Der Eigentümer eines ehemals herrenlosen Weges darf die Nutzung dieses Weges durch die anliegenden Grundstückseigentümer nicht behindern, wenn deren Grund und Boden keine direkte Anbindung an einen öffentlichen Weg haben. Hier liegt ein Notwegerecht vor. Dies hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht im September 2021 entschieden.
Was war der Grund für diese Entscheidung? Die Kläger haben eine Garage auf ihrem Grundstück, die nur über eine Art Notweg erreichbar ist. Der Weg wird auf diese Weise seit 1969 von den jeweiligen Bewohnern des Hausgrundstücks benutzt. Anfang 2019 hatten der Beklagte und seiner Ehefrau das Straßengrundstück erworben. Die Voreigentümer wiederum hatten das Straßengrundstück im Jahr 2017 übernommen, nachdem der Weg durch eine Eigentumsaufgabe herrenlos geworden war – und sich weder die Gemeinde noch die Kläger das Weggrundstück angeeignet hatten.
Im Januar 2019 wandte sich der Beklagte an die Kläger und die anderen Anlieger des Weges. Er untersagte ihnen jegliche Nutzung ohne eine schriftliche Zustimmung und bot Gespräche an, um eine für die Anlieger attraktive Lösung zu finden. Später errichtete dieser Verbotsschilder und sperrte den Weg ab. In einem gerichtlichen Eilverfahren wurde er zur Unterlassung der Sperrung verpflichtet. Mit ihrer Klage verlangen die Kläger vom Beklagten nun, es zu unterlassen, auf dem Weg Hindernisse zu errichten, die die Zufahrt erschwerten.
Das Landgericht Lübeck hat dieser Klage stattgegeben, auch eine Berufung beim Oberlandesgerichts hatte keinen Erfolg, welches entschied, es läge klar ein Notwegerecht vor, da das Garagengrundstück keine direkte Anbindung an ein öffentliches Grundstück habe. Die ordnungsgemäße Benutzung ihres Hausgrundstücks erfordere auch, dass Kraftfahrzeuge zum Haus gelangen können, denn die auf dem Grundstück errichtete Garage sei genehmigt und die Nutzung somit ordnungsgemäß.
Dem Notwegerecht stehe auch nicht entgegen, dass die Kläger auch über zwei andere Wege zu ihrem Grundstück gelangen könnten. Doch der eine Weg kann nicht von Kraftfahrzeugen benutzt werden, und der andere ist ebenfalls Eigentum des Beklagten – und es sei nicht erkennbar, dass die Nutzung dieses zweiten Weges den Beklagten weniger belasten würde.
Der besondere Umstand, dass sich die Kläger den Weg bis zum Jahre 2017 hätten selbst aneignen können, mache ihre Unterlassungsansprüche nicht uunzulässig. Deren Standpunkt, es sei eigentlich Sache der Gemeinde gewesen wäre, das Eigentum an dem Weg zu erwerben, sei nicht sachfremd. Es sei daher auch kein dazu widersprüchliches Verhalten, sich jetzt auf eine Notlage zu berufen.
Urteil des Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht vom 30.9.2021; AZ – 11 U 18/21 –
Foto: GrB