Freistellung nach Kündigung: Bundesarbeitsgericht stärkt Arbeitnehmerrechte

Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom Februar 2025 eine wichtige Entscheidung zur Freistellung nach Kündigung getroffen. Die Richter entschieden eindeutig: Gekündigte Arbeitnehmer, die ihr Arbeitgeber von der Arbeit freistellt, haben keine Verpflichtung, sich sofort um einen neuen Arbeitsplatz zu bemühen.

Der Fall betraf einen „Senior Consultant“, der seit November 2019 bei seinem Arbeitgeber tätig war und monatlich 6.440 Euro brutto verdiente. Ende März 2023 erhielt er die ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2023. Gleichzeitig stellte das Unternehmen ihn unwiderruflich von jeglicher Arbeitsleistung frei. Das Arbeitsgericht und später auch das Landesarbeitsgericht gaben der Kündigungsschutzklage des Betroffenen denn auch recht.

Die besondere Brisanz des Falls lag in der Frage der Jobsuche während der Freistellung. Der gekündigte Mitarbeiter meldete sich Anfang April 2023 arbeitssuchend. Die Arbeitsagentur übersandte ihm erst Anfang Juli erste Vermittlungsvorschläge. Sein ehemaliger Arbeitgeber hingegen schickte ihm bereits im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 Stellenangebote von Jobportalen und Unternehmen zu. Der Arbeitnehmer bewarb sich erst Ende Juni auf sieben dieser Angebote.

Gekündigte Arbeitnehmer, die ihr Arbeitgeber von der Arbeit freistellt, haben keine Verpflichtung, sich sofort um einen neuen Arbeitsplatz zu bemühen.Das Unternehmen argumentierte, der freigestellte Mitarbeiter hätte sich zeitnah auf die übersandten Stellenangebote bewerben müssen. Da er dies unterlassen habe, müsse er sich fiktiven Verdienst anrechnen lassen. Diese Argumentation verwarf das Bundesarbeitsgericht ganz deutlich. Eine Freistellung nach Kündigung beinhaltet nicht eine aktive Arbeitssuche der Betroffenen.

Die Karlsruher Richter stellten klar: Der Arbeitgeber befand sich aufgrund der einseitig erklärten Freistellung im Verzug. Daher schuldet er unzweifelhaft dem gekündigten Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung für die gesamte Kündigungsfrist. Einen nicht erzielten Verdienst braucht der Betroffene nicht anzurechnen.

Entscheidend war dabei die Beurteilung nach Treu und Glauben. Das Gericht betonte, dass der Nachteil einer fiktiven Anrechnung tatsächlich aber nicht erworbenen Verdienstes nur gerechtfertigt wäre, wenn der Arbeitnehmer wider Treu und Glauben untätig geblieben wäre. Da das Unternehmen nicht darlegen konnte, dass ihm die Erfüllung eines Beschäftigungsanspruchs unzumutbar gewesen wäre, bestand für den Arbeitnehmer keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung des Arbeitgebers ein neues Beschäftigungsverhältnis einzugehen.

Diese Entscheidung stärkt die Position von Arbeitnehmern erheblich. Unternehmen können nicht gleichzeitig ihre Mitarbeiter freistellen und erwarten, dass diese sofort neue Jobs antreten. Das Urteil schafft Rechtssicherheit und schützt gekündigte Arbeitnehmer vor unrealistischen Erwartungen ihrer ehemaligen Arbeitgeber.

Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 12.2.2025; AZ – 5 AZR 127/24 –

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Bewertung von Krankschreibungen aus Nicht-EU-Ländern

Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom Januar 2025 bringt wichtige Klarstellungen zur Beweiskraft von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die in Ländern außerhalb der Europäischen Union ausgestellt wurden. Grundsätzlich stellt das Gericht fest, dass solche Bescheinigungen denselben Beweiswert haben wie in Deutschland ausgestellte Atteste, sofern erkennbar ist, dass eien solche Krankschreibungen aus Nicht-EU-Ländern der Arzt vor Ort zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterschieden hat.

Der Fall betraf einen Lagerarbeiter, der seit 2002 bei seinem Arbeitgeber tätig war. Er verbrachte seinen Urlaub 2022 in Tunesien und meldete sich kurz vor Urlaubsende krank. Ein tunesischer Arzt bescheinigte ihm „schwere Ischiasbeschwerden“ und verordnete 24 Tage strenge häusliche Ruhe mit Reiseverbot bis Ende September 2022. Bereits einen Tag nach dieser Bescheinigung buchte der Arbeitnehmer jedoch ein Fährticket und reiste am 29. September – also während der attestierten Arbeitsunfähigkeit und des Reiseverbots – mit seinem PKW über Italien nach Deutschland zurück. Eine Stärkung der Position bei Zweifeln an ausländischen Krankschreibungen, insbesondere wenn diese in zeitlichem Zusammenhang mit Urlauben.

Das Bundesarbeitsgericht betonte, dass bei der Bewertung einer Krankschreibungen aus Nicht-EU-Ländern eine Gesamtbetrachtung aller Umstände notwendig ist. Mehrere Aspekte führten in diesem Fall dazu, dass der Beweiswert der Bescheinigung erschüttert wurde: Die lange Krankschreibungsdauer ohne angeordnete Wiedervorstellung, die Buchung der Rückreise trotz attestiertem Bewegungs- und Reiseverbot sowie die Tatsache, dass der Arbeitnehmer bereits in den Jahren zuvor mehrfach unmittelbar nach seinem Urlaub Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt hatte.

Das Gericht stellte klar, dass einzelne dieser Umstände für sich genommen unbedenklich sein mögen. In ihrer Gesamtheit begründeten sie jedoch ernsthafte Zweifel an der Beweiskraft des Attests. Dies hat weitreichende Folgen für die Beweislast: Der Arbeitnehmer trägt nun die volle Darlegungs- und Beweislast für das tatsächliche Bestehen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, um seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung durchzusetzen.

Für Arbeitgeber bedeutet diese Entscheidung eine Stärkung ihrer Position bei Zweifeln an ausländischen Krankschreibungen, insbesondere wenn diese in zeitlichem Zusammenhang mit Urlauben stehen. Sie müssen jedoch weiterhin konkrete Umstände darlegen, die in ihrer Gesamtheit die Zweifel begründen. Eine pauschale Ablehnung ausländischer Atteste ist nicht zulässig. Für Arbeitnehmer hingegen unterstreicht das Urteil die Notwendigkeit, bei Erkrankungen im Ausland alle ärztlichen Anweisungen strikt zu befolgen und widersprüchliche Handlungen zu vermeiden.

Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 15.1.2025; AZ – 5 AZR 284/24 –

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Verzicht auf Mindesturlaub oder Abgeltung während Arbeitsverhältnis unzulässig

Das Bundesurlaubsgesetz regelt den gesetzlichen Mindesturlaub und die entsprechende Urlaubsabgeltung für Arbeitnehmer. Diese Ansprüche sollen während des bestehenden Arbeitsverhältnisses unverzichtbar sein. Eine vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die den Verzicht auf den Mindesturlaub oder dessen Abgeltung vorsieht, ist somit nicht zulässig, solange das Arbeitsverhältnis andauert. Erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eröffnet sich die Möglichkeit eines Verzichts.

Dieser Grundsatz wurde durch ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom April 2024 bekräftigt. Im zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien eines Arbeitsvertrags im Januar 2023 vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis zum 30.4.2023 enden und sämtliche Urlaubsansprüche als in Natur gewährt gelten sollten. Der Arbeitnehmer konnte im Jahr 2023 krankheitsbedingt keinen Urlaub nehmen. Trotz der getroffenen Vereinbarung klagte er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Urlaubsabgeltung – und erhielt sowohl in erster als auch in zweiter Instanz Recht.

Der gesetzliche Mindesturlaub und die Urlaubsabgeltung sind während des Arbeitsverhältnisses unverzichtbar.Das Landesarbeitsgericht begründete seine Entscheidung mit dem Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen. Diese sollen sicherstellen, dass der Anspruch auf den Mindesturlaub und dessen Abgeltung während des laufenden Arbeitsverhältnisses gewahrt bleiben. Eine Vereinbarung, die diese Ansprüche ausschließt oder beschränkt, würde den Schutzzweck verfehlen.

Die Richter stellten klar, dass der Zeitpunkt der getroffenen Vereinbarung entscheidend ist. Da diese im Januar 2023 und somit während des laufenden Arbeitsverhältnisses geschlossen wurde, war sie unzulässig. Unerheblich sei dabei, dass das bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt bereits feststand.

Auch einen sogenannten Tatsachenvergleich, bei dem sich das Nachgeben auf eine Ungewissheit im Tatsächlichen bezieht, verneinte das Gericht. Ein solcher Vergleich könne sich nicht auf eine völlig unstreitige Forderung beziehen. Im vorliegenden Fall habe kein Streit über die Anzahl der aufgrund der Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Jahr 2023 noch nicht gewährten Urlaubstage bestanden. Das Entstehen, der Umfang und die Nichterfüllung der gesetzlichen Urlaubsansprüche seien unstrittig gewesen.

Das Urteil unterstreicht den hohen Stellenwert des gesetzlichen Mindesturlaubs und der entsprechenden Urlaubsabgeltung. Diese stehen während des Arbeitsverhältnisses nicht zur Disposition der Vertragsparteien. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können nicht einvernehmlich auf diese Ansprüche verzichten. Erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht die Möglichkeit einer abweichenden Vereinbarung.

Die Entscheidung schafft Klarheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer: Der gesetzliche Mindesturlaub und die Urlaubsabgeltung sind während des Arbeitsverhältnisses unverzichtbar. Eine Vereinbarung, die hiervon abweicht, ist unwirksam – unabhängig davon, ob das Ende des Arbeitsverhältnisses bereits feststeht. Erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses können die Parteien über einen Verzicht disponieren.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 11.4.2024; AZ –  7 Sa 516/23 –

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Aufbewahrungspflicht für Abmahnungen nach Ende des Arbeitsverhältnis

Eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Sachsen vom März 2023 befasst sich mit der Frage, ob ehemalige Mitarbeiter die Entfernung von Abmahnungen aus ihrer in Papierform geführten Personalakte verlangen können. Der Fall betraf eine Sachbearbeiterin, die nach Ende ihres Arbeitsverhältnisses im Jahr 2020 die Beseitigung zweier Abmahnungen aus ihrer Personalakte forderte.

Das Gericht lehnte diesen Anspruch grundsätzlich ab. Generell müssen Arbeitgeber nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses keine Abmahnungen aus den Personalunterlagen entfernen. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn nachweislich konkrete Nachteile für den ehemaligen Mitarbeiter durch den Verbleib der Abmahnung in der Akte entstehen können. Die Beweislast für solche möglichen Nachteile liegt bei den ehemaligen Mitarbeitern.

Diese gerichtliche Entscheidung verdeutlicht so ganz klar die unterschiedliche rechtliche Behandlung von digitalen und analogen Personalakten. Besonders interessant ist die Bewertung des datenschutzrechtlichen Aspekts durch das Gericht. Bei Personalakten in Papierform greift die Datenschutzgrundverordnung nicht. Der Grund: Diese Verordnung bezieht sich ausschließlich auf strukturierte Dateisysteme. Konventionell geführte Akten, die nicht nach speziellen Kriterien geordnet sind, fallen nicht in ihren Anwendungsbereich.

Das Gericht betont dabei einen wichtigen Grundsatz: Bei der Führung von Personalakten steht die Vollständigkeit im Vordergrund – nicht die Datensparsamkeit. Diese Entscheidung stärkt die Position der Arbeitgeber bei der Aufbewahrung von Personalunterlagen und schafft Rechtssicherheit für den Umgang mit Abmahnungen nach Beendigung von Arbeitsverhältnissen.

Diese gerichtliche Entscheidung verdeutlicht so ganz klar die unterschiedliche rechtliche Behandlung von digitalen und analogen Personalakten. Während bei digitalen Systemen die strengen Regeln der Datenschutzgrundverordnung greifen, gelten für Papierakten die klassischen arbeitsrechtlichen Grundsätze.

Landesarbeitsgericht Sachsen, Urteil vom 31.03.2023; Az– 4 Sa 117/21 –

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Gesundheitsdaten bei Medizinischen Diensten: Prüfung eigener Mitarbeiter zulässig

Eine durchaus wegweisend zu nennende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom Juni 2024 hat die rechtliche Situation zur Verarbeitung von Gesundheitsdaten durch Medizinische Dienste erheblich konkretisiert. Der Fall eines IT-Mitarbeiters beim Medizinischen Dienst Nordrhein brachte grundlegende Fragen zur Handhabung sensibler Gesundheitsinformationen zur Klärung.

Nach der aktuellen Rechtsprechung dürfen Medizinische Dienste die Arbeitsunfähigkeit ihrer eigenen Mitarbeiter prüfen und entsprechende Gutachten erstellen. Die Besonderheit liegt darin, dass der beauftragte Medizinische Dienst dabei die Gesundheitsdaten des eigenen Personals verarbeiten darf. Diese Befugnis besteht auch dann, wenn einzelne Mitarbeiter des Dienstes im Rahmen ihrer Tätigkeit Zugang zu den entsprechenden Daten erhalten.

Der konkrete Fall verdeutlicht die praktische Umsetzung: Ein langzeiterkrankter Systemadministrator des Medizinischen Dienstes wurde durch eine Gutachterin des eigenen Arbeitgebers begutachtet. Die rechtliche Bewertung ergab, dass die getroffenen Schutzmaßnahmen ausreichend waren. Diese umfassten die Einrichtung spezieller Organisationseinheiten, ein IT-gestütztes Berechtigungskonzept sowie die Beschränkung der Zugriffsrechte auf einen eng begrenzten Personenkreis. Medizinische Dienste dürfen Gesundheitsdaten eigener Mitarbeiter prüfen.

Bemerkenswert ist die Feststellung, dass ein Arbeitgeber in der Position eines Medizinischen Dienstes nicht garantieren muss, dass keinerlei andere Beschäftigte Zugang zu den Gesundheitsdaten haben. Entscheidend ist vielmehr die Implementierung angemessener Schutzmaßnahmen. Dazu gehören die Einrichtung gesonderter Organisationseinheiten, die Verwendung personalisierter Softwarezertifikate und die strikte Begrenzung der Zugriffsrechte nach dem Erforderlichkeitsprinzip.

Die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung stützt sich auf die berufliche Schweigepflicht und das Sozialgeheimnis, dem alle beteiligten Mitarbeiter unterliegen. Diese Verpflichtungen gelten auch im internen Verhältnis zwischen den Mitarbeitern des Medizinischen Dienstes. Die getroffenen organisatorischen und technischen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheitsdaten erfüllen dabei die rechtlichen Anforderungen an Integrität und Vertraulichkeit.

Ein spezieller Aspekt des Falls betrifft die Kommunikation zwischen den beteiligten Ärzten. Die Gutachterin holte telefonisch Auskünfte beim behandelnden Arzt des Mitarbeiters ein. Diese Vorgehensweise wurde vom Gericht als rechtmäßig eingestuft und gehört zum erforderlichen Umfang der Datenverarbeitung bei der Gutachtenerstellung. Selbst der Umstand, dass die IT-Abteilung des Medizinischen Dienstes standortübergreifend Zugriffsmöglichkeiten hatte, wurde nicht als problematisch eingestuft, solange die Zugriffe ausschließlich zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erfolgten.

Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit für die organisatorische Gestaltung der Begutachtungsprozesse in Medizinischen Diensten. Sie bestätigt die Zulässigkeit der internen Begutachtung bei ausreichenden Schutzmaßnahmen und verdeutlicht die Grenzen der erforderlichen Datenschutzvorkehrungen. Bemerkenswert ist auch die Feststellung des Gerichts, dass der einzige nachgewiesene Fall eines unberechtigten Zugriffs auf die Initiative des betroffenen Mitarbeiters selbst zurückging, was die Wirksamkeit der implementierten Schutzmaßnahmen zusätzlich unterstreicht.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2024; AZ– 8 ARZ 253/20 –

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EuGH-Urteil: Transparente Kündigungsgründe auch bei befristeten Arbeitsverträgen

In seinem Urteil vom Februar 2024 betont der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Recht befristet beschäftigter Arbeitnehmer auf Information über Kündigungsgründe, wenn diese Information auch Dauerbeschäftigten mitgeteilt wird. Diese Entscheidung stellt klar, dass eine nationale Regelung, die nur unbefristet Beschäftigten die Gründe für eine Kündigung offenlegt, gegen das Grundrecht befristeter Arbeitnehmer auf einen wirksamen Rechtsbehelf verstößt.

In konkreten Fall ging es um einen befristet angestellten Arbeitnehmer in Polen, dessen Vertrag ohne Angabe von Kündigungsgründen beendet wurde. Der Arbeitnehmer argumentierte, dass die fehlende Begründung der Kündigung eine Diskriminierung darstelle, da nach polnischem Recht bei der Kündigung unbefristeter Verträge eine Begründung erforderlich ist. Das polnische Gericht fragte den EuGH, ob diese unterschiedlichen Anforderungen mit dem Unionsrecht, insbesondere der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, vereinbar seien.

EuGH-Urteil zu Gunsten befristet angestellter Arbeitnehmer Der EuGH entschied, dass die Rahmenvereinbarung darauf abzielt, die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse durch den Grundsatz der Nichtdiskriminierung zu verbessern. Wenn befristet Beschäftigten die Gründe für ihre Kündigung nicht mitgeteilt werden, fehlt ihnen eine wesentliche Information zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung. Diese Ungleichbehandlung benachteiligt klar erkennbar befristet Beschäftigte und verletzt ihr Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, wie er durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert wird.

Das polnische Recht, das keine Mitteilung der Kündigungsgründe bei befristeten Verträgen vorsieht, stellt somit eine Benachteiligung dar. Der EuGH betonte jedoch, dass es Aufgabe des nationalen Gerichts sei zu prüfen, ob der befristet Beschäftigte in einer vergleichbaren Situation wie ein unbefristet Beschäftigter ist. Zudem wurde festgestellt, dass die temporäre Natur eines befristeten Arbeitsverhältnisses keine schlechtere Behandlung rechtfertigt und die Flexibilität solcher Verträge durch die Mitteilung der Kündigungsgründe nicht beeinträchtigt wird.

Das nationale Gericht muss also sicherstellen, dass das Unionsrecht vollständig zur Anwendung kommt. Sollte das nationale Recht nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden können, ist das Gericht verpflichtet, die nationale Regelung soweit unangewendet zu lassen, um die Wirksamkeit des Grundrechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf zu gewährleisten.

Dieses Urteil des EuGH unterstreicht die uneingeschränkte Bedeutung der Gleichbehandlung von befristet und unbefristet Beschäftigten in Bezug auf die Mitteilung von Kündigungsgründen. Nationale Regelungen, die diese Gleichbehandlung nicht gewährleisten, verstoßen gegen Unionsrecht und die Grundrechte-Charta. Arbeitgeber sollten daher ihre internen Prozesse und Richtlinien überprüfen, um sicherzustellen, dass sie den Anforderungen des EuGH-Urteils entsprechen und somit sowohl den Rechten der Arbeitnehmer als auch den rechtlichen Vorgaben gerecht werden.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 20.2.2024; AZ –  C-715/20 –

Foto:  Jeanette Dietl

Glatteis und Arbeitsweg: Was Arbeitnehmer wissen müssen

In der kalten Jahreszeit stellt sich für viele Arbeitnehmer die Frage, ob sie bei schwierigen Witterungsbedingungen zur Arbeit erscheinen müssen oder ob sie alternativ im Homeoffice arbeiten dürfen. Ist es also bei Glatteis für Arbeitnehmer deutlich, was ihre Optionen sind? Die rechtlichen Grundlagen in dieser Situation sind tatsächlich klar definiert.

Grundsätzlich sind Arbeitnehmer verpflichtet, ihren Arbeitsplatz zu erreichen, unabhängig von jeglichen Wetterbedingungen. Dies beinhaltet das Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen, um den Arbeitsplatz pünktlich zu erreichen, auch bei schlechten Witterungsverhältnissen wie Glatteis. Fällt ein gewohntes Verkehrsmittel aus, liegt es in der Verantwortung des Arbeitnehmers, alternative Wege zu finden. Eine „Arbeitsverweigerung“ aufgrund von Glatteis ist somit rechtlich nicht gerechtfertigt.

Kommt ein Arbeitnehmer aufgrund von Glatteis zu spät zur Arbeit, droht zwar nicht gleich eine Kündigung, jedoch können wiederholte Verspätungen zu Abmahnungen führen. Und: In der Zeit der Verspätung besteht kein Anspruch auf Lohn, und der Arbeitgeber kann auch verlangen, dass verlorene Zeit nachgearbeitet wird. In manchen Fällen kann es sogar zu einer Lohnkürzung kommen. Diese Regelungen gelten übrigens auch für Arbeitnehmer, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Ein Ausfall aufgrund von Witterungsbedingungen ist also auch keine Grund nicht zu erscheinen.

Fahrt zur Arbeit: Ist es bei Glatteis für Arbeitnehmer deutlich, was ihre Optionen sind?Interessant ist auch der rechtliche Schutz bei Unfällen auf dem Weg zur Arbeit. Tritt ein Unfall auf diesem Weg auf, gilt dies als Arbeitsunfall, der von der Berufsgenossenschaft abgesichert ist. Dies umfasst die Behandlungskosten und eventuell eine Verletztenrente. Der Versicherungsschutz beginnt mit dem Verlassen des Hauses und erstreckt sich über den gesamten Arbeitsweg, inklusive Umwege, die eventuell aufgrund von Glatteis erforderlich sind.

Ein automatischer Anspruch auf Homeoffice bei Glatteis existiert also nicht. Auch wenn die Tätigkeit grundsätzlich im Homeoffice ausgeführt werden könnte, darf der Arbeitnehmer nicht eigenmächtig entscheiden, von zu Hause aus zu arbeiten, es sei denn, es besteht eine entsprechende, klar formulierte Vereinbarung. Eine Ausnahme bildete die Homeoffice-Pflicht während der Pandemie, bei der Arbeitgeber angehalten waren, Homeoffice anzubieten. Aktuell (Ende 2023) gibt es jedoch keine rechtlichen Verpflichtungen oder Rechte auf Homeoffice aufgrund von Wetterbedingungen.

Insgesamt zeigt sich, dass Arbeitnehmer bei Glatteis weiterhin die Verantwortung tragen, ihren Arbeitsplatz zu erreichen. Eine flexible Handhabung, wie das Angebot von Homeoffice, hängt von der jeweiligen Unternehmenspolitik und individuellen Vereinbarungen ab.

Arbeitnehmer stehen damit klar in der Pflicht sich vorausschauend zu informieren, wie am nächsten Arbeitstag die Wetter- und Verkehrslage sein wird. Abgesehen von der rechtlichen Situation, dürfte es sinnvoll sein, rechtzeitig zu sprechen und schon vorab („Kann ich wegen Glatteis morgen Homeoffice machen?“) mit der Geschäftsführung eine mündliche Vereinbarung vorzunehmen.

Foto: Wolfilser

Bundesarbeitsgericht: Datenschutz und Videoüberwachung im Kündigungsschutzprozess kein Widerspruch

Das Bundesarbeitsgericht hat im Juni 2023 in einem Fall geurteilt, der viele Arbeitsverhältnisse betrifft: Die Verwertung von Videoaufnahmen in Kündigungsschutzprozessen. Konkret ging es um einen Arbeitnehmer, der zuletzt als Teamsprecher in einer Gießerei tätig war. Ihm wurde vorgeworfen, eine Mehrarbeitsschicht nicht geleistet, jedoch eine Vergütung dafür erhalten zu haben. Videoaufzeichnungen sollten dies belegen. Der Arbeitnehmer argumentierte, dass die Videoüberwachung nicht vollständig den Datenschutzbestimmungen entsprach und daher nicht als Beweismittel verwendet werden dürfe.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, dass solche Aufzeichnungen verwertet werden dürfen, selbst wenn sie nicht vollständig datenschutzkonform sind. Die Hauptbedingung ist, dass die Aufnahmen vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers dokumentieren. Das Gericht machte klar, dass dies auch unter der Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Fall ist. Es muss lediglich sichergestellt sein, dass die Datenerhebung offen erfolgt ist und es um vorsätzlich vertragswidriges Verhalten geht. Verwertbarkeit von Videoüberwachung in Kündigungsschutzprozessen.

Das Gericht verwies dabei auch auf das Unionsrecht sowie nationales Verfahrens- und Verfassungsrecht, nach denen die Verarbeitung personenbezogener Daten nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, selbst wenn die Datenerhebung nicht in allen Punkten den Vorgaben der DSGVO oder des Bundesdatenschutzgesetzes entspricht. In diesem Fall wurde die Sache zurück an das Landesarbeitsgericht verwiesen, das auch die Videoaufzeichnungen als Beweismittel in Erwägung ziehen muss.

Die Diskussion, ob in bestimmten Ausnahmefällen ein Verwertungsverbot wegen einer schwerwiegenden Grundrechtsverletzung gelten könnte, ist damit nicht endgültig entschieden. Das war im aktuellen Fall jedoch aus den genannten Gründen nicht relevant. Diese Entscheidung könnte insgesamt weitreichende Auswirkungen auf die Praxis der Videoüberwachung am Arbeitsplatz haben und unterstreicht die Bedeutung einer genauen Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen.  Die Richter des BAG lassen damit jedoch – wie erwähnt–  offen, ob aus Gründen der Generalprävention ein Verwertungsverbot in Bezug auf vorsätzliche Pflichtverstöße in Betracht kommt. Das LAG muss nun auf diesem Hintergrund den konkreten Fall erneut verhandeln.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.6.2023; AZ – 2 AZR 296/22 –

Foto: Andrey Popov

BAG: Rückerstattung einer Vermittlungsprovision an den Arbeitgeber ist unzulässig

Das Bundesarbeitsgericht hat mit einem Urteil vom Juni 2023 eine wichtige Entscheidung getroffen, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen betrifft. Im Mittelpunkt stand eine arbeitsvertragliche Regelung, die die Erstattung einer Vermittlungsprovision durch den Arbeitnehmer an den Arbeitgeber vorsah, falls das Arbeitsverhältnis vor einem bestimmten Zeitpunkt endet.

Das Gericht hatte einen Fall zu beurteilen, in dem ein Arbeitnehmer, vermittelt durch einen Personaldienstleister, eine Stelle antrat. Der Arbeitgeber zahlte eine Vermittlungsprovision an den Dienstleister, und es wurde vereinbart, dass der Arbeitnehmer diese Provision zurückzahlen müsste, falls er das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer festgelegten Frist beendet.

Erstattung einer Vermittlungsprovision durch den Arbeitnehmer an den Arbeitgeber ist unzulässig!Der Rechtsstreit entstand, nachdem der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis beendete und der Arbeitgeber einen Teil der Provision zurückforderte. Der Arbeitnehmer klagte dagegen und argumentierte, dass die entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag ihn unangemessen benachteilige. Der Arbeitgeber konterte und behauptete, dass die Regelung rechtmäßig sei und ein legitimes Interesse daran bestehe, die Vermittlungsprovision nur dann endgültig zu zahlen, wenn der Arbeitnehmer auch für eine bestimmte Zeit tätig gewesen sei.

Das Bundesarbeitsgericht urteilte, dass die Regelung zur Provisionserstattung den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt und daher auch unwirksam sei. Es wurde durch die Richter hervorgehoben, dass Arbeitnehmer durch solche Vereinbarungen in ihrer freien Wahl des Arbeitsplatzes beeinträchtigt werden könnten, ohne dass dies durch begründete Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt wäre. Der Arbeitgeber müsse das unternehmerische Risiko tragen, dass sich finanzielle Aufwendungen für die Personalbeschaffung nicht „lohnen“, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis in rechtlich zulässiger Weise beendet.

Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung einer fairen Gestaltung von Arbeitsverträgen und stellt klar, dass die Kosten für die Personalvermittlung nicht einfach auf die Arbeitnehmer abgewälzt werden können. Beide, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sollten sich dieser Entscheidung bewusst sein und ihre Arbeitsverträge entsprechend überprüfen und gestalten.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.6.2023 ; AZ – 1 AZR 265/22 –

Foto: Kanazawa photo base

Interessenkonflikte verhindern Doppelrolle als Betriebsratsvorsitzender und Datenschutzbeauftragter

Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass die Funktion des Vorsitzenden im Betriebsrat in der Regel unvereinbar mit der Rolle des Datenschutzbeauftragten im Unternehmen ist. Die Entscheidung bezieht sich auf einen Fall, in dem ein Arbeitnehmer sowohl Vorsitzender des Betriebsrats als auch Datenschutzbeauftragter war. Das Unternehmen widerrief seine Bestellung als Datenschutzbeauftragter, da es einen Interessenkonflikt sah. Die Vorinstanzen hatten dem Kläger zunächst Recht gegeben, doch mit dem Urteil vom Juni 2023 entschied das Bundesarbeitsgericht klar dagegen.

Kern der Entscheidung ist der Gedanke des Interessenkonflikts. Der Betriebsrat hat laut Betriebsverfassungsgesetz spezifische Aufgaben und Befugnisse, darunter auch den Zugang zu bestimmten personenbezogenen Daten des Unternehmens. Der Datenschutzbeauftragte hingegen ist dafür verantwortlich, die Einhaltung der Datenschutzgesetze im Unternehmen sicherzustellen. Beide Rollen erfordern unterschiedliche Herangehensweisen an die Verarbeitung personenbezogener Daten, was zu einem Interessenkonflikt führen kann.

Unvereinbarkeit Betriebsrat & DatenschutzbeauftragterFür den Datenschutzbeauftragten ist es von zentraler Bedeutung, unabhängig zu agieren. In der Rolle des Betriebsratsvorsitzenden könnte die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten beeinträchtigt werden, insbesondere wenn es um die Verarbeitung personenbezogener Daten geht, die der Betriebsrat anfordert oder nutzt. Hier stellt sich erkennbar die Frage, ob der Datenschutzbeauftragte in dieser Konstellation wirklich die nötige Unabhängigkeit bewahren kann, um faktisch sicherzustellen, dass das Unternehmen die Datenschutzgesetze einhält.

Die Entscheidung macht deutlich, dass ein Interessenkonflikt vorliegt, wenn der Datenschutzbeauftragte innerhalb einer Einrichtung eine Position bekleidet, die die Festlegung von Zwecken und Mitteln der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat. Das Urteil wirft letztlich auch Licht auf die breitere Thematik der Unvereinbarkeit von Ämtern und zeigt, wie wichtig es ist, die unterschiedlichen Rollen und Verantwortlichkeiten innerhalb eines Unternehmens klar abzugrenzen, um effektiven Datenschutz sicherzustellen.

Diese Entscheidung bietet daher nicht nur klare rechtliche Leitlinien, sondern auch eine wertvolle Orientierung für Unternehmen und Betriebsräte, um sicherzustellen, dass die jeweiligen Funktionen im Einklang mit den gesetzlichen Anforderungen stehen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6.6.2023; AZ – 9 AZR 383/19 –

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