BGH: Mietminderung für Einzelhändler beim Lock-Down möglich

Gewerbetreibende haben bei einer pandemiebedingten Schließung ihrer Geschäftsräume wegen behördlicher Anordnungen grundsätzlich Anspruch auf Mietminderung. Das hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden im Januar 2022 entschieden. Wie hoch der Abschlag ist, muss allerdings im Einzelfall geprüft werden. Eine Pauschalregelung gebe es nicht.

Bei einer Corona-Pandemie bestehe grundsätzlich einen Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage, so die Richter. Es muss allerdings weiterhin erwogen werden, ob dem Mieter ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Bei der Mietminderung müssten immer sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, entschieden die Richter. Dazu zählten zum Beispiel die Umsatzeinbußen für das konkrete Objekt, staatliche Hilfen oder Versicherungsleistungen.

Mietminderung wg. behördlicher Anordnungen möglich?Im konkreten Fall ging es um eine Filiale des Textil-Discounters Kik im Raum Chemnitz, die vom 19. März bis zum 19. April 2020 schließen musste – und für die der Vermieter die volle Miete von rund 7.850 Euro haben wollte. Infolge der behördlich angeordneten Betriebsschließung entrichtete die beklagte Filiale für den Monat April 2020 keine Miete.

Das zunächst zuständige Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung der Miete für den gesamten Monat April 2020 verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Dresden diese erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Beklagte – unter Abweisung der Klage – zur Zahlung von nur etwa der Hälfte der Miete verurteilt. Infolge des Auftretens der COVID-19-Pandemie und der staatlichen Schließungsanordnung sei eine Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrags eingetreten, die eine Anpassung des Vertrags dahin gebiete, dass die Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung auf die Hälfte reduziert werde.

Beide Seiten – Mieter und Vermieter – seien durch die staatlichen Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie belastet, keine Seite trage allein Verantwortung. Halbe/Halbe-Aufteilungen der Miete seien aber zu pauschal, erklärten die Richter am Bundesgerichtshof. Und ordneten eine Neu-Einschätzung der Dresdner OLG an. Die behördlich angeordnete Geschäftsschließung knüpfe allein an die Nutzungsart und den sich daraus ergebenden Publikumsverkehr an, der hier aus Gründen des Infektionsschutzes untersagt werden sollte. Durch die Allgemeinverfügung werde jedoch weder der Beklagten die Nutzung der angemieteten Geschäftsräume noch tatsächlich oder rechtlich die Überlassung der Mieträumlichkeiten verboten. Das Mietobjekt stehe und stand grundsätzlich trotz der Schließungsanordnung weiterhin für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung.

Die Begründung zeigt, dass im Fall einer Pandemie und entsprechender behördlicher Maßnahmen nicht per se eine Mietminderung möglich ist.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.1.2022; AZ – XII ZR 8/21 – 

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Notwegerecht für Grundstücke ohne direkte Anbindung an ein öffentliches Grundstück

Der Eigentümer eines ehemals herrenlosen Weges darf die Nutzung dieses Weges durch die anliegenden Grundstückseigentümer nicht behindern, wenn deren Grund und Boden keine direkte Anbindung an einen öffentlichen Weg haben. Hier liegt ein Notwegerecht vor. Dies hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht im September 2021 entschieden.

Was war der Grund für diese Entscheidung? Die Kläger haben eine Garage auf ihrem Grundstück, die nur über eine Art Notweg erreichbar ist. Der Weg wird auf diese Weise seit 1969 von den jeweiligen Bewohnern des Hausgrundstücks benutzt. Anfang 2019 hatten der Beklagte und seiner Ehefrau das Straßengrundstück erworben. Die Voreigentümer wiederum hatten das Straßengrundstück im Jahr 2017 übernommen, nachdem der Weg durch eine Eigentumsaufgabe herrenlos geworden war – und sich weder die Gemeinde noch die Kläger das Weggrundstück angeeignet hatten.

Wenn ein Grundstück keine direkte Anbindung an einen öffentlichen Weg hat, liegt u.U. ein Notwegerecht vor über ein anderes vor.Im Januar 2019 wandte sich der Beklagte an die Kläger und die anderen Anlieger des Weges. Er untersagte ihnen jegliche Nutzung ohne eine schriftliche Zustimmung und bot Gespräche an, um eine für die Anlieger attraktive Lösung zu finden. Später errichtete dieser Verbotsschilder und sperrte den Weg ab. In einem gerichtlichen Eilverfahren wurde er zur Unterlassung der Sperrung verpflichtet. Mit ihrer Klage verlangen die Kläger vom Beklagten nun, es zu unterlassen, auf dem Weg Hindernisse zu errichten, die die Zufahrt erschwerten.

Das Landgericht Lübeck hat dieser Klage stattgegeben, auch eine Berufung beim Oberlandesgerichts hatte keinen Erfolg, welches entschied, es läge klar ein Notwegerecht vor, da das Garagengrundstück keine direkte Anbindung an ein öffentliches Grundstück habe. Die ordnungsgemäße Benutzung ihres Hausgrundstücks erfordere auch, dass Kraftfahrzeuge zum Haus gelangen können, denn die auf dem Grundstück errichtete Garage sei genehmigt und die Nutzung somit ordnungsgemäß.

Dem Notwegerecht stehe auch nicht entgegen, dass die Kläger auch über zwei andere Wege zu ihrem Grundstück gelangen könnten. Doch der eine Weg kann nicht von Kraftfahrzeugen benutzt werden, und der andere ist ebenfalls Eigentum des Beklagten – und es sei nicht erkennbar, dass die Nutzung dieses zweiten Weges den Beklagten weniger belasten würde.

Der besondere Umstand, dass sich die Kläger den Weg bis zum Jahre 2017 hätten selbst aneignen können, mache ihre Unterlassungsansprüche nicht uunzulässig. Deren Standpunkt, es sei eigentlich Sache der Gemeinde gewesen wäre, das Eigentum an dem Weg zu erwerben, sei nicht sachfremd. Es sei daher auch kein dazu widersprüchliches Verhalten, sich jetzt auf eine Notlage zu berufen.

Urteil des Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht vom 30.9.2021; AZ – 11 U 18/21 –

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Keine Schadensersatzansprüche für Vermieterin gegen die Erben bei Tod eines Wohnungsmieters

Als der Mieter einer Wohnung in Berlin verstarb, beanspruchte die Vermieterin von den Erben die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3.000 Euro Sie behielt daher zunächst einfach die Mietkaution in Höhe von 2.000 Euro ein. Hintergrund war, dass der Leichnam erst nach einigen Tagen gefunden wurde und die Vermieterin sich gezwungen sah die Wohnung reinigen lassen zu müssen. Zudem ließ sie das Laminat neu verlegen. Die Erben akzeptierten diese Vorgehensweise nicht und erhoben schließlich Klage auf Auszahlung der Mietkaution.

Das Amtsgericht Berlin-Tempelhof-Kreuzberg gab der Klage statt. Dessen Auffassung nach stelle das Sterben in der Mietwohnung und die Beeinträchtigung der Wohnung als Folge des Versterbens keine Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs dar.

Keine Schadensersatz-Ansprüche für Vermieterin bei Tod eines WohnungsmietersDas Landgericht Berlin bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts im Wesentlichen. Den Erben stehe der Anspruch auf Auszahlung der Mietkaution zu. Die Vermieterin könne keinen Schadensersatz von ihnen verlangen. Das Gericht hielt es darüber hinaus für völlig fernliegend, dass der Tod eines Wohnungsmieters in dessen Wohnung eine vom Mieter verübte Pflichtverletzung darstellen soll.

Verstirbt ein Mieter in seiner gemieteten Wohnung, so stehen dem Vermieter keine Schadensersatzansprüche gegen die Erben zu. Der Tod eines Wohnungsmieters stellt keine irgendwie geartete Pflichtverletzung dar. Dies hat das Landgericht Berlin im Oktober 2021 klar entschieden. Der Tod eines Mieters in einer Wohnung sei allerdings auch keine Frage des vertragsgemäßen Gebrauchs – wie es das Amtsgericht sah.

Insofern korrigierte das Landgericht die Begründung des Amtsgerichts: Der Tod des Mieters in der Wohnung stelle keine Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs dar. Vielmehr sei der Tod nach Ansicht des Landgerichts ein außerhalb der vertraglichen Pflichtenlage eintretendes Ereignis. Dessen rechtliche Folgen und tatsächliche Auswirkungen hätten einen klaren einen Bezug zum Mietverhältnis. Ein „Verschulden“ könne damit aber selbst bei einer großzügigen Bewertung nach vertraglichen Haftungsmaßstäben kein Argument darstellen. Es bleibt dabei: Schadensersatzansprüche lassen sich daraus auf keinen Fall konstruieren.

Landgericht Berlin, Beschluss vom 5.10.2021; AZ – 66 S 7/21 –

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Kein Anspruch für Erben auf zu Lebzeiten aus Eigeninteresse verschenkte Besitztümer

Die Klage eines Erben wurde vom Landgereicht Koblenz im November 2021 abgelehnt, die auf die Herausgabe eines durch seine Mutter zu Lebzeiten verschenkten Grundstücks abzielte. Die Mutter und Erblasserin habe aus Eigeninteresse gehandelt. Es handele sich nicht um eine ungerechtfertigte Bereicherung der Schwester und jetzigen Beklagten, so die Richter.

Nach dem Tod des Vaters sollte der Kläger / Bruder nach dem bestehenden Testament ursprüngliche ein Grundstück als Alleinerbe erhalten. Der Vater der Parteien verstarb zuerst, so dass die Mutter zur Vorerbin wurde. Die Parteien sowie ein weiterer Bruder wurden zu Nacherben.

Lange nach dem Tod ihres Ehemanns übertrug die Mutter der Beklagten unentgeltlich ein Grundstück in einem anderen Ort, sowie ihren Miteigentumsanteil am betroffenen Grundstück, das ursprünglich der Kläger bekommen sollte. Darüber hinaus erhielt die Beklagte bezüglich des Grundstücks ein kostenloses, lebenslanges Wohnungs- und Gartennutzungsrecht. Im nachfolgenden Jahr erteilte sie der Beklagten zudem eine notarielle Vollmacht.

Kein Anspruch für Erben auf aus Eigeninteresse verschenkte BesitztümerDie Parteien streiten darüber, ob die Beklagte die Mutter in den letzten Lebensjahren versorgt und zuletzt auch gepflegt hat. Ihr Bruder, der Kläger behauptet, dass die mittlerweile verstorbene Mutter kein Eigeninteresse an dieser Schenkung gehabt, sondern mit Absicht zu Lasten des Klägers gehandelt habe. Der Wert des übertragenen Grundbesitzes und der bereits zu Lebzeiten der Mutter an die Beklagte geflossenen Gelder überschritten nach seiner Auffassung den Wert der von der Beklagten erbrachten Leistungen ganz erheblich. Der Bruder klagte daher auf die Übertragung des einen Grundstücks auf ihn selbst und des zweiten an die Erbengemeinschaft sowie die Bewilligung der Löschung des Wohnungs- und Gartennutzungsrechts im Grundbuch.

Kein Anspruch auf Herausgabe der Geschenke bei Eigeninteresse des Schenkenden, beschloss jedoch das Landgericht im wesentlichen Part seines Urteils. Eine Herausgabe des Geschenks hat das Gericht daher abgelehnt. Eine Herausgabe kann nur dann verlangt werden, wenn der Erblasser die Schenkung in der Absicht vorgenommen hat, den einen Erben zu beeinträchtigen. Dies ist zwar schon dann der Fall, wenn der Erblasser weiß, dass er durch das Geschenk das Erbe schmälert. Da der Erblasser (die Mutter) dies jedoch nahezu immer weiß, ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zusätzlich eine Missbrauchsprüfung erforderlich.

Ein Eigeninteresse des Erblassers zu Lebzeiten liegt zum Beispiel dann vor, wenn der Beschenkte (hier die Schwester und Beklagte) ohne rechtliche Verpflichtung sich um Haus, Garten, Einkäufe, Reinigung etc. kümmert, zumal wenn der Erblasser ein Interesse daran hat, dadurch im eigenen Haus wohnen bleiben zu können. Es ist auch als ein anerkennenswertes Eigeninteresse anzusehen, wenn der Erblasser durch das Geschenk eine ihm nahestehende Person an sich zu binden versucht.

Nach der Überzeugung des Gerichts, und auf Grund von Zeugenaussagen, ging die Erblasserin bei der Schenkung davon aus, dass die Beklagte ihr auch weiterhin zur Seite stehen werde, wie es dann tatsächlich auch der Fall war. Das Gericht erkannte zudem, dass der erhebliche Pflegebedarf der Mutter der Parteien anderenfalls zu ganz erheblichen Kosten für einen ambulanten Pflegedienst geführt hätte, um ihrem Wunsch zu entsprechen, im Haus wohnen bleiben zu können.

Landgericht Koblenz, Urteil vom 18.11.2021; AZ – 1 O 222/18 –

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Keine Haftung für Betreiber einer „Fanpage“ bei Datenschutzverstößen von Facebook

Das „Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz“ (ULD) aus Schleswig-Holstein hatte gegenüber der „Wirtschaftsakademie“ im Dezember 2011 angeordnet, die von ihr betriebene Facebook-Fanpage wegen datenschutzrechtlicher Verstöße von Facebook zu deaktivieren. Auf die Klage der Wirtschaftsakademie hin hatte das Verwaltungsgericht im Oktober 2013 den Bescheid zunächst erst einmal aufgehoben. Die dagegen eingelegte Berufung des ULD hatte nach einem ersten Urteil des Oberverwaltungsgerichts im September 2014 keinen Erfolg gehabt.

Eine sogenannte Fanpage dient meistens Unternehmen und Institutionen als Profil in diesem sozialen Netzwerk und unterscheidet sich in vielen Punkten deutlich von einem privaten Facebook-Profil.

Der EuGH entschied schließlich zur Verantwortlichkeit von Fanpage-Betreibern. In dem sich anschließenden Revisionsverfahren hatte das Bundesverwaltungsgericht nämlich zunächst bestimmte Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung vorgelegt. Dabei ging es insbesondere um die Verantwortlichkeit von Fanpagebetreibern und um die Anwendbarkeit deutschen Datenschutzrechts. Nach dessen Entscheidung im Juni 2018 hatte das Bundesverwaltungsgericht dann im September 2019 das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus dem September 2014 aufgehoben. Am Ende wurde die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Haftung für Betreiber einer „Fanpage“ bei Datenschutzverstößen

Das Oberverwaltungsgericht hat insgesamt einen schwerwiegenden Verstoß in der Verwendung der personenbezogenen Daten von im Facebook-Netzwerk registrierten und angemeldeten Personen erkannt. Diese Datenverwendung sei weder gesetzlich erlaubt, noch hätten die Nutzerinnen und Nutzer in diese eingewilligt. Somit müsse auch einer Anweisung des ULD Folge geleistet werden – der Betreiber können die festgestellten Verstöße ja nicht selbständig verändern oder bestimmte Vorgänge verhindern. Die angeordnete Deaktivierung stellt damit eine Konsequenz dieser Situation dar.

Im Übrigen seien die betroffenen Personen nicht hinreichend über sämtliche Daten-Erhebungs und -Verwendungen, die durch den Besuch einer typischen Fanpage angestoßen würden, informiert worden. Für diese Verstöße sei die Klägerin durchaus mitverantwortlich – auch wenn eben keine Haftung als solche vorliege.

Alle anderen zu Beginn des Verfahrens noch streitigen Rechtsfragen waren vorab durch Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts bereits verbindlich geklärt worden. Aktuell liegen weitere schriftliche Urteilsgründe allerdings noch nicht vor.

Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 25.11.2021; AZ – 4 LB 20/13

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Verwaltungsgericht: Anspruch auf Kindergartenplatz ist in zivilrechtlichem Verfahren zu klären

Der „Antragsteller“, ein knapp fünf Jahre alter Junge, fiel in seinem Kindergarten durch aggressives Verhalten auf. Er schubste, kratzte und biss mehrfach andere Kinder. Nachdem trotz mehrerer Elterngespräche eine Besserung nicht eintrat, kündigte der Kindergartenträger das Betreuungsverhältnis fristlos. Dieser sah sich mit dem vorhandenen Personal nicht in der Lage, angemessen auf die Übergriffe des Kindes zu reagieren. Und damit einen „normalen“ Kindergartenplatz zur Verfügung zu stellen.

Tatsächlich hat das Verwaltungsgericht in Göttingen in einem einstweiligen Rechtschutzverfahren den Anspruch des Kindes gegen den Landkreis Göttingen auf Nachweis eines Kindergartenplatz mit Urteil vom Oktober 2021 abgelehnt. Die Eltern des Antragstellers und der Träger des Kindergartens stritten in der Folgezeit um die Rechtmäßigkeit der Kündigung, wobei ein zivilgerichtliches Verfahren (bisher) nicht angestrengt wurde. Der Platz wurde zunächst nicht anderweitig vergeben und bleibt erhalten.

die Frage des gesetzlichen Anspruch auf einen KindergartenplatzDie Eltern des Kindes stellten bei Gericht den Antrag, den Träger im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, jeweils von montags bis freitags einen zumutbaren und bedarfsgerechten Betreuungsplatz zur Förderung in einer Tageseinrichtung von jeweils sechs Stunden in der Zeit zwischen 7.30 und 13.30 Uhr nachzuweisen. Diese sollte zudem durch öffentliche Verkehrsmittel vom Wohnsitz der Eltern innerhalb von 30 Minuten erreichbar sein.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass zwar grundsätzlich durchaus ein Anspruch für den knapp 5-jährigen Antragsteller bestehe. Dieser Anspruch sei allerdings erfüllt worden, indem der Landkreis dem Antragsteller schon 2019 einen Ganztagsplatz nur knapp 15 Gehminuten vom Wohnort entfernt nachgewiesen habe. Die vom Träger der Einrichtung ausgesprochene Kündigung ändere daran nichts. Ihre Rechtmäßigkeit sei zwar noch streitig, dies betreffe jedoch das privatrechtliche Betreuungsverhältnis zwischen den Eltern und dem Träger des Kindergartens. Störungen, die in diesem Vertragsverhältnis auftreten, seien dort zu bewältigen und nicht vor einem Verwaltungsgericht.

Gelangen die Parteien in dieser Frage zu keiner übereinstimmenden Rechtsauffassung, so müssten die Eltern des Kindes eben den ordentlichen Rechtsweg beschreiten – eventuell unter Inanspruchnahme eines möglichen Eilrechtsschutzes. Solange die Rechtmäßigkeit der zivilrechtlichen Kündigung streitig sei, sei es weder Aufgabe des Verwaltungsgerichts noch des zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, die Frage des gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz zu klären. Seitens des Trägers wurde dieser Weg entgegenkommend beschritten, da dieser den Kindergartenplatz weiterhin freihält.

Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 29.10.2021; AZ – 2 B 192/21 –
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 Irina Schmidt

Wünsche für die (eigene) Bestattung müssen unbedingt schriftlich festgehalten werden

Mit einer Bestattungsverfügung dokumentiert eine Person bindend, was nach ihrem Tod mit ihren sterblichen Überresten geschehen soll. Die Verfügung umfasst unter anderem die gewünschte Bestattungsart und den Ort der Beisetzung. Wenn keine Willenserklärung in Form einer Bestattungsverfügung vorliegt, entscheiden die Angehörigen über die Art und Durchführung der Bestattung. Grundlage dafür ist die Bestattungspflicht. Bei einem Todesfall müssen die Bestattungspflichtigen dafür sorgen, dass die Beisetzung durchgeführt wird. Diese Pflicht liegt in der Regel bei den nächsten Angehörigen und ist vom Erbrecht und von der Kostentragungs-Pflicht zu trennen.

Viele Menschen kümmern sich jedoch vor ihrem Tod nicht darum, was nach dem Tod geschehen soll. Angehörigen fällt es daher oft schwer, eine Beerdigung zu organisieren, da sie keine oder nur vage Kenntnisse über die Vorstellungen und Wünsche des Verstorbenen haben. Angesichts des Zeitdruckes und der seelischen Belastung durch den Verlust und durch die anstehenden Kosten, können die Wünsche des Verstorbenen oft nicht angemessen berücksichtigt werden.

Wünsche für die Bestattung müssen schriftlich festgehalten werdenJede Bestattung ist individuell. Damit aber auch alles so abläuft, wie man es sich wünscht, ist es wichtig, die eigenen Vorstellungen dem Bestattungsunternehmen klar und deutlich mitzuteilen. Auch wenn keine Bestattungsverfügung vorliegt. Hilfreich sind auch Zeugen beim Beratungsgespräch. So lassen sich Missverständnisse vermeiden und die geäußerten Wünsche notfalls beweisen.

Das dies manchmal ganz entscheidend sein kann, zeigt ein Urteil des Landgericht Bielefeld vom Oktober 2021. In dem konkreten Fall war die Asche eines Verstorbenen in der Ostsee statt wie gewünscht in der Nordsee verstreut worden. Als die Witwe davon erfuhr, litt sie in der Folge an Schlafstörungen und Depressionen. Ihr verstorbener Ehemann sei Hochseesegler gewesen und hatte explizit eine Seebestattung in der Nordsee gewünscht.

Vor Gericht konnte die Witwe durch Zeugen nachweisen, dass dies auch die Absprache mit dem Bestatter gewesen war. Die Richter erkannten daher nach deren Vernehmung die psychischen Beeinträchtigungen an. Sie billigten der Klägerin ein Schmerzensgeld von 2.500 Euro zu.

Urteil des Landgericht Bielefeld vom 6.10.2021; AZ – 5 O 170/17 –

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Alterssicherung per Direktversicherung: Was zählt als pfändbares Arbeitseinkommen?

Im Rahmen einer Scheidung war es zu einer Vereinbarung über die Aufteilung von Schulden aus einem laufenden Bauprozess gekommen. Aufgrund eines Versäumnisbeschlusses erwirkte der Kläger später einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über das gegenwärtige und zukünftige Arbeitseinkommen seiner Ex-Frau. Dann wird es aber komplizierter: Die Streitverkündete und die Beklagte schlossen eine so genannte Entgeltumwandlungs-Vereinbarung. Diese hatte eine betriebliche Altersversorgung im Wege einer Direktversicherung zum Gegenstand. Nach dem Versicherungsvertrag ist die Versicherungsnehmerin die Beklagte, Begünstigte ist die Streitverkündende. Soweit die komplexen Beziehungen im vorliegenden Fall.

Das Bundesarbeitsgericht entschied dazu im im Oktober 2021, das eine zwischen einem der beiden Geschiedenen und deren Arbeitgeber vereinbarte Entgeltumwandlung für eine Versicherungsprämie für eine Direktversicherung eindeutig nicht zum pfändbaren Arbeitseinkommen nach einer Ehescheidung gehört.

Was zählt als pfändbares Arbeitseinkommen?Mit seiner Klage möchte der Kläger von der Beklagten höhere Zahlungen erhalten. eine klar erkennbare Absicht. Er vertritt daher auch die Auffassung, dass die Entgeltumwandlung das pfändbare Einkommen der Streitverkündenden nicht reduziere. Diese habe mit der Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Zuständigkeit über die Verwertung verloren. Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hatte ihr teilweise stattgegeben. Mit der Revision wollte die Beklagte nun die vollständige Abweisung der Klage erreichen.

Die Revision der Beklagten war vor dem Bundesarbeitsgericht war denn auch erfolgreich. Eine Entgeltumwandlungs-Vereinbarung stelle keine Benachteiligung für Gläubiger dar und es liege damit grundsätzlich kein verfügbares bzw. pfändbares Einkommen mehr vor. Daran ändere der Umstand, dass die Entgeltumwandlungs-Vereinbarung erst nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses getroffen wurde auch nichts. Die Streitverkündende habe mit der mit der Beklagten getroffenen Entgeltumwandlungs-Vereinbarung schlicht von ihrem Recht auf betriebliche Altersversorgung Gebrauch gemacht. Der dafür vorgesehene Betrag wurde nicht überschritten.

Auch bei einer rein normativen Betrachtung des Falles stellt die von der Streitverkündeten mit der Beklagten getroffene Entgeltumwandlungs-Vereinbarung keine den Kläger als Gläubiger benachteiligende Verfügung dar.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.10.2021; AZ – 8 AZR 96/20 –

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Kündigung wegen Lärm: Vermieter muss die Ursache nicht im Detail benennen

Lärm und Lärm-Empfinden ist ja immer sehr persönlich – was die einen normal finden, macht andere schon „krank“. Besonders beim Musik hören trennen sich oft die Geister. Manchmal sind die Störungen denn auch tatsächlich so stark, dass ein Vermieter sich entscheidet, einer Mietpartei zu kündigen. Klagt dieser auf Kündigung oder Räumung einer Wohnung wegen Lärmstörung, so kommt er seiner Pflicht zur Begründung der Klage auf jeden Fall alleine dadurch nach, dass er den Lärm nach Zeitpunkt, Art, Intensität, Dauer und Häufigkeit beschreibt und ein Lärmprotokoll vorlegt. Dies hat der Bundesgerichtshof im Juni 2021 entschieden.

Im konkreten Fall hatte die Vermieterin einer Wohnung in Köln zunächst eine ordentliche Kündigung und einige Monate später eine fristlose Kündigung wegen Ruhestörung ausgesprochen. Nachbarn berichteten, dass es teilweise bis Mitternacht zu lautem Schreien, Stampfen, Türenschlagen, Rücken von Möbeln und Poltern gekommen sei. In der Wohnung lebte ein Paar zusammen mit zwei Kindern und deren Mutter. Die Vermieterin erhob schließlich Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.

Kündigung oder Räumungsklage wg. Lärm muss dokumentiert werden.Das Amtsgericht wie auch Landgericht wiesen eine Räumungsklage ab. Das Landgericht bemängelte vor allem, dass nicht klar wurde, was genau in der Wohnung der Beklagten passiert sei. Wegen der Anwesenheit der Kinder sei zu Gunsten der Beklagten davon auszugehen, dass es sich um hinzunehmenden, bei Anwesenheit von Kindern nicht zu vermeidenden Lärm gehandelt habe.

Das daraufhin angerufene Bundesgerichtshof entschied dann allerdings zu Gunsten der Klägerin. Die Klägerin habe die Lärmbelästigung schließlich nach Zeitpunkt, Art, Intensität, Dauer und Häufigkeit genau beschrieben und überdies durch ein detailliertes, über einen längeren Zeitraum erstelltes Lärmprotokoll konkretisiert. Die genaue Ursache des Lärms und die Verursacher habe die Klägerin mangels Einblick in die Wohnung nicht denn auch kaum benennen können. Es sei ihr daher nicht zuzumuten, Ausführungen dazu zu machen, was genau in der Wohnung der Beklagten passiert sei.

Das Landgericht habe den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, so der Bundesgerichtshof und dürfe nicht einfach ausschließlich von Kinderlärm ausgehen. Vielmehr hätte es angesichts des ausreichenden Begründung der Klägerin den angebotenen Zeugenbeweis nutzen müssen.

Beschluss des Bundesgerichtshof vom 22.06.2021; AZ – VIII ZR 134/20 –

Foto: kapinon

Keine Abmahnung nötig: Ordentliche Kündigung wegen erheblicher Verspätungen

Zu spät zur Arbeit zu kommen, das passiert wohl jedem Arbeitnehmer einmal – die Umstände sind so unterschiedlich wie die betroffenen Personen. Und viele Arbeitgeber sehen das – besonders wegen vereinbarten Gleitzeit-Regelung – nicht als allzu problematisch an. Kommt eine Arbeitnehmerin an vier aufeinander folgenden Arbeitstagen teilweise erheblich zur spät zur Arbeit, so geht das sicher zu weit – und rechtfertigt tatsächlich die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Fehlt (wie im vorliegend Fall) der Arbeitnehmerin zudem ein wirkliches Unrechtsbewusstsein, so bedarf es auch keiner vorherigen Abmahnung. Dies hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Ende August 2021 entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ende 2019 wurde eine bei einem Sozialgericht in Schleswig-Holstein beschäftigte Angestellte ordentlich gekündigt, weil sie an vier aufeinanderfolgenden Arbeitstagen teilweise erheblich zu spät zur Arbeit kam.

Ordentliche Kündigung wegen erheblicher Verspätungen

Die Angestellte war in der Poststelle eingesetzt und an ihren Arbeitstagen dort die einzige Mitarbeiterin. Sie begründete die Verspätungen unter anderem mit Schlafmangel. Sie empfand dies als hinreichenden Grund für ihre Verspätungen und erhob Klage gegen die Kündigung. Das Arbeitsgericht Flensburg wies die Klage ab. Das wollte sie nicht hinnehmen und ging in die Berufung.

Das zuständige Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein bestätigte jedoch die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die wiederholten Verspätungen der Klägerin bei der Arbeitsaufnahme rechtfertige in jedem Fall eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Sie habe klar ihre Verpflichtung zum pünktlichen Arbeitsantritt verletzt. Soweit die Klägerin einen Schlafmangel anführte, sei dies ihren privaten Lebensumständen zuzurechnen und könne die Pflichtverletzung nicht beseitigen.

Auch eine ins Spiel gebrachte  Abmahnung habe es nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht bedurft. Denn die Klägerin sei ersichtlich nicht ernsthaft gewillt gewesen, sich ihrem Arbeitsvertrag gemäß zu verhalten. Dafür sprächen die massiven Verspätungen der Klägerin an vier aufeinanderfolgenden Arbeitstagen. Denn obwohl sie bereits nach der ersten Verspätung in einem Gespräch auf die Pflichtverletzung hingewiesen wurde, habe sie keine Maßnahmen ergriffen, um ein erneutes Verschlafen zu verhindern. Zudem habe sie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, es sei nicht so schlimm und führe nicht zu betrieblichen Störungen, wenn die Post einmal liegen bleibe. Dies zeige erkennbar fehlendes Unrechtsbewusstsein.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 31.8.2021; AZ – 1 Sa 70 öD/21 –

Photo: stokkete