Notwegerecht für Grundstücke ohne direkte Anbindung an ein öffentliches Grundstück

Der Eigentümer eines ehemals herrenlosen Weges darf die Nutzung dieses Weges durch die anliegenden Grundstückseigentümer nicht behindern, wenn deren Grund und Boden keine direkte Anbindung an einen öffentlichen Weg haben. Hier liegt ein Notwegerecht vor. Dies hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht im September 2021 entschieden.

Was war der Grund für diese Entscheidung? Die Kläger haben eine Garage auf ihrem Grundstück, die nur über eine Art Notweg erreichbar ist. Der Weg wird auf diese Weise seit 1969 von den jeweiligen Bewohnern des Hausgrundstücks benutzt. Anfang 2019 hatten der Beklagte und seiner Ehefrau das Straßengrundstück erworben. Die Voreigentümer wiederum hatten das Straßengrundstück im Jahr 2017 übernommen, nachdem der Weg durch eine Eigentumsaufgabe herrenlos geworden war – und sich weder die Gemeinde noch die Kläger das Weggrundstück angeeignet hatten.

Wenn ein Grundstück keine direkte Anbindung an einen öffentlichen Weg hat, liegt u.U. ein Notwegerecht vor über ein anderes vor.Im Januar 2019 wandte sich der Beklagte an die Kläger und die anderen Anlieger des Weges. Er untersagte ihnen jegliche Nutzung ohne eine schriftliche Zustimmung und bot Gespräche an, um eine für die Anlieger attraktive Lösung zu finden. Später errichtete dieser Verbotsschilder und sperrte den Weg ab. In einem gerichtlichen Eilverfahren wurde er zur Unterlassung der Sperrung verpflichtet. Mit ihrer Klage verlangen die Kläger vom Beklagten nun, es zu unterlassen, auf dem Weg Hindernisse zu errichten, die die Zufahrt erschwerten.

Das Landgericht Lübeck hat dieser Klage stattgegeben, auch eine Berufung beim Oberlandesgerichts hatte keinen Erfolg, welches entschied, es läge klar ein Notwegerecht vor, da das Garagengrundstück keine direkte Anbindung an ein öffentliches Grundstück habe. Die ordnungsgemäße Benutzung ihres Hausgrundstücks erfordere auch, dass Kraftfahrzeuge zum Haus gelangen können, denn die auf dem Grundstück errichtete Garage sei genehmigt und die Nutzung somit ordnungsgemäß.

Dem Notwegerecht stehe auch nicht entgegen, dass die Kläger auch über zwei andere Wege zu ihrem Grundstück gelangen könnten. Doch der eine Weg kann nicht von Kraftfahrzeugen benutzt werden, und der andere ist ebenfalls Eigentum des Beklagten – und es sei nicht erkennbar, dass die Nutzung dieses zweiten Weges den Beklagten weniger belasten würde.

Der besondere Umstand, dass sich die Kläger den Weg bis zum Jahre 2017 hätten selbst aneignen können, mache ihre Unterlassungsansprüche nicht uunzulässig. Deren Standpunkt, es sei eigentlich Sache der Gemeinde gewesen wäre, das Eigentum an dem Weg zu erwerben, sei nicht sachfremd. Es sei daher auch kein dazu widersprüchliches Verhalten, sich jetzt auf eine Notlage zu berufen.

Urteil des Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht vom 30.9.2021; AZ – 11 U 18/21 –

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Keine Schadensersatzansprüche für Vermieterin gegen die Erben bei Tod eines Wohnungsmieters

Als der Mieter einer Wohnung in Berlin verstarb, beanspruchte die Vermieterin von den Erben die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3.000 Euro Sie behielt daher zunächst einfach die Mietkaution in Höhe von 2.000 Euro ein. Hintergrund war, dass der Leichnam erst nach einigen Tagen gefunden wurde und die Vermieterin sich gezwungen sah die Wohnung reinigen lassen zu müssen. Zudem ließ sie das Laminat neu verlegen. Die Erben akzeptierten diese Vorgehensweise nicht und erhoben schließlich Klage auf Auszahlung der Mietkaution.

Das Amtsgericht Berlin-Tempelhof-Kreuzberg gab der Klage statt. Dessen Auffassung nach stelle das Sterben in der Mietwohnung und die Beeinträchtigung der Wohnung als Folge des Versterbens keine Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs dar.

Keine Schadensersatz-Ansprüche für Vermieterin bei Tod eines WohnungsmietersDas Landgericht Berlin bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts im Wesentlichen. Den Erben stehe der Anspruch auf Auszahlung der Mietkaution zu. Die Vermieterin könne keinen Schadensersatz von ihnen verlangen. Das Gericht hielt es darüber hinaus für völlig fernliegend, dass der Tod eines Wohnungsmieters in dessen Wohnung eine vom Mieter verübte Pflichtverletzung darstellen soll.

Verstirbt ein Mieter in seiner gemieteten Wohnung, so stehen dem Vermieter keine Schadensersatzansprüche gegen die Erben zu. Der Tod eines Wohnungsmieters stellt keine irgendwie geartete Pflichtverletzung dar. Dies hat das Landgericht Berlin im Oktober 2021 klar entschieden. Der Tod eines Mieters in einer Wohnung sei allerdings auch keine Frage des vertragsgemäßen Gebrauchs – wie es das Amtsgericht sah.

Insofern korrigierte das Landgericht die Begründung des Amtsgerichts: Der Tod des Mieters in der Wohnung stelle keine Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs dar. Vielmehr sei der Tod nach Ansicht des Landgerichts ein außerhalb der vertraglichen Pflichtenlage eintretendes Ereignis. Dessen rechtliche Folgen und tatsächliche Auswirkungen hätten einen klaren einen Bezug zum Mietverhältnis. Ein „Verschulden“ könne damit aber selbst bei einer großzügigen Bewertung nach vertraglichen Haftungsmaßstäben kein Argument darstellen. Es bleibt dabei: Schadensersatzansprüche lassen sich daraus auf keinen Fall konstruieren.

Landgericht Berlin, Beschluss vom 5.10.2021; AZ – 66 S 7/21 –

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Verwaltungsgericht: Anspruch auf Kindergartenplatz ist in zivilrechtlichem Verfahren zu klären

Der „Antragsteller“, ein knapp fünf Jahre alter Junge, fiel in seinem Kindergarten durch aggressives Verhalten auf. Er schubste, kratzte und biss mehrfach andere Kinder. Nachdem trotz mehrerer Elterngespräche eine Besserung nicht eintrat, kündigte der Kindergartenträger das Betreuungsverhältnis fristlos. Dieser sah sich mit dem vorhandenen Personal nicht in der Lage, angemessen auf die Übergriffe des Kindes zu reagieren. Und damit einen „normalen“ Kindergartenplatz zur Verfügung zu stellen.

Tatsächlich hat das Verwaltungsgericht in Göttingen in einem einstweiligen Rechtschutzverfahren den Anspruch des Kindes gegen den Landkreis Göttingen auf Nachweis eines Kindergartenplatz mit Urteil vom Oktober 2021 abgelehnt. Die Eltern des Antragstellers und der Träger des Kindergartens stritten in der Folgezeit um die Rechtmäßigkeit der Kündigung, wobei ein zivilgerichtliches Verfahren (bisher) nicht angestrengt wurde. Der Platz wurde zunächst nicht anderweitig vergeben und bleibt erhalten.

die Frage des gesetzlichen Anspruch auf einen KindergartenplatzDie Eltern des Kindes stellten bei Gericht den Antrag, den Träger im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, jeweils von montags bis freitags einen zumutbaren und bedarfsgerechten Betreuungsplatz zur Förderung in einer Tageseinrichtung von jeweils sechs Stunden in der Zeit zwischen 7.30 und 13.30 Uhr nachzuweisen. Diese sollte zudem durch öffentliche Verkehrsmittel vom Wohnsitz der Eltern innerhalb von 30 Minuten erreichbar sein.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass zwar grundsätzlich durchaus ein Anspruch für den knapp 5-jährigen Antragsteller bestehe. Dieser Anspruch sei allerdings erfüllt worden, indem der Landkreis dem Antragsteller schon 2019 einen Ganztagsplatz nur knapp 15 Gehminuten vom Wohnort entfernt nachgewiesen habe. Die vom Träger der Einrichtung ausgesprochene Kündigung ändere daran nichts. Ihre Rechtmäßigkeit sei zwar noch streitig, dies betreffe jedoch das privatrechtliche Betreuungsverhältnis zwischen den Eltern und dem Träger des Kindergartens. Störungen, die in diesem Vertragsverhältnis auftreten, seien dort zu bewältigen und nicht vor einem Verwaltungsgericht.

Gelangen die Parteien in dieser Frage zu keiner übereinstimmenden Rechtsauffassung, so müssten die Eltern des Kindes eben den ordentlichen Rechtsweg beschreiten – eventuell unter Inanspruchnahme eines möglichen Eilrechtsschutzes. Solange die Rechtmäßigkeit der zivilrechtlichen Kündigung streitig sei, sei es weder Aufgabe des Verwaltungsgerichts noch des zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, die Frage des gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz zu klären. Seitens des Trägers wurde dieser Weg entgegenkommend beschritten, da dieser den Kindergartenplatz weiterhin freihält.

Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 29.10.2021; AZ – 2 B 192/21 –
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 Irina Schmidt

Alterssicherung per Direktversicherung: Was zählt als pfändbares Arbeitseinkommen?

Im Rahmen einer Scheidung war es zu einer Vereinbarung über die Aufteilung von Schulden aus einem laufenden Bauprozess gekommen. Aufgrund eines Versäumnisbeschlusses erwirkte der Kläger später einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über das gegenwärtige und zukünftige Arbeitseinkommen seiner Ex-Frau. Dann wird es aber komplizierter: Die Streitverkündete und die Beklagte schlossen eine so genannte Entgeltumwandlungs-Vereinbarung. Diese hatte eine betriebliche Altersversorgung im Wege einer Direktversicherung zum Gegenstand. Nach dem Versicherungsvertrag ist die Versicherungsnehmerin die Beklagte, Begünstigte ist die Streitverkündende. Soweit die komplexen Beziehungen im vorliegenden Fall.

Das Bundesarbeitsgericht entschied dazu im im Oktober 2021, das eine zwischen einem der beiden Geschiedenen und deren Arbeitgeber vereinbarte Entgeltumwandlung für eine Versicherungsprämie für eine Direktversicherung eindeutig nicht zum pfändbaren Arbeitseinkommen nach einer Ehescheidung gehört.

Was zählt als pfändbares Arbeitseinkommen?Mit seiner Klage möchte der Kläger von der Beklagten höhere Zahlungen erhalten. eine klar erkennbare Absicht. Er vertritt daher auch die Auffassung, dass die Entgeltumwandlung das pfändbare Einkommen der Streitverkündenden nicht reduziere. Diese habe mit der Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Zuständigkeit über die Verwertung verloren. Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hatte ihr teilweise stattgegeben. Mit der Revision wollte die Beklagte nun die vollständige Abweisung der Klage erreichen.

Die Revision der Beklagten war vor dem Bundesarbeitsgericht war denn auch erfolgreich. Eine Entgeltumwandlungs-Vereinbarung stelle keine Benachteiligung für Gläubiger dar und es liege damit grundsätzlich kein verfügbares bzw. pfändbares Einkommen mehr vor. Daran ändere der Umstand, dass die Entgeltumwandlungs-Vereinbarung erst nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses getroffen wurde auch nichts. Die Streitverkündende habe mit der mit der Beklagten getroffenen Entgeltumwandlungs-Vereinbarung schlicht von ihrem Recht auf betriebliche Altersversorgung Gebrauch gemacht. Der dafür vorgesehene Betrag wurde nicht überschritten.

Auch bei einer rein normativen Betrachtung des Falles stellt die von der Streitverkündeten mit der Beklagten getroffene Entgeltumwandlungs-Vereinbarung keine den Kläger als Gläubiger benachteiligende Verfügung dar.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.10.2021; AZ – 8 AZR 96/20 –

Foto: Joachim Lechner

Eigenmächtiger Rückschnitt des Nachbarn zulässig: Selbst bei Gefahr für Standfestigkeit eines Baumes

Streitigkeiten unter direkten Nachbarn sind für alle Beteiligten stets sehr belastend. So ist es gut, wenn zumindest in einem Fall eine klare Rechtslage besteht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Juni 2021 entschieden, dass ein Grundstücksnachbar von seinem Selbsthilferecht auch dann Gebrauch machen darf, wenn durch das Abschneiden überhängender Äste das Absterben des Baums oder der Verlust der Standfestigkeit droht. Dieses Selbsthilferecht kann aber durch naturschutzrechtliche Regelungen, etwa durch Baumschutzsatzungen oder -verordnungen, eingeschränkt sein. Die Argumente sind aber klar und viele Streitigkeit können durch dieses höchstrichterliche Urteil vermieden werden.

Im hier vorliegenden Fall sind die Parteien Nachbarn – und das schon sehr lange. Auf dem Grundstück der Kläger steht unmittelbar an der gemeinsamen Grenze seit rund 40 Jahren eine inzwischen etwa 15 Meter hohe Schwarzkiefer. Ihre Äste, von denen Nadeln und Zapfen herabfallen, ragen seit mindestens 20 Jahren auf das Grundstück des Beklagten hinüber. In Mengen, die den Nachbarn stören. Dieser forderte den Baumbesitzer auf, den Baum zu fällen oder wenigstens zurückzuschneiden – jedoch vergeblich.

Eigenmächtiger Rückschnitt eines Baums durch Nachbarn ist u.U. zulässigDer beklagte Nachbarn wurde schließlich selbst aktiv und begann die Äste der Kiefer zurückzuschneiden, natürlich nur die überhängenden Zweige. Mit der nachfolgenden Klage verlangten die Kläger, es zu unterlassen, von der Kiefer oberhalb von fünf Meter überhängende Zweige abzuschneiden. Sie argumentierten, dass das Abschneiden der Äste die Standsicherheit des Baums gefährde. Diese Klage war in den Vorinstanzen erfolgreich und erst der Bundesgerichtshof hob die Urteile auf und hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Begründung des Berufungsgericht war zuvor, dass die Kläger das Abschneiden der Zweige nicht dulden müssten, weil die betreffende Vorschrift nur unmittelbar von den überhängenden Ästen ausgehende Beeinträchtigungen erfasse – nicht aber mittelbaren Folgen, wie den Abfall von Nadeln und Zapfen. Neuere Urteile des BGH von 2019 deuten denn aber bereits in eine andere Richtung. Zudem liegt die Verantwortung dafür, dass Äste und Zweige nicht über die Grenzen des Grundstücks hinauswachsen, bei dem Eigentümer des Grundstücks, auf dem der Baum steht.

Das nun erneut mit dem konkreten Fall beschäftigte Berufungsgericht wird zu klären haben, ob die Nutzung des Grundstücks des Beklagten durch den Überhang beeinträchtigt wird. Ist dies der Fall, dann ist die Entfernung des Überhangs durch den Beklagten für die Kläger auch dann nicht unzumutbar, wenn dadurch das Absterben des Baums oder der Verlust seiner Standfestigkeit droht. Das Selbsthilferecht  sollte nach der Vorstellung des Gesetzgebers einfach und allgemein verständlich ausgestaltet sein, es unterliegt daher insbesondere keiner Verhältnismäßigkeits- oder Zumutbarkeitsprüfung.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.6.2021; AZ – V ZR 234/19 –

Foto: Ирина Алексеенко

Studentische Wohngemeinschaft darf Mieter jederzeit auswechseln

Ist es für Vermieter erkennbar, dass diese einen Mietvertrag mit einer studentischen Wohngemeinschaft abschließen, besteht für die Mieter ein Anspruch auf Auswechselung einzelner Mieter. Ein Vermieter muss diesem Wechsel zustimmen. Vermieter können den Mieterwechsel nur ablehnen, wenn ein in der Person des neuen Mieters liegender wichtiger Grund vorliegt. Dies hat das Amtsgericht Gießen mit Urteil vom November 2020 entschieden.

In dem vorliegenden Fall bewohnten wechselnde Studenten eine in Hessen liegende 3-Zimmer-Wohnung – und dies seit mehreren Jahren. Dann kam es zu einem Besitzerwechsel. Nachdem eine der Mieterinnen aus der Wohnung ausgezogen war, stritten sich die Mieter mit dem neuen Vermieter über die Möglichkeit des Einzugs eines neuen Mieters. Dieser lehnte den Mieterwechsel ab, so dass es zu der Auseinandersetzung vor Gericht kam.

Studentische Wohngemeinschaft darf Mieter jederzeit auswechseln Meta-Beschreibungs-Vorschau:Aus den Umständen des Vertragsschlusses ergebe sich nach Ansicht des Amtsgerichts, dass die ursprüngliche Vermieterin wusste, dass sie einen Mietvertrag mit einer Wohngemeinschaft abschließt. So waren sämtliche Mieterinnen Studenten, in jungem Alter und nicht miteinander verwandt. Zudem habe die räumliche Aufteilung der Wohnung für das Vorliegen einer Wohngemeinschaft gesprochen. Darüber hinaus sei es in der Folge zu mehreren Mieterwechseln gekommen. Die Kenntnis der ursprünglichen Vermieterin müsse sich der neue Vermieter gegen sich geltend lassen. Er sei durch den Kauf in den Mietvertrag eingetreten.

Allenfalls sollen die Mieter und Mieterinnen noch verpflichtet sein, den Vermietern bevorstehende Mieterwechsel anzuzeigen, damit diese im Falle eines wichtigen Grundes diesem widersprechen kann. Ein wichtiger Grund muss dabei ganz klar in der Person des neuen Mieters vorliegen.

Die Rechtsprechung in diesem Fall befindet sich auf der Linie mit einer Reihe zu der Frage Mieterwechsel bei der studentischen Wohngemeinschaft veröffentlichen Entscheidungen. Wohngemeinschaften sollten trotzdem das Recht zum Mieterwechsel ausdrücklich in dem Vertrag vereinbaren. Umgekehrt sollten Vermieter, die nicht dauerhaft Wohngemeinschaft in ihrer Wohnung haben möchten, überlegen, ob sie einem Verlangen auf Mieterwechsel zustimmen wollen und dies von Anfang an im Vertrag schriftlich ausschließen sollten.

Amtsgericht Gießen, Urteil vom 23.11.2020; AZ – 47 C 19/20 –

Foto: Ingo Bartussek

BGH: Bei Werbung mit „Testsieger“-Siegel muss Fundstelle angegeben werden

Der Bundesgerichtshof hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem eine Baumarkt-Kette verklagt worden war, weil in einem Werbeprospekt auf einer Seite neben anderen Produkten ein Eimer Farbe abgebildet hatte, auf dem ein „Testsieger“-Siegel der Stiftung Warentest zu sehen war. Sofern mit einem Testsieger-Siegel geworben wird, muss für den Verbraucher möglich gemacht werden, Rahmenbedingungen und Inhalt des Tests zu überprüfen, entschied der Bundesgerichtshof im April 2021. Etwa im Fall eines Zeitschrift-Tests mit Angabe der Ausgabe und des Erscheinungsjahr.

Das Interesse von Verbraucherinnen und Verbraucher, eine Werbung mit einem Testergebnis für eine informierte Entscheidung prüfen und insbesondere in den Gesamtzusammenhang des Tests einordnen zu können, hängt übrigens nicht von der Intensität der Bewerbung (etwa der Größe der Abbildung), sondern allein davon ab, ob das Testergebnis in der Werbung erkennbar ist. BGH-Urteil zur Nutzung von Testsieger-SiegelnDas bedeutet, dass die Fundstelle des Tests deutlich erkennbar angegeben werden muss, sie leicht zugänglich ist und eine eindeutige Zuordnung erlaubt.

Schon erst- und zweitinstanzlich hatte die Klägerin Recht bekommen und auch der BGH erkannte darauf, dass im konkreten Fall wesentliche Informationen vorenthalten wurden. Dies genüge schon, um eine irreführende Werbung anzunehmen. Das beklagte Unternehmen handele unlauter und mache Verbrauchern wesentliche Informationen nicht ausreichend zugänglich, die diese für eine informierte geschäftliche Entscheidung benötigen. Letztlich könne es diese zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.

Bewerben also Unternehmen ein Produkt mit einem Testsiegel, muss nach Ansicht des BGH für Verbraucher deutlich erkennbar angegeben sein, wo sie die Testergebnisse nachlesen können. Das gilt selbst dann, wenn das Siegel nur klein auf einem Foto zu sehen ist und sonst nicht weiter erwähnt wird – wie im hier im vorliegenden Fall. Die Informationspflicht über die Fundstelle der Testveröffentlichung entfällt nicht deshalb, weil der auf dem Produktbild erkennbare Testsieg nicht besonders herausgestellt ist. Denn das Siegel allein signalisiere, dass ein Produkttest stattgefunden hat. Es sei dem beklagten Baumarkt zuzumuten, diese Angaben beispielsweise in einer Fußnote zu ergänzen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. im April 2021.4.2021; AZ – I ZR 134/20 –

Foto: cbies

Auch ohne Abmahnung: Kündigung wegen Diebstahl von Desinfektionsmittel rechtmäßig

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat mit einem Urteil vom Januar 2021 die fristlose Kündigung eines Mitarbeiters, der einen Liter Desinfektionsmittel entwendet hatte, auch ohne vorherige Abmahnung als rechtmäßig angesehen. Bei der stichprobenartigen Ausfahrtkontrolle fand der Werkschutz im Kofferraum des Klägers eine nicht angebrochene Plastikflasche mit einem Liter Desinfektionsmittel und eine Handtuchrolle. Der Wert des Desinfektionsmittels betrug zum damaligen Zeitpunkt etwa 40 Euro. Hintergrund: Es kam in dem beklagten Unternehmen immer wieder vor, dass Desinfektionsmittel aus den Waschräumen entwendet wurde.

Im konkreten Fall stimmte am Ende sogar der Personalausschuss der fristlosen Kündigung (nach Befragung von Zeugen) zu. Der Kläger stellte dem entgegen, er habe sich während der Arbeit jede Stunde zu seinem Fahrzeug begeben, um die Hände zu desinfizieren und abzutrocknen. Er habe das Mittel für sich und eventuell seine Kollegen verwenden wollen, zumal dieses in den Waschräumen nicht immer verfügbar gewesen sei. Bei der Ausfahrt habe er an die Sachen im Kofferraum nicht mehr gedacht. Er müsse kein Desinfektionsmittel stehlen, weil seine Frau in der Pflege arbeite und die Familie über sie ausreichend versorgt sei.

Das Gericht hat mit Urteil vom Januar 2021 die fristlose Kündigung eines Mitarbeiters auch ohne vorherige Abmahnung als rechtmäßig angesehen.Die Arbeitgeberin führte an, dass der Kläger dem Werkschutz gesagt habe, dass er das Desinfektionsmittelhabe mitnehmen dürfe, um sich unterwegs die Hände zu desinfizieren. Sie habe jedoch mit Aushängen im Sanitärbereich darauf hingewiesen, dass das Mitnehmen von Desinfektionsmittel eine fristlose Kündigung und Anzeige zur Folge habe. Eine zusätzliche Abmahnung war schon an dieser Stelle seitens des Arbeitgeber ausgenommen.

Nach Auffassung des Düsseldorfer Landesarbeitsgerichts liegt ganz deutlich ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor. Die Einlassungen des Klägers seien nicht glaubhaft. Das Landesarbeitsgericht geht davon aus, dass der Kläger das Desinfektionsmittel genommen habe, um es selbst zu verbrauchen. Wenn er es während der Schicht habe benutzen wollen, hätte es nahe gelegen, das Desinfektionsmittel auf einen Materialwagen am Arbeitsplatz zu stellen. Es sei zudem nicht nachvollziehbar, dass er das Desinfektionsmittel auch für die Kollegen verwenden wollte, denn weder hatte er ihnen gesagt, wo er das Desinfektionsmittel aufbewahrt noch ihnen den Autoschlüssel gegeben, damit sie es hätten benutzen können. Und last but not least sei die aufgefundene Flasche nicht angebrochen gewesen.

Tatsächlich ist im vorliegenden Fall eine sonst übliche vorherige Abmahnung nicht erforderlich, so die Düsseldorfer Richter. Auch angesichts der langen Beschäftigungszeit des Arbeitnehmers. Der Kläger habe in einer Zeit der Pandemie, als Desinfektionsmittel Mangelware war und in Kenntnis davon, dass auch die Beklagte mit Versorgungsengpässen zu kämpfen hatte, eine nicht geringe Menge Desinfektionsmittel entwendet. Damit habe er darüber hinaus in Kauf genommen, dass seine Kollegen leer ausgingen.

Angesichts dieser Umstände habe dem Kläger klar sein müssen, dass er mit seiner Handlungsweise den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdete.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.1.2021; AZ – 5 Sa 483/20 –

Foto: Kai

Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung bei Autounfällen nicht möglich

Wählt ein Unfallopfer nach einem Autounfall für den Schaden an seinem Fahrzeug eine fiktive Schadensabrechnung so ist nicht vom Brutto-, sondern vom Netto-Wiederbeschaffungswert auszugehen. Eine Umsatzsteuer wird nicht ersetzt, wenn sie nur fiktiv bleibt, weil es nicht zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur kommt. Das entschied der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom Oktober 2018.

Generell gilt: Wer sein Fahrzeug nach einem Unfall von einem Sachverständigen begutachten und entsprechend den Vorgaben dessen Gutachten reparieren lässt, hat gegenüber dem Versicherer auch einen Anspruch auf Bezahlung aller damit verbundenen Kosten. Wer sein Auto nicht reparieren lässt, muss den Geldbetrag erhalten, den die Reparatur gekostet hätte. Das nennt sich dann fiktive Abrechnung und der Anspruch wird um die Umsatzsteuer (USt.) gemindert

Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist jedoch unzulässig. Im vorliegenden Fall hatte der Geschädigte das Unfallfahrzeug verkauft und ein Ersatzfahrzeug angeschafft. Anschließend wollte er vom Unfallverursacher und dessen Haftpflichtversicherung Schadensersatz in Höhe des vom Sachverständigen ermittelten Brutto-Wiederbeschaffungswerts abzüglich des Restwerts.

Bei einer fiktiven Schadensabrechnung gilt der Netto-Wiederbeschaffungswert.Die Gegenseite meinte aber, dass von dem Brutto-Wiederbeschaffungswert die Umsatzsteuer von 19 Prozent abzuziehen sei. Sowohl das zuvor angerufene Amtsgericht als auch das Landgericht Heidelberg gaben der Klage des Unfallgeschädigten statt. Und so musste der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.

Der BGH entschied, dass die gewählte fiktive Schadensabrechnung sich nicht auf einen Brutto- sondern nur auf den Netto-Wiederbeschaffungswert beziehen könne. Eine Umsatzsteuer werde nicht ersetzt, wenn sie nur fiktiv bleibt. Dies gelte auch für den Fall, dass der Geschädigte zwar eine Ersatzbeschaffung inklusive USt. vornimmt – für die Schadenabrechnung aber die für ihn günstigere Möglichkeit einer fiktiven Abrechnung auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens wählt.

Bereits in früheren Urteilen sei der Ersatz der Umsatzsteuer beim Kauf einer gleichwertigen Ersatzsache von privat mit der Begründung versagt wurde, dass keine Umsatzsteuer angefallen sei, so dass sie „in diesem Fall auch im Rahmen einer fiktiven Schadensabrechnung nicht ersatzfähig“ sei.

Der Unfallgeschädigte werde schließlich nicht schlechter gestellt, so das Urteil des Bundesgerichtshof. Übersteigen die konkreten Kosten des tatsächlich getätigten Ersatzgeschäfts einschließlich Nebenkosten (inklusive der Umsatzsteuer) den der fiktiven Schadensberechnung, könne der Geschädigte ja zu einer konkreten Schadensberechnung auf der Grundlage der tatsächlich vorgenommenen Ersatzbeschaffung wechseln.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.10.2018; AZ – VI ZR 40/18 –

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Auch nur bei Aussicht auf künftige Gegenleistung müssen Influencer Werbung kennzeichnen

Generell muss einfach alles als Werbung gekennzeichnet werden, mit dem ein kommerzieller Zweck verfolgt wird. Ein solcher kommerzieller Zweck kann beispielsweise auch dann vorliegen, wenn für einen Beitrag von einem Influencer noch gar kein Geld geflossen ist. Eine Kennzeichnung kann auch dann notwendig sein, wenn eine Marke oder ein Produkt in der Hoffnung auf künftige Gegenleistung verlinkt wird. So hat das Oberlandesgericht Braunschweig im Mai 2020 geurteilt.

Das eröffnet natürlich gleich die Frage, wo die Grenze zwischen Werbung und Empfehlung liegt? Und ist diese Unterscheidung bei Influencern überhaupt relevant? Das OLG Braunschweig meint dazu, dass derjenige, der sich Influencer nennt, auch dann kennzeichnungspflichtige Eigenwerbung betreibt, wenn es sich um scheinbar private Empfehlungen handelt.

Bei den Influencern gibt es eben das besondere Problem, dass es ihnen oftmals primär um ihre eigene Vermarktung geht, es geht um Follower-Zahlen und Aktivität der Nutzerprofile. Daher steht hinter der Bewertung eines Produktes durchaus nicht immer eine direkte Geschäftsbeziehung zum Hersteller.

Eine Marke oder ein Produkt in der Hoffnung auf künftige Gegenleistung verlinkenDoch die jetzt nötige Kennzeichnung soll Betrachter schon einmal davor warnen, dass mit einem Beitrag ein kommerzielles Interesse verfolgt wird und er daher nicht mehr ausschließlich von der eigenen Meinung getragen wird – kein Spaß-Posting ist. Einer scheinbar privaten und objektiven Empfehlung wird eben nachweislich mehr Bedeutung beigemessen, als einem als Werbung gekennzeichneten Post. Das macht ja auch den Erfolg dieser Art Werbung aus.

In dem konkreten Fall kam noch hinzu, dass die Bloggerin scheinbar ohne jeden Grund Hersteller verlinkt hatte. Es gab tatsächlich keinen redaktionellen Anlass zur Verlinkung und dieser Art der Influencer Werbung. Genau dieses, für den Betrachter ohne Zusammenhang, Verlinken von Herstellern wurde auch schon anderen Influencern zum Verhängnis. Interessant ist daher die gerichtliche Feststellung des im zweiten Fall tätigen Landgericht Koblenz in seinem Urteil vom April 2020, dass Influencer „generell Werbung“ betreiben würden. Folgerichtig müssten Influencer jeden Post, der eine Marke, ein Geschäft oder Unternehmen nennt, als Werbung kennzeichnen.

Diese Beurteilung mag zumindest dann nicht absolut verkehrt sein, wenn der Influencer als Unternehmer tätig ist und sich selbst durch bestimmte Inhalte bei Unternehmen ins Gedächtnis bringen will. Nach Einschätzung der Gerichte betreiben die Influencer ihren Account nicht zu rein privaten Zwecken, sondern auch zur geschäftlichen Vermarktung ihrer eigenen Person und ihres eigenen Unternehmens. Die fehlende Gegenleistung durch die verlinkten Unternehmen ist einem solchen Fall für die Bewertung, ob nun kennzeichnungspflichtige Werbung vorliegt, nicht das entscheidende Kriterium.

Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 13.05.2020; AZ – 2 U 78/19 –

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