Interessenkonflikte verhindern Doppelrolle als Betriebsratsvorsitzender und Datenschutzbeauftragter

Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass die Funktion des Vorsitzenden im Betriebsrat in der Regel unvereinbar mit der Rolle des Datenschutzbeauftragten im Unternehmen ist. Die Entscheidung bezieht sich auf einen Fall, in dem ein Arbeitnehmer sowohl Vorsitzender des Betriebsrats als auch Datenschutzbeauftragter war. Das Unternehmen widerrief seine Bestellung als Datenschutzbeauftragter, da es einen Interessenkonflikt sah. Die Vorinstanzen hatten dem Kläger zunächst Recht gegeben, doch mit dem Urteil vom Juni 2023 entschied das Bundesarbeitsgericht klar dagegen.

Kern der Entscheidung ist der Gedanke des Interessenkonflikts. Der Betriebsrat hat laut Betriebsverfassungsgesetz spezifische Aufgaben und Befugnisse, darunter auch den Zugang zu bestimmten personenbezogenen Daten des Unternehmens. Der Datenschutzbeauftragte hingegen ist dafür verantwortlich, die Einhaltung der Datenschutzgesetze im Unternehmen sicherzustellen. Beide Rollen erfordern unterschiedliche Herangehensweisen an die Verarbeitung personenbezogener Daten, was zu einem Interessenkonflikt führen kann.

Unvereinbarkeit Betriebsrat & DatenschutzbeauftragterFür den Datenschutzbeauftragten ist es von zentraler Bedeutung, unabhängig zu agieren. In der Rolle des Betriebsratsvorsitzenden könnte die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten beeinträchtigt werden, insbesondere wenn es um die Verarbeitung personenbezogener Daten geht, die der Betriebsrat anfordert oder nutzt. Hier stellt sich erkennbar die Frage, ob der Datenschutzbeauftragte in dieser Konstellation wirklich die nötige Unabhängigkeit bewahren kann, um faktisch sicherzustellen, dass das Unternehmen die Datenschutzgesetze einhält.

Die Entscheidung macht deutlich, dass ein Interessenkonflikt vorliegt, wenn der Datenschutzbeauftragte innerhalb einer Einrichtung eine Position bekleidet, die die Festlegung von Zwecken und Mitteln der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat. Das Urteil wirft letztlich auch Licht auf die breitere Thematik der Unvereinbarkeit von Ämtern und zeigt, wie wichtig es ist, die unterschiedlichen Rollen und Verantwortlichkeiten innerhalb eines Unternehmens klar abzugrenzen, um effektiven Datenschutz sicherzustellen.

Diese Entscheidung bietet daher nicht nur klare rechtliche Leitlinien, sondern auch eine wertvolle Orientierung für Unternehmen und Betriebsräte, um sicherzustellen, dass die jeweiligen Funktionen im Einklang mit den gesetzlichen Anforderungen stehen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6.6.2023; AZ – 9 AZR 383/19 –

Foto: Joseph

Sachversicherung und Mitwirkungspflichten im Versicherungsfall

Ein Restaurant in Osnabrück erlitt im Januar 2018 erhebliche Schäden durch ein Feuer, wodurch die Inneneinrichtung beschädigt wurde. Ein beauftragter Sachverständiger schätzte den Schaden auf rund 640.000 Euro. Es kam der Verdacht einer vorsätzlichen Brandlegung auf, doch eine Person, die wegen dieses Verdachts vor Gericht stand, wurde freigesprochen.

Letztlich musste aber über die Mitwirkungspflichten von Versicherungsnehmern entscheiden werden.

Das Restaurant, das sich der Schwere des Vorfalls bewusst war, meldete den Schaden unverzüglich seinem Versicherer. Als Reaktion darauf erhielt die Besitzerin einen Fragekatalog mit 20 Fragen vom Versicherer, der zur weiteren Abwicklung des Falls dienen sollte. Trotz der Unterstützung durch ein spezialisiertes Unternehmen zur Schadensregulierung und späterer Vertretung durch mehrere Rechtsanwälte, dauerte es Monate, bis auf die Fragen reagiert wurde. Und selbst dann wurden sie nicht in Gänze beantwortet. Mitwirkungspflichten gegenüber Versicherern

Der Versicherer interpretierte dieses Verhalten als Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht. Er wies darauf hin, dass eine solche Verletzung der Pflicht eine Ablehnung der Deckung des Schadens oder eine Leistungskürzung zur Folge haben könnte – eine Regelung, die dem Restaurantbesitzer auch zuvor ganz klar mitgeteilt worden war.

Das Landgericht Osnabrück hatte sich schließlich mit diesem Fall zu beschäftigen und entschied zugunsten des Versicherers. Es wies die Klage des Restaurants ab, wobei die Hauptbegründung darin bestand, dass die Fragen des Versicherers nicht rechtzeitig und in der erwarteten Art und Weise beantwortet wurden. Diese Fragen hätten für die Einschätzung der Einstandspflicht des Versicherers relevant sein können. Es wurde auch betont, dass im Versicherungsrecht der Grundsatz, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten, nicht gilt. Die Besitzerin hatte ausreichend Zeit, die Fragen zu beantworten, hat es jedoch versäumt.

Zusätzlich war es dem Restaurant klar, dass die unzureichende Beantwortung der Fragen den Versicherungsfall beeinflussen könnte, besonders unter dem Verdacht einer vorsätzlichen Brandlegung. Die verspätete und unvollständige Beantwortung galt als Versuch, den Verlust des Leistungsanspruchs zu minimieren. Der im Strafrecht geltende Grundsatz „Nemo tenetur se ipsum accusare“ (deutsch: Aussageverweigerungsrecht) wonach sich niemand selbst zu belasten brauche, gelte im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer nicht, betonten die Richter in Osnabrück ganz nachrücklich.

Die Entscheidung ist nicht endgültig und kann beim Oberlandesgericht Oldenburg angefochten werden.

Landgericht Osnabrück, Urteil vom 24.5.2023; AZ – 9 O 3254/21 –

Foto: EdNurg

Genehmigung für Windkraftanlage trotz Denkmalschutzbelangen ist rechtens

Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern  hat in einem wesentlichen Urteil im Februar 2023 zugunsten der Windenergieindustrie gefällt. Ein Windparkbetreiber hatte gegen das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg Klage eingereicht, da das Amt den Antrag auf Genehmigung einer Windkraftanlage in der Gemeinde Mühlen Eichsen nicht rechtzeitig bearbeitet hatte.

Dabei wurde in diesem konkreten Fall der ursprüngliche Antrag durch das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern negativ bewertet. Dieses Amt war der Meinung, dass die Errichtung der Windkraftanlage das Erscheinungsbild bestimmter lokaler Denkmäler deutlich beeinträchtigen könnte. Dem Gericht zufolge habe der Beklagte nicht in zureichender Frist – wie im Bundesimmissionsschutzgesetz festgelegt – über den Antrag der Klägerin entschieden. Durch die ablehnende Stellungnahme des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern (LAKD) sei der Beklagte denn auch nicht gehindert gewesen, über den Antrag zu entscheiden, so die Richter.

Windkraftanlage hat Vorrang vor Denkmalschutz

Das Oberverwaltungsgericht sah dies denn auch deutlich im Sinne der Betreiber von Windkraftanlagen. Es betonte, dass, selbst wenn man von einer erheblichen Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der Denkmäler ausginge, die Windenergieanlage dennoch genehmigt werden müsse. Dies läge daran, dass das öffentliche Interesse an der Erzeugung erneuerbarer Energie, insbesondere durch Windkraft, über dem Interesse des Denkmalschutzes stehe. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz stelle dieses öffentliche Interesse an der Errichtung und dem Betrieb einer Windkraftanlage sogar explizit heraus.

In diesem speziellen Fall bedeutete dies ganz deutlich, dass das Interesse am Denkmalschutz hinter dem Bestreben zurückzustehen habe, erneuerbare Energien und insbesondere Windenergie zu fördern. Dieses Urteil bedeutet daher auch ein entscheidenden Schritt für Windparkbetreiber und könnte für künftige Projekte wegweisend sein, insbesondere in Gebieten, in denen Denkmalschutzbelange potenzielle Projekte beeinflussen könnten.

Zusammenfassend hat das Oberverwaltungsgericht noch einmal betont, dass der Denkmalschutz, obwohl wichtig, in bestimmten Fällen hinter dem öffentlichen Interesse an der Förderung erneuerbarer Energien zurückstehen kann. Inwieweit sich diese Entscheidung auf zukünftige Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen auswirken wird, wird sich noch erweisen.

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 7.2.2023 ; AZ – 5 K 171/22 –

Foto: Rainer Fuhrmann

Rückforderung von Sozialleistungen durch Jobcenter bei Nichtangabe von Lebensversicherungen

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen erließ im April 2023 ein Urteil, das aufzeigt, welche Auswirkungen die Nichtangabe von Kapitallebensversicherungen bei der Beantragung von Sozialleistungen haben kann. Ein umfangreiche Rückforderung durch das zuständige Jobcenter war die Folge für die Bezieherin der Sozialleistungen, die es wohl mit den Fakten nicht ganz so genau nahm.

Im konkreten Fall war es denn auch so, dass die Nichtangabe von Kapitallebensversicherungen zu ganz erheblichen Rückforderungen von Grundsicherungsleistungen führte. Diese Forderungen des Jobcenters überstiegen sogar den eigentlichen Wert der nicht angegebenen Versicherungen, was die finanziellen Auswirkungen der Entscheidung verdeutlicht.

Grundsätzlich gilt zunächst, dass beim Bezug von Sozialleistungen ein Vermögen von 5.000 € grundsätzlich nicht überschritten werden darf. Überschreitet das Vermögen eines Antragstellers diesen Betrag, beispielsweise durch eine Lebensversicherung, wird Sozialhilfe nicht gewährt. Die Lebensversicherung muss in einem solchen Fall aufgelöst werden und die ausgezahlte Summe für den Lebensunterhalt verwendet werden. Eine Ausnahme besteht lediglich für staatlich geförderte Altersvorsorgevermögen.

Beträchliche Rückforderung bei Verschweigen von Vermögen durch Jobcenter möglich

Im vorliegenden Fall bezog eine Frau aus dem Landkreis Celle seit dem Jahr 2013 Grundsicherungsleistungen und informierte das Jobcenter nicht über ihre zwei Kapitallebensversicherungen, die einen Wert von insgesamt 13.500 Euro hatten. Die Lebensversicherungen wurden erst bekannt, als ihr ehemaliger Ehemann seinen Anspruch auf die Hälfte der Versicherungsleistungen beim Jobcenter geltend machte. Daraufhin forderte das Jobcenter von der Frau rund 14.000 Euro zurück, da ihr Vermögensfreibetrag überschritten war.

Die Frau versuchte, sich gegen diese Forderung zu wehren, und klagte dagegen. Sie behauptete, von den Verträgen nichts gewusst zu haben. Ihrer Darstellung zufolge waren die Verträge von ihrem Ex-Mann abgeschlossen worden und sie habe erst durch dessen Mitteilung an das Jobcenter von ihnen erfahren.

Das Gericht sah jedoch die Sachlage anders und stützte die Rückforderung des Jobcenters. Es stellte fest, dass die Lebensversicherungen der Frau, die keine “Hartz-IV-Klausel” enthielten, kein geschütztes Altersvorsorgevermögen darstellten. Zudem wurde schnell deutlich, dass die Frau die Verträge selbst unterschrieben hatte und auch jährliche Mitteilungen über den Stand der Versicherungen erhalten hatte.

Das Besondere: Das Gericht entschied, dass nicht nur der Betrag über dem Vermögensfreibetrag zurückzufordern ist, sondern alle Leistungen, die während der Zeit erbracht wurden, in der das nicht angegebene Vermögen bestand. Ein Vertrauensschutz wurde in diesem Fall verneint, weil die Klägerin die Verträge vorsätzlich verschwiegen hatte.

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.4.2023; AZ – L 11 AS 221/22 –

Foto:  Guido Khoury

Umwandlung von Pizzerien: Genehmigungsbedarf bei zusätzlichem Lieferservice

Für Inhaber von Pizzerien kann es attraktiv sein, ihr Geschäft auf einen Lieferservice auszuweiten. Doch wie ein Fall vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zeigt, lauern dabei einige rechtliche Hürden. Es ist keineswegs so, dass diese Änderung ohne weiteres möglich ist. Ganz im Gegenteil: Es kann sogar eine Baugenehmigung erforderlich sein, so das Urteil vom April 2023.

Im betreffenden Fall beantragte eine Pizzeria in Bayern im Mai 2020 eine Baugenehmigung, um den Betrieb in eine Pizzeria mit Lieferservice umzuwandeln. Die zuständige Behörde lehnte diesen Antrag jedoch ab. Begründet wurde die Ablehnung damit, dass sich durch die zusätzliche Lieferfunktion der Schwerpunkt des Geschäfts deutlich ändern würde, zumal mit dieser Änderung auch geänderte Anforderungen an öffentlich-rechtliche Vorschriften verbunden wären. Die geplante Änderung würde zudem neue Lärmemissionen mit sich bringen, die in dem betreffenden Wohngebiet nicht zulässig wären.

Die Pizzeria reichte daraufhin Klage ein, doch das Verwaltungsgericht Ansbach wies deren Klage ab. Die Pizzeria argumentierte damals, dass die Umwandlung in eine Pizzeria mit Lieferservice lediglich eine kleine, zeitgemäße Anpassung an die aktuellen Verhältnisse darstellen würde und daher keine Genehmigung erforderlich sein sollte. Erfahrungsgemäß werde das Angebot zur Selbstabholung durch gebietsnahe Anwohner realisiert. Der Begriff Lieferservice beinhalte, dass gerade das nahe Umfeld beliefert werde und eben nicht das ganze Stadtgebiet. Betriebswirtschaftlich sei denn auch allenfalls eine Lieferzeit von 4-5 Minuten vertretbar. Baugenehmigung, um den Betrieb in eine Pizzeria mit Lieferservice umzuwandeln

Doch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sah das anders. Er bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und erklärte, dass die Ausweitung des Betriebs auf einen Lieferservice tatsächlich eine erhebliche Änderung der Nutzung darstellen würde, für die eine Genehmigung erforderlich sei.

Zudem erklärte das Gericht, dass eine Pizzeria mit Lieferservice in einem allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich unzulässig sei. Da der Schwerpunkt der Tätigkeit im Zweifel auf der Auslieferung von Essen läge, kann der Betrieb nicht mehr als reine Schank- und Speisewirtschaft angesehen werden.  Ein wie immer gearteter Anspruch auf Genehmigung einer Pizzeria mit Lieferservice in einem „Allgemeinen Wohngebiet“ bestehe nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht. Dieses verdeutlicht die rechtlichen Herausforderungen, die sich bei einer vermeintlich marginalen Betriebserweiterung ergeben können.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 19.4.2023; AZ – 9 ZB 22.1495 –

Foto: Strassi

Brautpaar muss Fotografin auch nach Pandemie-bedingter Absage der Hochzeit vergüten

Im Kontext der mehr oder weniger aktuellen Geschehnisse um die Pandemie war der Bundesgerichtshof mit einem Fall konfrontiert, der viele Hochzeitspaare (aber nicht nur die) und Dienstleister gleichermaßen betreffen dürfte. Inmitten der Corona-Pandemie war ein Brautpaar gezwungen, seine geplante Hochzeitsfeier zu verschieben, was Auswirkungen auf das Verhältnis zu ihrer gebuchten Fotografin hatte. Was bewirkt solch eine Absage im Vertragsverhältnis?

Im Kern des Konflikts stand die Anzahlung, die das Brautpaar der Fotografin bereits geleistet hatte. Wegen der durch die Pandemie bedingten Verlegung des Hochzeitstermins verlangten sie diese zurück. Zudem behaupteten sie, der Fotografin stünden keine weiteren Vergütungsansprüche zu, da sie ja den Vertrag gekündigt hätten. Wie steht es also nun um den Vergütungsanspruch von Hochzeitsfotografen (genauso natürlich auch anderer Dienstleister) trotz Pandemie-bedingter Absage?Absage von Dienstleistern - Vergütung?

Obwohl die Hochzeitsfeier aufgrund der Corona-bedingten Beschränkungen nicht im geplanten Umfang durchgeführt werden konnte, stellte der BGH in seinem Urteil vom April 2023 fest, dass dies die Fotografin letzten Endes nicht an der Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen hindere. Der zuständige Bundesgerichtshof urteilte, dass trotz der geltenden landesrechtlichen Vorschriften zur Pandemie die Möglichkeit bestanden hatte, fotografische Leistungen für eine kirchliche Hochzeit und eine Hochzeitsfeier zu erbringen.

Die Entscheidung des Brautpaares anschließend einen anderen Fotografen zu beauftragen, wurde denn auch von dem Gericht als irrelevant angesehen. Dies allein begründe kein Recht auf Vertragsrücktritt oder auf Rückzahlung der Anzahlung. Die Kündigung des Vertrages durch das Brautpaar wurde von den Richtern daher als eine freie Kündigung interpretiert. Daraus entstände für die Fotografin durchaus ein Vergütungsanspruch. Deshalb wurde der Rückzahlungsanspruch des Brautpaares abgelehnt und eine negative Feststellungsklage als unbegründet erklärt.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs gibt damit eine wichtige Orientierung für vergleichbare Fälle vor. Das Urteil verdeutlicht, dass auch in Zeiten von Pandemie-bedingten Unsicherheiten und Änderungen die vertraglichen Verpflichtungen zwischen den Parteien ihre Gültigkeit behalten.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.4.2023; AZ – VII ZR 144/22 –

Foto: Africa Studio

Steuerauswirkungen bei Verkauf der Familien-Immobilie nach einer Scheidung

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom Februar 2023 könnte für geschiedene Paare, die gemeinsam eine Immobilie besitzen, als sehr elementar herausstellen. In diesem Fall entschied der BFH, dass der Verkauf eines Miteigentumsanteils an der gemeinsamen Immobilie nach der Scheidung an den früheren Ehepartner als privates Veräußerungsgeschäft steuerpflichtig sein kann.

Die Situation, die zu dieser Entscheidung führte, war folgende: Ein Paar kaufte 2008 ein Einfamilienhaus und lebte dort mit ihrem gemeinsamen Kind. Als die Ehe 2015 in eine Krise geriet, zog der Ehemann aus. Die Ehefrau und das gemeinsame Kind blieben in der Immobilie. Nach der Scheidung stritten die beiden über die Immobilie, es drohte eine Zwangsversteigerung – und der Ehemann verkaufte schließlich 2017 seinen hälftigen Miteigentumsanteil an die Ehefrau. Das Finanzamt stufte den Gewinn aus dem Verkauf als steuerpflichtig ein, und das Finanzgericht wies die dagegen erhobene Klage ab.

Verkauf der Familien-Immobilie nach einer ScheidungDas Urteil des BFH bestätigte diese Entscheidung. Die Richter stellten fest, dass ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft vorliegt, wenn eine Immobilie innerhalb von 10 Jahren gekauft und wieder verkauft wird. Dies gilt auch für einen hälftigen Miteigentumsanteil, der nach einer Ehescheidung von einem Miteigentümer an den anderen verkauft wird. Die Veräußerung einer Immobilie ist in der Regel nicht steuerpflichtig, wenn sie durchgehend zwischen dem Kauf und dem Verkauf oder im Jahr des Verkaufs und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. In diesem Fall aber zog der Ehemann aus, und nur die geschiedene Ehefrau und das gemeinsame Kind wohnten weiterhin dort.

Es gab auch keine Zwangslage, die das private Veräußerungsgeschäft ausschließen würde, wie z.B. bei einer Enteignung oder Zwangsversteigerung (die zumindest „angedroht“ wurde). Obwohl die geschiedene Ehefrau ihren Ex-Partner erheblich unter Druck gesetzt hatte, verkaufte er seinen Anteil an dem Einfamilienhaus letztlich freiwillig an seine geschiedene Frau.

Diese Entscheidung unterstreicht, wie wichtig es ist, die steuerlichen Auswirkungen von Entscheidungen im Rahmen einer Scheidung zu berücksichtigen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.2.2023; AZ – IX R 11/21–

Foto: VRD

Verzicht auf Zwangsgeld bei Vernachlässigung der Heckenpflege

Wenn Nachbarn sich im Streit um den Rückschnitt von Hecken einigen und einer der Beteiligten der übernommenen Verpflichtung nicht nachkommt, kann das natürlich schnell zum Streit vor Gericht ausarten. Dazu hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einer Entscheidung vom März 2023 eine richtungsweisende Klarstellung vorgenommen.

In dem Fall verpflichtete sich ein Nachbar, die Hecke auf seiner Seite, die sich über die Länge der überdachten Terrasse des anderen Nachbarn erstreckt, auf eine Höhe von 2,50 Metern zu kürzen und diese Höhe beizubehalten. Der andere Nachbar beschwerte sich, dass die Verpflichtung nicht erfüllt wurde und beantragte ein Zwangsgeld gegen die nachlässige Partei. Das Landgericht stimmte diesem Antrag zu und verhängte ein Zwangsgeld von 500 Euro, ersatzweise bei fehlender Beitreibbarkeit einen Tag Zwangshaft.

Zwangsgeld bei Vernachlässigung der HeckenpflegeDie Entscheidung des Landgerichts wurde jedoch von den Richtern des  Oberlandesgericht Frankfurt am Main in Frage gestellt. Es entschied, dass das verhängte Zwangsgeld zur Durchsetzung der vereinbarten Verpflichtung rechtswidrig sei. Der Grund dafür ist, dass der Rückschnitt der Bepflanzung nicht persönlich von dem nachlässigen Nachbarn durchgeführt werden muss, sondern auch von Dritten erfolgen kann. Damit handelt es sich um eine sogenannte vertretbare Handlung. In den Augen des Gerichts war es für die Hausnachbarn, die das Zwangsgeld beantragt hatte, rechtlich und wirtschaftlich irrelevant, wer die Arbeit durchführt.

Diese Partei könnte daher beantragen, die erforderlichen Maßnahmen – immer unter Beachtung der naturschutzrechtlichen Grenzen – selbst durchzuführen. Sollte für die Durchführung der Arbeiten das Betreten des Grundstücks des nachlässigen Nachbarn erforderlich sein, könnte das Gericht auch eine entsprechende Duldungspflicht festlegen.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ist nicht anfechtbar und hat mit seinem Urteil dadurch eine durchaus richtungsweisende Entscheidung getroffen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 24.3.2023; AZ –26 W 1/23 –

Foto: U. J. Alexander

BGH-Urteil zum Annahmeverzug: Fristlose Kündigung bei angebotener Weiterbeschäftigung ist unwirksam

Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BGH) wirft ein neues Licht auf das komplexe Thema fristloser Kündigung und Annahmeverzug. Annahmeverzug bezeichnet eine Situation, in der ein Arbeitgeber die Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers nicht annimmt, obwohl dieser leistungsbereit und -fähig ist. In dem betreffenden Fall war ein technischer Leiter von seiner Arbeitgeberin zunächst fristlos gekündigt und anschließend ein neuer Arbeitsvertrag als Softwareentwickler zu verminderten Bezügen angeboten worden. Der Mitarbeiter lehnte dieses Angebot ab und blieb der Arbeit fern. Daraufhin erfolgte eine erneute Kündigung, diesmal „außerordentlich“.

Die Beurteilung in diesem Fall des BGH mit seinem Urteil vom März 2023 verdeutlicht, dass eine Kündigung, die im Widerspruch zu einem gleichzeitig angebotenen Weiterbeschäftigungsvertrag steht, als unwirksam betrachtet werden kann. So wurde in dem betreffenden Fall entschieden, dass beide Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht beendeten.

Kündigung und AnnahmeverzugDes Weiteren wurde deutlich, dass die Ablehnung eines solchen “Angebots” nicht zwingend auf einen fehlenden Leistungswillen des Mitarbeiters schließen lässt. Im vorliegenden Fall hatte der Mitarbeiter aufgrund der gegen ihn erhobenen Vorwürfe und der Herabwürdigung seiner Person begründeten Grund, eine Weiterbeschäftigung abzulehnen.

Im Rahmen des diskutierten Falles ist besonders bemerkenswert, wie das Gericht den Antrag des Mitarbeiters auf vorläufige Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses beurteilt hat. In vielen Fällen könnte eine solche Anfrage als Widerspruch oder gar Zustimmung zu der Kündigung interpretiert werden. Allerdings hat das Gericht in diesem speziellen Fall eine differenzierte Betrachtung vorgenommen.

Es wurde festgestellt, dass der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung nicht als Zustimmung zur Kündigung oder gar als Hinweis auf eine Zustimmung zu den veränderten Arbeitsbedingungen zu verstehen ist. Vielmehr zielt eine solche Anfrage auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach einer festgestellten Unwirksamkeit der Kündigungen ab.

Das bedeutet, der Mitarbeiter beabsichtigte mit seinem Antrag, seine Tätigkeit fortzusetzen, falls das Gericht zu dem Schluss kommen würde, dass die Kündigungen unwirksam waren. Dies ist eine subtile, aber sehr wichtige Unterscheidung, da sie zeigt, dass der Wunsch nach Weiterbeschäftigung in solchen Fällen nicht zwangsläufig als Zustimmung zu den Bedingungen oder der Legitimität der Kündigung gesehen werden muss.

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung sorgfältig formulierter Kündigungen und die Wichtigkeit von Verträgen, die in Einklang mit den Umständen der Kündigung stehen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.03.2023; AZ – 5 AZR 255/22 –

Foto: Jeanette Dietl

Eigenbedarfsdeckung durch Kleinwindkraftanlagen: Bevorzugte Zulassung im Außenbereich

Eine Installation von Kleinwindkraftanlagen (KWEA), die zur Eigenstromversorgung dienen, kann im Außenbereich bevorzugt genehmigt werden. Diese Tatsache wurde durch ein Urteil vom Februar 2023 am Verwaltungsgericht Koblenz bestätigt – unabhängig davon, ob der mit den KWEA produzierte Strom zur Eigennutzung oder zur Einspeisung in das öffentliche Netz genutzt wird.

Im konkreten Fall beantragten Grundstückseigentümer, deren Grundstück im Außenbereich liegt, einen Bauvorbescheid zur Installation von vier KWEA mit einer Höhe von jeweils 6,5 Metern. Die Antragsteller planten einen umweltfreundlichen Imkereibetrieb zu betreiben, der durch den von den KWEA erzeugten Strom versorgt werden sollte. Die Genehmigung wurde zunächst abgelehnt, da die Behörde argumentierte, dass privilegierte Windenergieanlagen ausschließlich der öffentlichen Versorgung dienen müssen – und es den Antragstellern nicht darum ginge, den erzeugten Strom ins öffentliche Netz einzuspeisen. Bevorzugte Zulassung von KWEA

Die Eigentümer argumentierten hingegen, dass ihr Projekt keine Genehmigung benötige, da es einem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Sie beharrten darauf, dass ihr Vorhaben auch ohne die Erlaubnis der Behörden fortgesetzt werden könne.

Das Verwaltungsgericht in Koblenz bestätigte teilweise die Ansichten der Eigentümer. Es stellte klar, dass das Projekt zwar genehmigungspflichtig sei, da es nicht als landwirtschaftlicher Betrieb im herkömmlichen Sinne angesehen werden könne. Das Gericht stellte jedoch fest, dass die Errichtung von Kleinwindkraftanlagen trotzdem privilegiert sei, weil sie der Nutzung der Windenergie dient. Sowohl dem Wortlaut als auch der Systematik der gesetzlichen Vorschrift lasse sich ein Ausschluss von Kleinwindenergieanlagen zur Deckung des Eigenbedarfs nicht entnehmen. Schließlich spreche auch der Sinn und Zweck des Privilegierungstatbestandes – die Förderung der Windenergie als positiven Beitrag zum Klimaschutz – für dieses Verständnis. Die Nutzung von Windenergie trage positiv zum Klimaschutz bei, was der Grund dafür sei, dass solche Projekte bevorzugt behandelt werden. Im konkreten Fall wurden keine öffentlichen Belange festgestellt, die gegen das Projekt sprechen könnten. Die Anlagen würden das Landschaftsbild nicht (erheblich) beeinträchtigten, insbesondere, da die Antragsteller anboten die Farbe der KWEA an die umliegenden Bäume anzupassen.

Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 27.2.2023; AZ – 1 K 604/22.KO –

Foto: TimSiegert-batcam