Haltung von Hängebauchschweinen im Wohngebiet ist keine Kleintierhaltung

Zwei Hängebauchschweine dürfen nicht weiter im Garten eines Wohngrundstücks in Recklinghausen gehalten werden. Das hat das Oberverwaltungsgericht im November 2022 entschieden und damit einen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen bestätigt. Hängebauchschweine seien in dem Sinne keine Tiere typisch für eine Kleintierhaltung.

Die Stadt Recklinghausen war gegen eine Schweinehaltung im Garten unter anderem eingeschritten, weil die Belästigung der Nachbarn durch Gerüche „ein öffentliches Interesse an einer sofortigen Nutzungsuntersagung begründe“. Das zuständige Verwaltungsgericht hielt diese Begründung für rechtmäßig, da die Halterin der Schweine nicht im Besitz einer Baugenehmigung für die Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur Tierhaltung auf ihrem Grundstück sei.

Die Begründung folgt denn auch der Logik, dass das Grundstück der Antragstellerin in einem reinen Wohngebiet liegt. Das bedeutet auch, dass die Tierhaltung in dem betreffenden Baugebiet normalerweise nicht üblich und ungefährlich ist – und letztlich den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbetätigung nicht übersteigt. Hobbymäßig gehaltene Hängebauchschweine seien eben keine Kleintiere, da die Haltung von Schweinen typischerweise zu Geräusch- und Geruchsbelästigungen führe, die eben in Wohngebieten als nicht üblich zu betrachten seien.

In einem Wohngebiet zulässige KleintierhaltungDie dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin blieb ohne Erfolg. Die Richter am Oberverwaltungsgericht in Münster argumentierten, dass der Einwand der Antragstellerin, die unbedingt zu prüfenden Belange des Wohls der beiden Tiere, seien nicht hinreichend berücksichtigt worden, sei unzutreffend. Die Antragstellerin habe keinerlei Gesichtspunkte aufgezeigt, dass die Haltung von Hängebauchschweinen eine in einem Wohngebiet zulässige Kleintierhaltung sei. Ob die Haltung der Schweine durch die Antragstellerin tatsächlich zu einer Belästigung der Nachbarn durch Gerüche führt, sei denn auch unerheblich.

Die der Antragstellerin ebenfalls gesetzte Frist von circa drei Wochen sei hinsichtlich der offensichtlichen Baurechtswidrigkeit verhältnismäßig, zumal die Antragstellerin etwa einen Monat vor Erlass der Verfügung dazu angehört worden sei. Sie habe seitdem damit rechnen müssen, die Schweine nicht länger in ihrem Garten halten zu können. Das Oberverwaltungsgericht habe keine Zweifel, dass es möglich sei, die Schweine innerhalb dieses Zeitraums gegebenenfalls gegen Bezahlung anderweitig unterzubringen.

Tatsächlich beständen Zweifel daran, dass sich die Antragstellerin ernsthaft um eine anderweitige Unterbringung der Tiere bemüht habe oder aktuell bemühe. Sie halte nämlich die Schweine trotz der angeordneten und vollziehbaren Nutzungsuntersagung auch nach mehr als sechs Monaten noch immer auf ihrem Grundstück.

Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 2.11.2022; AZ – 10 B 1092/22 –

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159 Parkverstöße in nur einem Jahr rechtfertigen Entzug der Fahrerlaubnis

Die meisten Autofahrer erwischt es irgendwie ein paar Mal im Jahr: Falschparken und den Zettel unter dem Scheibenwischer. Oder auch mal ein freundliches Foto vom Blitzer. Doch niemand wird es übertreiben – schon alleine, weil das am Ende ganz schön Geld kostet. Doch es gibt sie, Autofahrer, die sich um solche Überlegungen nicht kümmern. So hat ein Autofahrer in Berlin innerhalb eines Jahres 159 Parkverstöße begangen. Er sei damit zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet; ihm kann daher die Fahrerlaubnis entzogen werden. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin im Oktober 2022 entschieden.

Der Kläger war seit 1995 Inhaber einer Fahrerlaubnis der damaligen Klasse 3. Im Juli 2021 erfuhr das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin, dass gegen den Kläger innerhalb eines Jahres 174 Verkehrsordnungs-Widrigkeitenverfahren geführt worden waren, darunter 159 Parkverstöße und 15 Geschwindigkeitsüberschreitungen. Nach Anhörung des Klägers entzog die Behörde ihm daher die Fahrerlaubnis aufgrund fehlender Kraftfahreignung.

Die Entscheidung zur Entziehung der Fahrerlaubnis ist rechtens!Das wollte dieser nicht hinnehmen, die Verstöße mit den drei auf ihn zugelassenen Fahrzeugen hätten andere Personen begangen. Gegen die Entscheidungen habe er lediglich kein Rechtsmittel eingelegt um der Behörde Arbeit zu ersparen. Die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage als milderes Mittel hätte zunächst greifen sollen – er sei beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen.

Die Berliner Richter haben die Klage jedoch abgewiesen. Zu Recht sei die Behörde von einer mangelnden Fahreignung des Klägers ausgegangen. Zwar hätten dem Bagatellbereich zuzurechnende Ordnungswidrigkeiten bei der Prüfung der Fahreignung grundsätzlich außer Betracht zu bleiben – anders sei dies aber, wenn ein Kraftfahrer offensichtlich nicht willens sei, im Interesse eines geregelten Verkehrs geschaffene Ordnungsvorschriften zu beachten.

Das Gericht erkannte, dass bereits die Anzahl der für sich genommen unbedeutenden Verstöße, die nahezu ausnahmslos im Wohnumfeld begangen worden seien, Zweifel an der Eignung des Klägers deutlich werden lasse. Es komme auch nicht darauf an, ob möglicherweise andere Familienangehörige für die Verstöße verantwortlich seien. Wer durch zahlreiche ihm ja postalisch zugestellte Bußgeldbescheide erfahre, dass Personen, die sein Fahrzeug benutzen, laufend gegen Verkehrsvorschriften verstießen – und dagegen nichts unternehme–  zeige klar charakterliche Mängel, die ihn selbst als einen ungeeigneten Verkehrsteilnehmer auswiesen.

Die Entscheidung zur Entziehung der Fahrerlaubnis sei dadurch rechtens und nachvollziehbar – und es komme  auch nicht darauf an, ob der Betroffene die Fahrerlaubnis beruflich benötige.

Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 28.10.2022; – 4 K 456/21 –

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Online-Händler müssen nicht zwingend über die Herstellergarantie informieren

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Internethändler Verbraucher nicht näher über die Herstellergarantie für ein angebotenes Produkt informieren müssen, wenn die Garantie kein zentrales Merkmal ihres Angebots ist. Das wird im Urteil vom November 2022 sehr deutlich. Die bloße Erwähnung der Garantie auf den Verkaufsseiten löst noch keine Informationspflicht aus.

Was steht dahinter? Die streitenden Parteien vertreiben Taschenmesser im Internet. Das hier beklagte Unternehmen bot auf Amazon ein Schweizer Offiziersmesser an. Die Angebotsseite enthielt unter der Zwischenüberschrift „Weitere technische Informationen“ einen Link mit der Bezeichnung „Betriebsanleitung“, wohinter sich ein Produktinformationsblatt verbarg, das einen Hinweis auf eine Garantie des Herstellers enthielt: „Die Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik zwei Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt.“ Weitere Informationen zu der Garantie enthielt das Produktinformationsblatt nicht.

Die Klägerin sieht darin einen Verstoß ihres Mitbewerbers gegen die gesetzlichen Informationspflichten für Garantien und beantragte zu verbieten, den Absatz von Taschenmessern an Verbraucher mit Hinweisen auf Garantien zu bewerben, ohne hierbei auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers hinzuweisen. Herstellergarantie muss nicht immer umfänglich benannt werden

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen – das Oberlandesgericht dann jedoch die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Der dann zuständige Bundesgerichtshof hatte das Verfahren im Februar 2021 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung über die Rechte der Verbraucher zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der Bundesgerichtshof hat jetzt das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wiederhergestellt. Hintergrund ist der Entscheid des Gerichtshof der Europäischen Union, dass ein Unternehmer die Verbraucher vor Abschluss eines Kaufvertrags über die Bedingungen nur dann ausführlich informieren muss, wenn er die Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots (also als Verkaufsargument) macht.

Erwähnt dieser dagegen die Herstellergarantie nur beiläufig, so dass dies aus Sicht der Verbraucher kein Kaufargument darstellt, muss er keine Informationen über die Garantie zur Verfügung stellen. Im Streitfall stellt die Herstellergarantie denn auch kein wesentliches Merkmal des Angebots der Beklagten dar.

Die normierte Pflicht zur Information über den Gegenstand und den Inhalt einer (Hersteller-)Garantie greift erst, wenn der Unternehmer dem Verbraucher ein verbindliches Angebot auf Abschluss eines Garantievertrags unterbreitet. Im zugrundeliegenden Streitfall enthielt der auf der Angebotsseite befindliche Link auf das Produktinformationsblatt mit der Herstellergarantie jedoch noch kein verbindliches Garantieversprechen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.11.2022; AZ – I ZR 241/19 –

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Radfahrer muss vor dem Linksabbiegen ein deutliches Handzeichnen geben

Möchte ein Radfahrer nach links in ein Grundstück einbiegen, so muss er sich gemäß der StVO zur Fahrbahnmitte einordnen und eine zweite Rückschau vornehmen. Gibt er dabei zwar kein erkennbares Handzeichen, so liegt für einen zur Überholung ansetzenden Autofahrer trotzdem keine unklare Verkehrslage vor. Im vorliegend Fall war die Sachlage jedoch uneindeutig. Dies hat das Oberlandesgericht Düsseldorf im Dezember 2021 zu Ungunsten des klagenden Radfahrer entschieden.

Das Landgericht Duisburg entschied zunächst, dass die Beklagten (Autofahrer und dessen Versicherung) zu zwei Dritteln für die Unfallfolgen haften. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass sich der Kläger vor dem Abbiegen zwar nicht zur Fahrbahnmitte eingeordnet und keine zweite Rückschau vorgenommen habe, er aber ein Handzeichen gegeben habe. Radfahrer steht kein Anspruch auf Schadensersatz zuAus diesem Grund habe für den Beklagten eine klare Situation vorgelegen, so dass er nicht zum Überholen des Radfahrers hätte ansetzen dürfen. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung der Beklagten beim OLG.

Was war passiert? 2018 kam es in einer Stadt in Nordrhein-Westfalen zu einem Verkehrsunfall zwischen einem Radfahrer und einem Autofahrer. Der Radfahrer befuhr eine Straße (kein Radweg!) und wollte nach links auf den Parkplatz eines Baumarktes abbiegen. Zur gleichen Zeit setzte ein von hinten kommender Autofahrer zum Überholen an. Es kam zu einer Kollision. Der Radfahrer klagte gegen den Autofahrer und dessen Haftpflichtversicherung auf Zahlung von Schadensersatz.

Das Oberlandesgericht verneinte den Schadensersatzanspruch des Klägers und entschied zu Gunsten der Beklagten. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Schadensersatz zu, da er den Unfall allein verschuldet habe. Entgegen der Entscheidung in der ersten Instanz habe keine unklare Verkehrslage vorgelegen, so die Düsseldorfer Richter. Es sei nicht nachgewiesen worden, dass der Kläger vor dem Abbiegen ein Handzeichen gegeben habe. Die entsprechende Behauptung wurde von den Beklagten bestritten. Der fehlende Nachweis gehe daher zu Lasten des Klägers.

Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 7.12.2021; AZ – 1 U 216/20 –

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Mitverschulden der Radfahrer: Sturz über quer zum Radweg liegendes gut erkennbares Erdkabel

Radfahrer können sich nicht darauf verlassen, dass jegliche Hindernisse für sie beseitigt werden oder alle Gefahren ausgeräumt werden. Für alle Radfahrer gilt zudem das Sichtfahrgebot. Der Klägerin sei daher vorzuwerfen, dass sie trotz dessen, dass das Kabel weder schwer erkennbar noch überraschend war, mit unverminderter Geschwindigkeit weiterfuhr. Das geht aus einem Urteil des Oberlandesgericht Hamm vom Juni 2021 hervor.

In aller Konsequenz bedeutet es dann auch, wenn ein Radfahrer über ein gut erkennbares quer zum Radweg liegendes Erdkabel stürzt, dieses ein Mitverschulden von 50 Prozent begründet.

Was genau führte zu diesem Urteil des OLG Hamm? 2018 stürzte eine Radfahrerin über ein quer zum Radweg liegendes 4 cm dickes Erdkabel. Das Kabel wurde unter Einsatz eines Baggers aus dem Boden gezogen. Befand sich das Kabel zunächst einige Meter am Rad des Radwegs, so lag es später 20 m quer über den Rad- und Gehweg. Eine Warnung durch einen Mitarbeiter oder ein Hinweisschild gab es nicht. Für alle Radfahrer gilt das Sichtfahrgebot.

Aufgrund der durch den Sturz erlittenen Verletzungen klagte die Radfahrerin auf Zahlung von Schmerzensgeld. Die Radfahrerin erlitt einen handgelenksnahen Speichenbruch, Prellungen an beiden Knie sowie trotz getragenen Helms Prellungen am Kopf und der Halswirbelsäule. Durch die Verletzungen verblieb eine posttraumatische Arthrose am linken Handgelenk. Zudem hatte sie anschließend beim Bewältigen längerer Strecken zu Fuß Probleme.

Das zuvor angerufene Landgericht Essen sprach der Klägerin unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens in Höhe von 50 Prozent ein Schmerzensgeld von 3.000 Euro zu. Gegen diese Entscheidung legte die Radfahrerin Berufung ein. Sie wollte ein höheres Schmerzensgeld. Das Oberlandesgericht bestätigte jedoch die Entscheidung des Landgerichts. Der Klägerin stehe kein höheres Schmerzensgeld zu, der Betrag sei angemessen.

Das beklagte Bauunternehmen hafte wegen des Unfalls ebenfalls zu 50 Prozent, denn dessen Mitarbeiter hätten die Sicherstellung des seitlichen Kabelverlaufs oder zumindest eine Warnung herannahender Radfahrer pflichtwidrig unterlassen. Sie hätten nicht darauf vertrauen dürfen, dass Radfahrer jegliche von dem losen und daher potenziell rollenden Kabel ausgehende Gefahren selbst rechtzeitig begegnen können. So sei letztlich die  50:50-Haftung angemessen.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 25.6.2021; AZ – 7 U 89/20 –

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Rundfunkbeiträge für Fahrzeuge des Mitarbeiter-Leasings sind ohne Prüfung zulässig

Mit einem Urteil vom Juli 2022 hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die Berufung gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Braunschweig zurückgewiesen, mit der dieses die Klage gegen einen Bescheid abgewiesen hatte, mit dem Rundfunkbeiträge für Fahrzeuge des Mitarbeiter-Leasings eines Kraftfahrzeugherstellers festgesetzt wurden.

Nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sei bei beitragspflichtigen gewerblich genutzten Kraftfahrzeugen derjenige Beitragsschuldner, auf den das Fahrzeug zugelassen sei, so die niedersächsischen Richter. Hier läge  klar eine gewerbliche Nutzung der Fahrzeuge vor, da der klagende KFZ-Hersteller eine Pauschale für die Verwaltung der Leasingfahrzeuge erhalte, vor allem aber die Leasingmöglichkeit als Anreiz für seine Mitarbeiter nutze und so einen Werbeeffekt für sich erziele.

Das ist der Hintergrund: Der Hersteller stellt seinen Mitarbeitern regelmäßig von ihm produzierte Fahrzeuge per Leasing zur privaten Nutzung zur Verfügung. Dabei werden die Fahrzeuge auf den KFZ-Hersteller zugelassen, Leasinggeberin und Eigentümerin ist aber ein selbständiges Tochterunternehmen. Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) erließ einen Festsetzungsbescheid, mit dem er Rundfunkbeiträge für diese Leasingfahrzeuge forderte.

Rundfunkbeiträge für Fahrzeuge des Mitarbeiter-Leasings sind ohne Prüfung zulässig

Der Kraftfahrzeughersteller wehrte sich gegen die Beitragsfestsetzung, weil er der Ansicht war, dass Rundfunkbeiträge im Rahmen seines Leasing-Modells nicht anfallen würden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei die Beitragserhebung nur gerechtfertigt, wenn ein unternehmensspezifischer Vorteil aufgrund der Rundfunkempfangsmöglichkeit bestehe – der allerdings hier nicht gegeben sei, so die Argumentation.

Eine Prüfung zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung aufgrund eines unternehmensspezifischen Vorteils sei hier jedoch nicht notwendig, erkannte das Oberverwaltungsgericht. Aufgrund der gewerblichen Nutzung der Fahrzeuge könne die Festsetzung des Rundfunkbeitrags auch erfolgen, ohne dass eigens geprüft werde, ob im Einzelfall der geforderte Vorteil aufgrund einer Rundfunkempfangsmöglichkeit bestehe.

Ein solcher Vorteil rechtfertige zwar die grundsätzliche Regelung über die Beitragspflicht für gewerblich genutzte Kraftfahrzeuge im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag. Mit der dortigen Regelung für Rundfunkbeiträge gehe jedoch eine zulässige Typisierung einher, so dass es ausreichend sei, wenn die Voraussetzungen der Vorschrift bejaht werden, ohne dass in jedem Einzelfall eine Prüfung dazu kommen müsse.

Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat der Senat nicht zugelassen.

Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 7.7.2022; AZ – 8 LB 2/22 –

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Staubsaugen zu Mittagszeit ist von den Nachbarn hinzunehmen

Ein Wohnungsmieter hat sozialadäquaten Lärm, wie etwa Staubsaugen eines Nachbarn zur Mittagszeit hinzunehmen. Es besteht keine Pflicht zur Vermeidung jedes störenden Geräusches. Dies hat das Amtsgericht Singen im April 2022 entschieden.

Die Mieterin einer Erdgeschosswohnung klagte im Jahr 2021 gegen die über ihr wohnende Nachbarin auf Unterlassung von Lärmstörungen. Sie beschwerte sich darüber, dass kurz nach 7 Uhr mit Fenstern und Türen geknallt und hin und her getrampelt werde. Auch staubsauge die Nachbarin jeden Tag gegen 12 Uhr. Die Wohnung befand sich in einem sehr hellhörigen Mehrfamilienhaus, ohne Trittschalldämmung.

Von der Beklagten könne nicht erwartet werden, so das Amtsgericht, dass sie nach Ende der Nachtruhe sich ganz zaghaft und behutsam schleichend zu verhalten sowie zaghaft darauf zu achten, keinen Laut von sich zu geben und mucksmäuschenstill zu sein. Auch eine Hausordnung könne nicht vorgeben, dass „jedes störende Geräusch“ zu vermeiden sei. Es gebe nun mal Alltagstätigkeiten, die naturgesetzlich mit Geräuschentwicklungen verbunden seien.

Staubsaugen ist ein sozialadäquates VerhaltenDer Klägerin stehe kein Anspruch auf Unterlassung jeglicher Ruhestörung zu, so das Singener Amtsgericht. Die von ihr genannten Belästigungen seien als Bagatelle zu werten. Der Beklagten sei es erlaubt, im Rahmen eines sozialadäquaten Verhaltens in der von ihr bewohnten Wohnung Geräusche zu verursachen – auch wenn diese von anderen Hausbewohnern als ruhestörend empfunden werden. Ein Wohnungsmieter dürfe selbstverständlich mittags staubsaugen. Zwar komme es beim Schließen von Fenstern und Türen zu punktuellen Geräuschentwicklungen. Diese gehören aber ebenso zum Alltagsleben und seien hinzunehmen.

Grundsätzlich steht bei diesem Urteil – wie auch immer wieder im Mietrecht – die Frage im Raum „Was ist noch sozialadäquat (und damit zu dulden) und ab wann überschreitet die Geräuschkulisse das sozialadäquate Maß (und ist damit nicht mehr zu dulden)?“ Mittägliche Ruhezeiten, wie sie von Mietern immer noch wieder gerne diskutiert und beansprucht werden, sind aber in den meisten Bundesländern bereits seit vielen Jahren, bzw. Jahrzehnten abgeschafft. Und damit für diese Entscheidung im Grunde nicht relevant.

Die Kategorie des sozialadäquaten Lärms ist tatsächlich rechtlich schwierig einzuordnen. Es gibt keine direkt anwendbaren technischen Grenzwerte und in rechtlicher Hinsicht ist ein erheblicher Bewertungsspielraum vorhanden. Viele Streitigkeiten vor Gericht drehen sich deshalb immer mal wieder um diese Frage. Das Urteil der Richter aus Singen ist dazu aber in jeder Hinsicht sehr eindeutig.

Amtsgericht Singen, Urteil vom 29.4.2022; AZ – 1 C 235/21 –

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Reisebüro hat Anspruch auf Gebühren nach Zimmerstornierung durch Reisende wegen Corona

Fast schon eine Alltäglichkeit in diesen Jahren der Pandemie – Touristen können oder dürfen nicht reisen und übernachten. Die Gründe sind oft vielfältig: Krankheit, staatliche Vorschriften (besonders bei grenzüberschreitenden Fahrten ins Ausland) usw. Die vertraglich vereinbarte Stornierungsgebühr müssen Reisende auch dann an ein Reisebüro zahlen, wenn sie eine Hotelbuchung wegen der Corona-Pandemie stornieren. Das gilt im übrigen auch für weitere Service-Gebühren eines Reisebüros in diesem Zusammenhang. Dies hat das Landgericht Heidelberg im Mai 2022 entschieden.

So war es zu der Verhandlung gekommen: Wegen eines geplanten Kongresses in Leipzig im März 2020 ließ eine Firma über ein Reisebüro für zwei ihrer Mitarbeiter jeweils ein Hotelzimmer buchen. Nachdem der Kongress wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurde, stornierte die Firma die Hotelbuchung. Nach den Stornierungsbedingungen des Hotels fielen dadurch Stornierungsgebühren von 90 Prozent des Reisepreises an. Reisebüro hat Anspruch auf Gebühren nach Zimmerstornierung wegen CoronaDas Reisebüro konnte die Gebühr auf 50 Prozent senken und verauslagte diese sogar. Daraufhin beanspruchte das Reisebüro von der Firma die Erstattung der Stornierungsgebühr. Zudem verlangte es die Zahlung der Servicegebühr für die Hotelbuchung. Beides waren konkrete Kosten, die vertraglich im Grunde unstrittig waren. Da sich die Firma weigerte dem nachzukommen, erhob die Betreiberin des Reisebüros Klage.

Das Landgericht Heidelberg entschied letztlich zu Gunsten der Klägerin. Ihr stehe zunächst der Anspruch auf Zahlung der Servicegebühr für die Hotelbuchung zu. Die Klägerin habe schließlich ihre Leistungspflicht erfüllt. Die Stornierung durch die Beklagten lasse den bereits entstandenen Vergütungsanspruch erkennbar unberührt. Es komme denn auch weder eine nachträgliche Kürzung noch ein Wegfall des Anspruchs einseitig zu Lasten der Klägerin in Betracht.

Zudem bestehe nach Auffassung des Landgerichts ein Anspruch auf Erstattung der Stornierungsgebühr, die ja konkret verauslagt wurde. Die Stornierungsvereinbarung sei – jedenfalls im unternehmerischen Rechtsverkehr – eindeutig. Dass im Nachhinein ein behördliches Beherbergungsverbot ausgesprochen wurde, ändere nichts an den Anspruch. Auch eine Kürzung komme nicht in Betracht, da die Stornierungskosten schon zur Hälfte herabgesetzt wurden.

Landgericht Heidelberg, Urteil vom 19.5.2022; AZ – 8 S 4/21 –

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Werbe-E-Mail ohne Zustimmung kann zu Ordnungsgeld oder -haft führen

Der Kläger betrieb eine E-Mail-Adresse, die er unter anderem für berufliche Zwecke nutzte. Im Dezember 2021 widersprach er der werblichen Nutzung seiner personenbezogenen Daten, indem er eine E-Mail an die Beklagte (ein Pay-TV-Anbieter) sandte. Trotzdem erhielt er im Januar 2022 erneut eine Werbe-E-Mail, mit der diese für den Abschluss eines 12-monatigen Abos warb. Der Kläger forderte die Beklagte zunächst außergerichtlich zur Unterlassung auf. Nachdem keine Reaktion erfolgte, hatte er Klage erhoben.

Mit einem Urteil vom August 2022 untersagte das Amtsgericht München dem Pay-TV Anbieter, im geschäftlichen Verkehr zu Werbezwecken mit dem Kläger per E-Mail Kontakt aufzunehmen, ohne dass dessen ausdrückliche Einwilligung vorliegt. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro angedroht, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – zu vollziehen an dem oder den Geschäftsführer(n).

Werbe-E-Mails ohne Zustimmung können zu Ordnungsgeld oder -haft führenDer Kläger bezog sich auf die Datenschutzgrundverordnung, nach der er jederzeit und insbesondere formlos kündigen bzw. weitere Werbe-E-Mails untersagen könne. Die Beklagte trug vor, dem Kläger sei auf seine Nachricht vom Dezember mitgeteilt worden, dass er ganz einfach die entsprechende Einwilligung im Kundenverwaltungssystem entziehen könne. Da der Kläger dies nicht getan habe, habe sie davon ausgehen können, dass seine Einwilligung weiterhin Bestand habe. Dem widersprach das Amtsgericht deutlich und urteilte im Sinne des Klägers.

Die Verwendung von elektronischer Post für die Zwecke der Werbung gegen den eindeutig erklärten Willen des Klägers stelle einen Eingriff in seine geschützte Privatsphäre und damit in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze den Bereich privater Lebensgestaltung und gäbe den Betroffenen das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden.

Nicht nachvollziehbar sei der Einwand der Beklagten, so das Amtsgericht, der Kläger habe in ihrem „Kundenverwaltungssystem“ darüber hinaus noch bestimmte Einstellungen selbst tätigen müssen. Der Widerspruch gegen die Zulässigkeit elektronischer Werbung sei an keine bestimmte Form gebunden; die Verwaltung ihrer Kundendaten obliege allein der Beklagten und könne nicht auf den Kunden abgewälzt werden. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei auch rechtswidrig. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr würde durch das eindeutig festgestellte rechtsverletzende Verhalten des beklagten Pay-TV-Anbieters angezeigt.

Amtsgericht München, Urteil vom 5.8.2022; AZ – 142 C 1633/22 –

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Unionsbürger haben unter Umständen auch ohne Einkünfte Anspruch auf Kindergeld

Bürger der Europäischen Union (EU), die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Aufnahme-Mitgliedstaat begründet haben, können nicht – nur weil sie keine Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit in diesem Mitgliedstaat beziehen –während der ersten drei Monate ihres Aufenthalts vom Bezug von Kindergeld ausgeschlossen werden. Sofern sie sich rechtmäßig dort aufhalten, genießen sie grundsätzlich Gleichbehandlung mit inländischen Staatsangehörigen, so der EuGH in seinem Urteil vom August 2022.

Eine aus einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland stammende Unionsbürgerin klagt vor einem deutschen Gericht gegen die Ablehnung ihres Kindergeldantrags für ihre drei Kinder durch die Familienkasse Niedersachsen- Bremen für die ersten drei Monate nach Gründung ihres Aufenthalts in Deutschland. Die Familienkasse war der Auffassung, dass die Antragstellerin nicht die im Juli 2019 in Deutschland eingeführten Voraussetzungen erfülle, um als Unionsbürgerin Kindergeld während der ersten drei Monate beanspruchen zu können: Sie habe in dieser Zeit keine „inländischen Einkünfte“ bezogen.

Mit diesem Erfordernis zielte der deutsche Gesetzgeber darauf ab, einen Zustrom von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten zu vermeiden, der möglicherweise zu einer unangemessenen Inanspruchnahme der hiesigen sozialen Sozialsysteme führen könnte. Dieses Erfordernis gilt dagegen nicht für deutsche Staatsangehörige, die von einem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat zurückkehren. Das deutsche Gericht hatte dem europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob diese unterschiedliche Behandlung mit dem Unionsrecht vereinbar sei.EU-Bürger haben ein Recht auf Kindergeld, auch ohne Einkünfte

Der EuGH hat entschieden, dass jeder Unionsbürger, auch wenn er wirtschaftlich nicht aktiv ist, das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten hat, wobei dieser lediglich im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses sein muss und ansonsten keine weiteren Bedingungen zu erfüllen hat. Allerdings auch nur, solange die Neubürger, samt Familienangehörigen, die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen. In diesem Fall ist ihr Aufenthalt grundsätzlich rechtmäßig. Während dieser Zeit genießen die Unionsbürger vorbehaltlich vom Unionsgesetzgeber ausdrücklich vorgesehener Ausnahmen die gleiche Behandlung wie Inländer.

Der Aufnahme-Mitgliedstaat kann zwar gemäß einer im Unionsrecht zu diesem Zweck vorgesehenen Ausnahmebestimmung einem wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürger in den ersten drei Monaten seines Aufenthalts Sozialhilfeleistungen verweigern. Kindergeld stelle aber keine Sozialhilfeleistung im Sinne dieser Ausnahmebestimmung dar. Es wird nämlich unabhängig von der persönlichen Bedürftigkeit der Empfänger gewährt und dient nicht der Sicherstellung des Lebensunterhalts, sondern dem Ausgleich von Familienlasten. Voraussetzung ist aber eben ein gewöhnlicher Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat.

Entscheidend ist, dass die (neuen) Unionsbürger während der fraglichen ersten drei Monate tatsächlich ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Aufnahme-Mitgliedstaat haben. Ein nur vorübergehender Aufenthalt genügt insoweit nicht. Die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts zurück in den Aufnahme-Mitgliedstaat impliziere nämlich, dass die betreffenden Personen den Willen zum Ausdruck gebracht haben, tatsächlich dort den gewöhnlichen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen zu errichten. Die Anwesenheit im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats muss also hinreichend dauerhaft ist, um sie klar von einem vorübergehenden Aufenthalt zu unterscheiden.

Urteil des Gerichtshof der Europäischen Union  vom 1.8.2022; AZ – C-411/20 –

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