dieser Kündigung forderte die Maklerin von ihrer Kundin die vereinbarte Provision. Die Begründung lautete, sie habe durch den Nachweis der Kaufgelegenheit ihre vertragliche Leistung vollständig erfüllt. Die Kundin weigerte sich jedoch zu zahlen und argumentierte, die Maklerin habe sie beim Kaufabschluss sogar behindert, anstatt diesen zu fördern. Die Kündigung des Vertrags und die Verweigerung jeder weiteren Unterstützung beim Immobilienkauf bewerteten die Richter als treuwidrig.

Das Landgericht Koblenz wies die Klage der Maklerin ab. Die Richter erkannten zwar an, dass ein gültiger Maklervertrag entstanden war und die grundlegende Leistung durch den Nachweis der Kaufgelegenheit erbracht wurde. Auch der erfolgreiche Abschluss des notariellen Kaufvertrags stand fest. Eine Maklerprovision nach Kündigung kann nicht in Anspruch genommen werden.

Entscheidend war jedoch die rechtliche Bewertung des Verhaltens der Maklerin. Das Gericht sah einen Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Die Kündigung des Vertrags und die Verweigerung jeder weiteren Unterstützung beim Immobilienkauf bewerteten die Richter als treuwidrig. Besonders problematisch war dabei, dass die Maklerin den Vertrag wegen des Verhaltens des Lebensgefährten kündigte, obwohl dieser gar nicht ihr Vertragspartner war.

Die Kundin allein hatte den Maklervertrag geschlossen, und ihr konnte kein Fehlverhalten vorgeworfen werden. Die Kündigung erfolgte ausschließlich wegen des Konflikts mit einer dritten Person. Diese Konstellation machte das Verhalten der Maklerin nach Ansicht des Gerichts unzulässig.

Das Urteil zeigt, dass Immobilienmakler ihre Provisionsansprüche verlieren können, wenn sie Verträge aus Gründen kündigen, die nicht in der Person des Vertragspartners liegen. Makler müssen bis zum Abschluss des Kaufvertrags ihre vertraglichen Pflichten erfüllen und können sich nicht einseitig aus der Verantwortung ziehen, wenn Schwierigkeiten mit anderen Beteiligten auftreten.

Urteil des Landgericht Koblenz vom 7.11.2024; AZ – 1 O 68/24 –

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Geschwindigkeitsüberschreitung: Verwirrungs-Argument scheitert vor Gericht

Ein Autofahrer überschritt auf der Autobahn A7 Richtung Kassel die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 86 km/h. Bei einer temporären Geschwindigkeitsbegrenzung von 60 km/h wurde er mit 146 km/h gemessen. Als Begründung führte er vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main an, die Beschilderung sei „völlig verwirrend“ gewesen. Diese Begrenzung wurde im Bereich einer LKW-Kontrolle mittels ausklappbarer Verkehrsschilder aus Sicherheitsgründen eingerichtet. Die Richter folgten dieser Argumentation nicht. Mit Beschluss vom Januar 2025 bestätigte das OLG nicht nur die für die Geschwindigkeitsüberschreitung vom Amtsgericht Fulda verhängte Geldbuße und das Fahrverbot, sondern stufte die Tat sogar von fahrlässig zu vorsätzlich hoch.

Das Amtsgericht Fulda hatte den Fahrer ursprünglich wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 900 Euro sowie einem dreimonatigen Fahrverbot verurteilt. Der 2. Strafsenat des OLG Frankfurt verwarf diese Beschwerde vollständig und stufte die Tat sogar als vorsätzlich ein. In der Urteilsbegründung stellten die Richter klar, dass die Beschilderung mit Klappschildern eindeutig dokumentiert und keineswegs verwirrend war. Die Anordnungen zur Geschwindigkeitsreduzierung und zum Überholverbot für LKW und Busse waren laut Gericht klar erkennbar und verständlich.

Eine behauptete Unklarheit bei der Beschilderung ist nicht ausreicht, um eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung zu rechtfertigen.Bemerkenswert ist die deutliche Formulierung des Gerichts zur behaupteten Verwirrung: Wenn ein Verkehrsteilnehmer eine einfache und klar verständliche Verkehrsanordnung nicht versteht, begründet dies keinen Verbotsirrtum, der entlasten könnte. Vielmehr stelle sich dann die Frage, ob die betreffende Person kognitiv überhaupt in der Lage sei, am Straßenverkehr teilzunehmen.

Das Gericht wies zudem darauf hin, dass nach der Straßenverkehrsordnung jeder, der sich in einer unsicheren Verkehrssituation befindet, zu besonderer Vorsicht und Rücksichtnahme verpflichtet ist. Wer Verkehrsschilder nicht versteht oder bewusst ignoriert und statt der erlaubten 60 km/h mit 146 km/h fährt, handelt vorsätzlich und stellt sich damit bewusst gegen die Rechtsordnung.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt verdeutlicht, dass eine behauptete Unklarheit bei der Beschilderung nicht ausreicht, um eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung zu rechtfertigen. Vielmehr müssen dafür konkrete und nachvollziehbare Gründe vorliegen, warum die Verkehrszeichen tatsächlich missverständlich waren. Dies konnte der Betroffene jedoch nicht darlegen.

Die Gerichte verlangen bei derart erheblichen Überschreitungen – in diesem Fall 86 km/h über dem Limit – nachvollziehbare Erklärungen. Die bloße Behauptung einer verwirrenden Beschilderung reicht nicht aus, um ein Bußgeld oder Fahrverbot abzuwenden. Stattdessen betonte das OLG, dass eine Überschreitung in diesem Ausmaß sogar auf vorsätzliches Handeln hindeutet und nicht auf ein bloßes Missverständnis.

Das Urteil ist rechtskräftig, da keine weiteren Rechtsmittel möglich sind.

Beschluss des OLG Frankfurt vom 24.02.2025; AZ – 2 Orbs 4/25 –

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Testament mit Anlage kann unwirksam sein: BGH klärt Formvorschriften

Der Bundesgerichtshof hat in einem wichtigen Urteil vom November 2021entschieden, dass ein Testament mit Anlage unwirksam sein kann, wenn die Erben nur in einem separaten, nicht formgerechten Dokument genannt werden. Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen für die Testamentserstellung.

Ein Ehepaar aus Hessen hatte 2011 ein gemeinschaftliches Testament aufgesetzt. Darin wurde festgehalten, dass fünf befreundete Familien als Erben eingesetzt werden sollten. Die konkreten Namen dieser Familien standen allerdings nicht im Testament selbst, sondern in einer maschinenschriftlichen Anlage, die das Ehepaar unterschrieben hatte. Nach dem Tod beider Ehepartner entbrannte ein Streit darüber, ob diese Form der Erbeinsetzung rechtsgültig war.

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste klären, ob eine solche Verweisung auf ein separates Dokument ausreicht. Das höchste deutsche Zivilgericht kam zu einem eindeutigen Ergebnis: Die Erbeinsetzung war unwirksam. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Erben im Testament selbst eindeutig benannt sein müssen. Ein bloßer Verweis auf eine Anlage, die nicht den strengen Formvorschriften für Testamente entspricht, genügt nicht.

Selbst gut gemeinte Regelungen können unwirksam sein, wenn die Formvorschriften nicht beachtet werden.Besonders problematisch war in diesem Fall, dass die Anlage maschinenschriftlich verfasst war. Ein eigenhändiges Testament muss vollständig handschriftlich geschrieben und unterschrieben sein. Diese strengen Formvorschriften dienen dem Schutz vor Fälschungen und sollen sicherstellen, dass der letzte Wille des Verstorbenen eindeutig feststellbar ist. Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass es dabei nicht darauf ankommt, ob im konkreten Fall tatsächlich eine Fälschungsgefahr bestand. Die Formvorschriften müssen immer eingehalten werden.

Für die Praxis bedeutet diese Entscheidung: Wer ein Testament verfasst, muss alle wesentlichen Bestimmungen direkt im Testament selbst aufführen. Die Erben müssen namentlich genannt werden. Eine pauschale Bezeichnung wie „meine fünf befreundeten Familien“ reicht nicht aus, wenn die konkreten Personen erst aus einer separaten Liste hervorgehen. Falls zusätzliche Dokumente verwendet werden sollen, müssen auch diese den strengen Formvorschriften entsprechen. Bei einem eigenhändigen Testament bedeutet das: komplett handschriftlich und unterschrieben.

Die Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, bei der Testamentserstellung sorgfältig vorzugehen. Selbst gut gemeinte Regelungen können unwirksam sein, wenn die Formvorschriften nicht beachtet werden. Im vorliegenden Fall führte der Formfehler dazu, dass die gewünschten Erben leer ausgingen.

Urteil des Bundesgerichtshof vom 10.11.2021, AZ – V ZB 30/20 –

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Bewertung von Krankschreibungen aus Nicht-EU-Ländern

Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom Januar 2025 bringt wichtige Klarstellungen zur Beweiskraft von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die in Ländern außerhalb der Europäischen Union ausgestellt wurden. Grundsätzlich stellt das Gericht fest, dass solche Bescheinigungen denselben Beweiswert haben wie in Deutschland ausgestellte Atteste, sofern erkennbar ist, dass eien solche Krankschreibungen aus Nicht-EU-Ländern der Arzt vor Ort zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterschieden hat.

Der Fall betraf einen Lagerarbeiter, der seit 2002 bei seinem Arbeitgeber tätig war. Er verbrachte seinen Urlaub 2022 in Tunesien und meldete sich kurz vor Urlaubsende krank. Ein tunesischer Arzt bescheinigte ihm „schwere Ischiasbeschwerden“ und verordnete 24 Tage strenge häusliche Ruhe mit Reiseverbot bis Ende September 2022. Bereits einen Tag nach dieser Bescheinigung buchte der Arbeitnehmer jedoch ein Fährticket und reiste am 29. September – also während der attestierten Arbeitsunfähigkeit und des Reiseverbots – mit seinem PKW über Italien nach Deutschland zurück. Eine Stärkung der Position bei Zweifeln an ausländischen Krankschreibungen, insbesondere wenn diese in zeitlichem Zusammenhang mit Urlauben.

Das Bundesarbeitsgericht betonte, dass bei der Bewertung einer Krankschreibungen aus Nicht-EU-Ländern eine Gesamtbetrachtung aller Umstände notwendig ist. Mehrere Aspekte führten in diesem Fall dazu, dass der Beweiswert der Bescheinigung erschüttert wurde: Die lange Krankschreibungsdauer ohne angeordnete Wiedervorstellung, die Buchung der Rückreise trotz attestiertem Bewegungs- und Reiseverbot sowie die Tatsache, dass der Arbeitnehmer bereits in den Jahren zuvor mehrfach unmittelbar nach seinem Urlaub Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt hatte.

Das Gericht stellte klar, dass einzelne dieser Umstände für sich genommen unbedenklich sein mögen. In ihrer Gesamtheit begründeten sie jedoch ernsthafte Zweifel an der Beweiskraft des Attests. Dies hat weitreichende Folgen für die Beweislast: Der Arbeitnehmer trägt nun die volle Darlegungs- und Beweislast für das tatsächliche Bestehen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, um seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung durchzusetzen.

Für Arbeitgeber bedeutet diese Entscheidung eine Stärkung ihrer Position bei Zweifeln an ausländischen Krankschreibungen, insbesondere wenn diese in zeitlichem Zusammenhang mit Urlauben stehen. Sie müssen jedoch weiterhin konkrete Umstände darlegen, die in ihrer Gesamtheit die Zweifel begründen. Eine pauschale Ablehnung ausländischer Atteste ist nicht zulässig. Für Arbeitnehmer hingegen unterstreicht das Urteil die Notwendigkeit, bei Erkrankungen im Ausland alle ärztlichen Anweisungen strikt zu befolgen und widersprüchliche Handlungen zu vermeiden.

Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 15.1.2025; AZ – 5 AZR 284/24 –

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Rechtliche Möglichkeiten bei offensichtlich fehlerhaften Stromrechnungen

Bei Stromrechnungen mit auffällig hohen Beträgen besteht oft die Frage nach der rechtlichen Verpflichtung zur Zahlung. Ein Urteil vom Oktober 2024 des Landgerichts Lübeck bietet hierzu wichtige Erkenntnisse. In diesem Fall ging es um eine ungewöhnlich hohe Forderung eines Stromanbieters gegenüber einem Gewerbetreibenden, der eine Wohnung für seine Mitarbeiter angemietet hatte. Der Kläger vermutete daher, dass fehlerhafte Stromrechnungen die Ursache seien.

Der Sachverhalt stellte sich folgendermaßen dar: Nach Beendigung des Mietverhältnisses erhielt der Gewerbetreibende eine Stromrechnung in Höhe von 17.948,11 Euro für einen Verbrauchszeitraum von lediglich vier Monaten (Juli bis Oktober). Der hohe Betrag erschien besonders fragwürdig, da die Mitarbeiter die Wohnung bereits Ende Juni verlassen hatten. Zudem führte der Gewerbetreibende an, dass in dem Gebäude vier verschiedene Verbrauchsstellen existierten, jedoch nur zwei Stromzähler installiert waren. Dies erschwerte die eindeutige Zuordnung des Stromverbrauchs.

Bei unklaren Zuständigkeiten oder fehlenden kritischen Daten wie Zählernummern im Übergabeprotokoll verringert sich dessen Wert als Beweismittel erheblich.Der Stromanbieter stützte seine Forderung auf ein Übergabeprotokoll mit dokumentierten Zählerständen. Der Gewerbetreibende erklärte jedoch, dieses Protokoll aufgrund von Sprachproblemen im Vertrauen auf den Vermieter unterschrieben zu haben, ohne den Inhalt vollständig zu verstehen.

Das Landgericht Lübeck entschied zugunsten des Gewerbetreibenden. Nach richterlicher Auffassung konnte der Stromanbieter nicht nachweisen, dass der berechnete Strom tatsächlich in der betreffenden Wohnung verbraucht wurde. Ein entscheidender Aspekt: Der Stromanbieter kam trotz mehrfacher Aufforderung seiner Verpflichtung nicht nach, die für eine Zeugenbefragung des Vermieters notwendigen Auslagen vorzuschießen.

Die rechtliche Grundlage für diese Entscheidung findet sich in der Stromgrundversorgungsverordnung. Diese besagt, dass Stromkunden die Zahlung verweigern dürfen, wenn die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers in der Abrechnung besteht. In solchen Fällen trägt der Stromanbieter die Beweislast – er muss nachweisen, dass die berechnete Strommenge tatsächlich vom Kunden verbraucht wurde.

Für die Beweisführung reicht ein Übergabeprotokoll mit dokumentierten Zählerständen allein nicht aus, wenn begründete Zweifel an der korrekten Zuordnung des Verbrauchs bestehen. Dies gilt besonders bei mehreren Verbrauchsstellen mit unklarer Zählerzuordnung. Zudem unterliegt die Beweiskraft eines Übergabeprotokolls bestimmten Voraussetzungen. Beide Parteien müssen das Dokument unterschreiben, und bei ungewöhnlich hohen Verbrauchswerten muss der Anbieter zusätzliche Nachweise erbringen.

Bei unklaren Zuständigkeiten oder fehlenden kritischen Daten wie Zählernummern im Übergabeprotokoll verringert sich dessen Wert als Beweismittel erheblich. Stromkunden sollten daher bei Erhalt auffällig hoher Rechnungen zunächst prüfen, ob die berechneten Verbrauchswerte plausibel erscheinen und ob die Zählerstände korrekt zugeordnet wurden. Im Zweifelsfall empfiehlt sich eine rechtliche Beratung, um die Erfolgsaussichten einer Zahlungsverweigerung für fehlerhafte Stromrechnungen einschätzen zu lassen.

Urteil des Landgericht Lübeck vom 17.10.2024; AZ – 5 O 125/23 –

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Handwerksleistungen und die Bedeutung der Vergütungsvereinbarung

Ein Urteil des Amtsgerichts München aus September 2024 verdeutlicht die Bedeutung klarer Vergütungsvereinbarungen bei Handwerksleistungen. Der Fall betraf einen Heizungs- und Sanitärausbaubetrieb, der nach Abschluss vereinbarter Arbeiten zusätzliche Leistungen in Rechnung stellte, ohne eine entsprechende Vergütungsvereinbarung nachweisen zu können.

Im konkreten Fall hatte ein Münchener Schaustellerbetrieb einen Handwerksbetrieb aus Niederbayern mit dem Heizungs- und Sanitärausbau eines Schausteller-LKWs beauftragt. Die ursprüngliche Rechnung in Höhe von 3.668 Euro brutto wurde vom Auftraggeber vollständig beglichen.

Nach Abschluss der Arbeiten stellte der Handwerksbetrieb weitere Leistungen in Höhe von 2.790 Euro brutto in Rechnung. Diese umfassten einen zusätzlichen Kaltwasser- und Abflussanschluss für eine Waschmaschine, einen zusätzlichen Wasseranschluss unter dem Zugfahrzeug sowie weitere Sanitärbaumaßnahmen. Der Handwerksbetrieb argumentierte, diese Leistungen gingen über das ursprüngliche Angebot hinaus und seien vom Schausteller nachträglich verlangt worden, weshalb eine zusätzliche Vergütung gerechtfertigt sei.

Da der Schausteller die Zahlung verweigerte, beantragte der Handwerksbetrieb einen Mahn- und Vollstreckungsbescheid über den genannten Betrag. Das Amtsgericht München wies jedoch die Klage ab und gab dem Schaustellerbetrieb Recht. Diese Entscheidung unterstreicht die Wichtigkeit schriftlicher Vereinbarungen bei jeglichen Zusatzleistungen im Handwerksbereich.

Entscheidend war, dass der darlegungs- und beweispflichtige Handwerksbetrieb nicht belegen konnte, dass für die zusätzlichen Arbeiten tatsächlich eine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde. Ein Zeuge, der die Arbeiten vor Ort durchführte, konnte nicht angeben, welche konkreten Vereinbarungen hinsichtlich des Umfangs der Arbeiten zwischen den Parteien getroffen wurden. Auch die Befragung des Klägers ergab keine Hinweise auf eine vereinbarte zusätzliche Vergütung.

Das Gericht betonte, dass es Aufgabe des Handwerksbetriebs sei, seine Mitarbeiter ordnungsgemäß zu beaufsichtigen und sicherzustellen, dass nur die vertraglich vereinbarten Leistungen erbracht werden. Die bloße Durchführung zusätzlicher Leistungen durch einen Mitarbeiter ersetzt nicht die erforderliche vertragliche Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien.

Diese Entscheidung unterstreicht die Wichtigkeit schriftlicher Vereinbarungen bei jeglichen Zusatzleistungen im Handwerksbereich. Handwerksbetriebe sollten stets darauf achten, dass bei Erweiterungen des ursprünglichen Auftragsumfangs eine klare Vergütungsvereinbarung getroffen und dokumentiert wird. Gleichzeitig verdeutlicht das Urteil, dass die Beweislast für das Bestehen einer Vergütungsvereinbarung beim leistungserbringenden Betrieb liegt.

Handwerksbetriebe sind also gut beraten, alle Auftragsänderungen und -erweiterungen sorgfältig zu dokumentieren und vom Auftraggeber bestätigen zu lassen, um spätere Zahlungsverweigerungen zu vermeiden. Für Auftraggeber bietet das Urteil hingegen Sicherheit, dass Handwerksbetriebe nicht eigenmächtig zusätzliche Leistungen erbringen und anschließend in Rechnung stellen können, ohne dass hierfür eine Vergütungsvereinbarung besteht.

Das Urteil des Amtsgerichts München ist rechtskräftig und bietet somit eine verlässliche Orientierung für vergleichbare Fälle.

Urteil des Amtsgericht München vom 26.9.2024; AZ –275 C 13938/23 –

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Alkoholfahrt mit Fahrrad: Behördliche Fahrverbote unzulässig

Eine weitreichende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom Dezember 2024 sorgt für mehr Rechtssicherheit im Bereich der Mobilität nach einer Alkoholfahrt. Das Gericht stellte fest, dass die Fahrerlaubnis-Verordnung keine rechtliche Grundlage für eine behördliche Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen bietet. Zu diesen Fahrzeugen zählen unter anderem Fahrräder, Mofas und E-Scooter.

Der Sachverhalt betraf zwei Fälle aus Duisburg und Schwerte. In einem Fall fuhr eine Person unter dem Einfluss von Amphetamin einen E-Scooter, im anderen Fall ging es um eine klassische Alkoholfahrt mit dem Fahrrad, bei der eine Blutalkoholkonzentration von über zwei Promille festgestellt wurde. Beide Personen besaßen keine Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge wie PKW. Die zuständigen Fahrerlaubnisbehörden untersagten ihnen daraufhin das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Nach Ablehnung ihrer Eilanträge durch die Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Gelsenkirchen legten die Betroffenen erfolgreich Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht ein.

Der Senat des Oberverwaltungsgerichts begründete seine Entscheidung damit, dass die entsprechende Vorschrift der Fahrerlaubnisverordnung nicht hinreichend bestimmt und verhältnismäßig sei. Die Richter betonten, dass ein solches Verbot nach einer Alkoholfahrt die grundrechtlich geschützte Fortbewegungsmöglichkeit der Betroffenen erheblich einschränke. Außerdem wurde berücksichtigt, dass fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Vergleich zu Kraftfahrzeugen in der Regel weniger gefährlich sind. Für Personen, denen das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nach einer Alkoholfahrt untersagt wurde, eröffnet diese Rechtsprechung die Möglichkeit, gegen solche Verwaltungsakte vorzugehen.

Das Gericht kritisierte besonders, dass die bisherige Vorschrift nicht hinreichend klar regelt, in welchen Fällen jemand als ungeeignet oder bedingt geeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge einzustufen ist und wann Eignungszweifel bestehen. Diese Unbestimmtheit der Norm führte letztlich dazu, dass die behördlichen Untersagungen nach einer Alkoholfahrt für rechtswidrig erklärt wurden.

Mit dieser Rechtsprechung folgt das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen einer Linie, die bereits vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im April 2023 und vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im März 2024 etabliert wurde. Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar, was bedeutet, dass die betroffenen Personen aus Duisburg und Schwerte nun vorläufig wieder berechtigt sind, mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen am Straßenverkehr teilzunehmen, obwohl sie zuvor eine Alkoholfahrt begangen hatten.

Diese Entscheidung verdeutlicht eine wichtige rechtliche Differenzierung zwischen dem Führen von fahrerlaubnispflichtigen und fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Während bei ersteren ein umfassendes Regelwerk zur Eignungsfeststellung existiert, fehlt es bei letzteren an einer entsprechend klaren gesetzlichen Grundlage. Der Gesetzgeber müsste nun tätig werden, wenn er die Möglichkeit einer behördlichen Untersagung auch für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge nach einer Alkoholfahrt schaffen möchte.

Für Personen, denen das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nach einer Alkoholfahrt untersagt wurde, eröffnet diese Rechtsprechung die Möglichkeit, gegen solche Verwaltungsakte vorzugehen. Gleichzeitig bleibt zu beachten, dass Alkohol- und Drogenkonsum beim Führen jeglicher Fahrzeuge weiterhin strafbar sein kann und erhebliche Gefahren für alle Verkehrsteilnehmer mit sich bringt. Eine Alkoholfahrt mit dem Fahrrad oder E-Scooter ist also keineswegs straffrei, lediglich die behördliche Untersagung des Führens dieser Fahrzeuge ist nach aktueller Rechtsprechung nicht zulässig.

Urteil des Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen vom 5.12.2024; AZ – 16 B 175/23 –

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Sterbegeldversicherung und deren Einfluss auf das Erbschaftsteuerrechts

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 10. Juli 2024 eine grundlegende Entscheidung zur steuerlichen Behandlung von Sterbegeldversicherungen getroffen. Das Urteil befasst sich mit der Frage, wie Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung und die damit verbundenen Bestattungskosten erbschaftsteuerlich zu bewerten sind. Der Fall betraf einen Kläger und seine Schwester, die ihre Tante beerbt hatten. Die Erblasserin hatte eine Sterbegeldversicherung abgeschlossen und das Bezugsrecht für die Versicherungssumme bereits zu Lebzeiten an ein Bestattungsunternehmen abgetreten. Nach ihrem Tod stellte das Bestattungsunternehmen 11.653,96 Euro für die durchgeführte Bestattung in Rechnung. Die Sterbegeldversicherung übernahm davon einen Betrag von 6.864,82 Euro.

Das Finanzamt behandelte den gewährten Sachleistungsanspruch als Teil des Nachlasses und erhöhte entsprechend die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer um 6.864 Euro. Für die geltend gemachten Nachlassverbindlichkeiten – zu denen auch die Bestattungskosten zählten – berücksichtigte das Finanzamt lediglich die gesetzliche Pauschale für Erbfallkosten in Höhe von 10.300 Euro. Nach einem erfolglosen Einspruchsverfahren und einer abgewiesenen Klage vor dem Finanzgericht legte der Erbe Revision beim Bundesfinanzhof ein. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Finanzgericht zurück.

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung, die der verstorbene Erblasser bereits zu Lebzeiten an ein Bestattungs¬unternehmen abgetreten hat, als Sachleistungsanspruch der Erben den Nachlass erhöhen.In seiner Entscheidung bestätigte der BFH zunächst die Position des Finanzgerichts, dass der durch die Sterbegeldversicherung erworbene Sachleistungsanspruch in den Nachlass fällt. Das hatte zu einer Erhöhung des Nachlassvermögens geführt, da die Erben einen wirtschaftlichen Vorteil in Form der Bestattungsleistungen erhielten. Daher war der Wert des Sachleistungsanspruchs aus der Sterbegeldversicherung in Höhe von 6.864,82 Euro bei der Bemessung der Erbschaftsteuer zu berücksichtigen.

Der BFH stellte jedoch klar, dass die Bestattungskosten nicht nur in Höhe der gesetzlichen Pauschale abzugsfähig sind. Vielmehr müssen die tatsächlichen Aufwendungen für die Bestattung im vollen Umfang als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd berücksichtigt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Kosten teilweise durch Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung gedeckt wurden. Die Entscheidung des BFH verdeutlicht: Einerseits erhöht der Sachleistungsanspruch aus der Sterbegeldversicherung den steuerpflichtigen Nachlass, andererseits sind die durch die Sterbegeldversicherung abgedeckten Bestattungskosten in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig.

Für die steuerliche Bewertung von Sterbegeldversicherungen bei Erbfällen bedeutet dies, dass eine differenzierte Betrachtung erforderlich ist. Der Abschluss einer Sterbegeldversicherung führt nicht zu einer steuerlichen Mehrbelastung, sofern die vollständige Abzugsfähigkeit der Bestattungskosten berücksichtigt wird. Besonders relevant wird diese Entscheidung, wenn die tatsächlichen Bestattungskosten die Pauschale von 10.300 Euro übersteigen.

Urteil der Bundesfinanzhof vom 10.7.2024; AZ – II 31/21 –

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