Für den Zugang einer einfachen E-Mail besteht kein Anscheinsbeweis. Dies bedeutet, dass allein das Absenden einer E-Mail und der fehlende Erhalt einer Unzustellbarkeitsnachricht keine ausreichenden Indizien für den erfolgreichen Zugang darstellen. Dies entschied das Oberlandesgericht Rostock im April 2024. Der Begriff “Anscheinsbeweis” bezieht sich dabei auf eine rechtliche Vermutung: Er besagt, dass ein typischer Geschehensablauf, der nach allgemeiner Lebenserfahrung wahrscheinlich ist, als gegeben angenommen wird, solange keine gegenteiligen Beweise vorliegen.
Im Fall von E-Mails wird jedoch festgehalten, dass der Empfang nicht so typisch ist, dass allein durch das Versenden auf den Zugang geschlossen werden kann. Es gibt immer wieder technische Gründe oder Filterungen, die den Empfang verhindern, was einen Anscheinsbeweis in solchen Fällen ausschließt.
Zudem stellte das Gericht klar, dass der Empfänger nicht verpflichtet ist, seinen gesamten elektronischen Posteingang offenzulegen, um den Zugang einer E-Mail nachzuweisen. Diese Entscheidung beruht auf ähnlichen Regelungen aus der analogen Kommunikation. Wie auch beim Postversand keine Durchsuchung privater Räume verlangt werden kann, so muss der Empfänger auch nicht seinen Posteingang offenlegen. Diese Maßnahme würde unverhältnismäßig in die Privatsphäre eingreifen.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock zeigt, dass der elektronische Schriftverkehr nicht automatisch dieselben Beweiserleichterungen bietet wie andere Kommunikationsmittel. Absender sollten daher auf technische Hilfsmittel wie Empfangsbestätigungen zurückgreifen, um den Zugang nachweisen zu können. Ohne solche Vorkehrungen bleibt es schwer, den Zugang einer E-Mail im Streitfall zu belegen.
Oberlandesgericht Rostock, Beschluss vom 3.4.2024; AZ – 7 U 2/24 –
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