Kein Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn für Pflichtpraktikum jeglicher Art

Praktikanten, die ein Pflichtpraktikum als Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums absolvieren, haben keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Das hat das Bundesarbeitsgericht im Januar 2022 entschieden.

Im Urteil stellten die Richter klar, der Ausschluss von Ansprüchen auf den gesetzlichen Mindestlohn (nach dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers) gelte nicht nur obligatorische Praktika während des Studiums. Auch solche, die in Studienordnungen als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorgeschrieben sind, sind darin eingeschlossen.

Die Klägerin im konkreten Fall beabsichtigte sich an einer privaten, staatlich anerkannten Universität um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin zu bewerben. Nach der Studienordnung ist die Ableistung eines sechsmonatigen Krankenpflegedienstes Zugangsvoraussetzung für den Studiengang. Vor diesem Hintergrund absolvierte die Klägerin bei der Beklagten, die ein Krankenhaus betreibt, ein Praktikum auf einer Krankenpflegestation. Ausschluss von Ansprüchen auf den gesetzlichen MindestlohnDie Zahlung einer Vergütung wurde nicht vereinbart. Mit ihrer Klage hatte die Klägerin unter Berufung auf das Mindestlohngesetz Vergütung in Höhe von mehr als 10.000 Euro brutto verlangt. Sie hatte geltend gemacht, sie habe im Rahmen einer Fünftagewoche täglich 7,45 Stunden Arbeit geleistet. Ein Vorpraktikum vor Aufnahme eines Studiums sei kein „übliches“ Pflichtpraktikum, daher greife die gesetzliche Ausnahme von der Vergütungspflicht nicht. Das Landesarbeitsgericht hat in der ersten Instanz die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Revision hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Das Berufungsgericht in Erfurt hat dann im Ergebnis letztlich festgelegt, dass die Beklagte nicht zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns verpflichtet sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die Studienordnung von einer privaten Universität erlassen wurde, denn die betroffene Universität sei staatlich anerkannt. So ist die von der Hochschule erlassene Zugangsvoraussetzung im Ergebnis einer öffentlich-rechtlichen Regelung gleichgestellt. Damit sei auch gewährleistet, dass durch das Praktikums-Erfordernis als Teil der Studienordnung der grundsätzlich bestehende Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für Praktikanten nicht sachwidrig umgangen wurde.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.01.2022; AZ – 5 AZR 217/21 –

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Facebook-Account kann nur in Ausnahmefällen ohne Abmahnung gekündigt werden

Facebook hatte im Sommer 2019 in zwei Fällen Beiträge des Klägers mit Bezug zur sogenannten „Identitären Bewegung“ gelöscht und das Profil des Klägers jeweils vorübergehend gesperrt. Nach einem weiteren Posting im Januar 2020 wurde dessen Account dann dauerhaft deaktiviert. Facebook berief sich dabei auf Verstöße des Klägers gegen die Nutzungsbedingungen in Verbindung mit den „Gemeinschaftsstandards“, die unter anderem die Unterstützung von „Hassorganisationen“ verbieten.

Die Richter des Oberlandesgereicht Karlsruhe entschieden im Februar 2022, dass eine Löschung von Beiträgen und die Sperrung des Accounts unzulässig waren. Anbieter von Social-Networks sind dazu berechtigt, ihren Nutzerinnen und Nutzern in den AGB die Einhaltung objektiver und überprüfbarer Kommunikationsstandards vorzugeben, auch wenn diese über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Er darf sich dabei auch das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards einzelne Beiträge zu entfernen oder den Netzwerkzugang zu sperren.

Anforderungen denen Facebook aber nicht gerecht wurde, weil kein verbindliches Verfahren vorgesehen warDer gleiche Anbieter muss jedoch in seinen Geschäftsbedingungen sicherstellen, dass der Nutzer über die Entfernung eines Beitrags jedenfalls unverzüglich nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung des Nutzerkontos vorab informiert und der Grund dafür mitgeteilt wird. Die Nutzer müssen die Möglichkeit zur Stellungnahme haben, an die sich eine erneute Entscheidung des Anbieters mit der Option anschließt, einen entfernten Beitrag auch wieder zugänglich zu machen.

Anforderungen denen Facebook aber nicht gerecht wurde, weil kein verbindliches Verfahren vorgesehen war, in dem die betroffenen Nutzer Stellung nehmen können. Damit schließt das Karlsruher Gericht der Einschätzung bereits ergangenen Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 29. Juli 2021 an.

Nur wenn der Kläger strafbare Inhalte gepostet hätte (was aber hier nicht der Fall war), wäre eine Löschung dieser Beiträge und eine Sperrung des Nutzerkontos dennoch möglich gewesen. Denn bei strafbaren Inhalten ist der Anbieter bereits aufgrund der gesetzlichen Vorgaben im Telemediengesetz und im Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu entsprechenden Maßnahmen verpflichtet.

Die in diesem Fall damit verbundene Kündigung des Nutzungsvertrags durch Facebook hielt der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Ein Nutzungsvertrag darf bei Verstößen gegen die festgelegten Kommunikationsstandards beendet werden wenn dafür ein wichtiger Grund vorliegt. Das geht aber nur in den wenigsten Fällen ohne eine vorherige Abmahnung – etwa bei besonders gravierenden Vertragsverletzungen. Für einen interessengerechten Ausgleich der Parteien ist es in der Regel erforderlich, dass Nutzer vorab über die beabsichtigte Kündigung des Nutzervertrags informiert werden, ihnen der Grund hierfür mitgeteilt und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung eingeräumt wird.

 Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 4.2.2022; AZ – 10 U 17/2 –

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Überlange Wartezeit am Flughafen: Bei verpasstem Flug kann man Schadensersatz verlangen

Das Szenario ist für Fluggäste in der heutigen Zeit nicht ungewöhnlich. In Online-Foren wird gerne darüber diskutiert, ob man sich eher drei oder vier statt zwei Stunden vor dem Flug am Flughafen einfindet. Wartezeiten werden also akzeptiert – doch was ist, wenn man trotzdem – wegen langer Sicherheits-Checks – den Flug verpasst? Nach einem aktuellen Urteil des Oberlandesgericht Frankfurt vom Januar 2021 kann es bedeuten, dass man sogar Schadensersatz verlangen kann.

Im konkreten Fall passierten die Kläger die Sicherheitskontrolle zu spät; das Boarding war bereits abgeschlossen als sie den Flugsteig erreichten. Sie verlangten daraufhin Entschädigung für die entstandenen Kosten der Ersatztickets, sowie der zusätzlichen Übernachtung und führten an, dass die Sicherheitskontrolle nicht ausreichend organisiert gewesen sei. Es sei zu unzumutbaren Wartezeiten gekommen.

Das zunächst angerufene Landgericht hatte die Beklagte (die Bundesrepublik Deutschland) zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem Oberlandesgericht keinen Erfolg. Die Beklagte habe zwar bei der Organisation der Sicherheitskontrolle keine Amtspflichten verletzt, insbesondere nicht zu wenig Personal für die Sicherheitskontrolle eingesetzt, so die Richter. Schadensersatz bei Verpassen des FlugesDen Klägern stehe aber ein Schadensersatzanspruch wegen eines enteignenden Eingriffs zu. Wenn eine eigentlich rechtmäßige Maßnahme unmittelbar zu einem Sonderopfer führe, einem, das die Schwelle des Zumutbaren überschreite, könne ein solcher Anspruch entstehen. Hier habe die Wartezeit zur Gepäck- und Personenkontrolle dazu geführt, dass die Kläger ihren Flug verpasst hatten. Die Kläger müssten sich zwar grundsätzlich auf die Kontrolle und deren Dauer, die erhebliche Zeit in Anspruch nehmen könne, von vornherein einstellen. Ein Fluggast müsse sich aber nicht auf eine beliebige Dauer einstellen, sondern dürfe sich nach den Empfehlungen des Flughafenbetreibers oder Vorgaben der Fluggesellschaft richten, so die Begründung des Frankfurter Oberlandesgericht.

Die Kläger seien rechtzeitig erschienen, und zwar gemäß den Empfehlungen des Frankfurter Flughafens für internationale Flüge. Sie sollten sich zwei Stunden vor Abflug zum Check-In einfinden, den sie unstreitig bereits um 9.00 Uhr absolviert hatten. Von dort hätten sie sich – ohne Trödeln – nach Bekanntgabe des Gates zur dortigen Sicherheitskontrolle begeben und in die Warteschlange spätestens um 10.00 Uhr eingereiht. Auch dies sei rechtzeitig gewesen. Bis zum Ende der Boarding-Zeit verblieben um 10.00 Uhr noch 90 Minuten. Es gebe keine bekannten Hinweise oder Erfahrungswerte, dass dieser Zeitraum nicht hinreiche.

Zwar hätten die Kläger noch in einem Bistro Café und Gebäck erworben und danach die Toilette aufgesucht. Es sei aber nicht festzustellen, dass dies besonders viel Zeit in Anspruch genommen habe; jedenfalls könne der Zeitraum nicht als vorwerfbare Verzögerung beurteilt werden.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 27.1.2021; AZ – 1 U 220/20 –

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Influencer-Agentur haftet durch Impressum für Kennzeichnungsverstöße

Um nicht ihre private Adresse im Impressum öffentlich einsehbar zu machen, nutzen (zumindest größere) Influencer an der Stelle manchmal die Kontaktdaten ihrer Agentur. Denn klar ist, ein Impressum ist laut Telemediengesetzes (TMG) Pflicht. Weil eine solche Agentur im Impressum einer Influencerin angegeben war, muss nun die Agentur für deren Kennzeichnungsverstöße haften. Das entschied das Kölner Landgericht im September 2021.

Grundsätzlich gilt, sobald eine Gegenleistung für einen Post erbracht wurde, sei es mit einer monetären Bezahlung oder einen andersartigen Gegenwert, muss der jeweilige Post als Werbung gekennzeichnet werden. Ein geschäftlicher Hintergrund kann bereits angenommen werden, wenn der Account zum Beispiel zu Marketing-Zwecken genutzt wird. Dann muss im Impressum der Dienste-Anbieter genannt werden. Das ist meist die Person, die über die bereitgestellten Inhalte entscheiden kann, beziehungsweise diese veröffentlicht. Die dort genannte Person muss die Verantwortung für die geposteten Inhalte übernehmen.

Im Impressum genannte Agentur muss auch die Verantwortung übernehmenBei Verstößen übernimmt der oder die postende Influencerin die Haftung. Jedoch nur, wenn sie auch als verantwortliche Person im Impressum angeführt werden. Wenn Influencer unter einem Alias auftreten oder nicht möchten, dass der echte Name oder die Anschrift im Impressum auftauchen, wird eben öfter mal auf die Daten der jeweiligen Agentur ausgewichen. Dadurch muss jedoch die Agentur auch die Verantwortung für gepostete Inhalte tragen.

In dem zu verhandelnden Fall ging es um die fehlende Kennzeichnung von Blog-Beiträgen mit werblichem Charakter. Die Agentur hatte vorgebracht, die Influencerin schützen zu wollen, da sie durch die Veröffentlichung ihrer Adresse gefährdet sei. In solchen Fällen kann tatsächlich erwogen werden, die Adresse der Agentur als c/o-Adresse in das Impressum aufzunehmen. Die Privatadresse muss nicht veröffentlicht werden, wenn dennoch eine ladungsfähige Anschrift bei den genannten Dritten vorhanden ist.

Influencer und ihre Agenturen sollten sich in jedem Fall im Klaren darüber sein, dass die Haftungspflicht nicht unbedingt ausschließlich bei den Erstellern liegt, wenn im Impressum eine andere verantwortliche Person aufgeführt wird – und daher gilt es unbedingt vertragliche Regelungen für den Fall der Fälle zu treffen.

Landgericht Köln, Urteil vom 14.9.2021; AZ – 31 O 88/21 –

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BGH: Mietminderung für Einzelhändler beim Lock-Down möglich

Gewerbetreibende haben bei einer pandemiebedingten Schließung ihrer Geschäftsräume wegen behördlicher Anordnungen grundsätzlich Anspruch auf Mietminderung. Das hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden im Januar 2022 entschieden. Wie hoch der Abschlag ist, muss allerdings im Einzelfall geprüft werden. Eine Pauschalregelung gebe es nicht.

Bei einer Corona-Pandemie bestehe grundsätzlich einen Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage, so die Richter. Es muss allerdings weiterhin erwogen werden, ob dem Mieter ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Bei der Mietminderung müssten immer sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, entschieden die Richter. Dazu zählten zum Beispiel die Umsatzeinbußen für das konkrete Objekt, staatliche Hilfen oder Versicherungsleistungen.

Mietminderung wg. behördlicher Anordnungen möglich?Im konkreten Fall ging es um eine Filiale des Textil-Discounters Kik im Raum Chemnitz, die vom 19. März bis zum 19. April 2020 schließen musste – und für die der Vermieter die volle Miete von rund 7.850 Euro haben wollte. Infolge der behördlich angeordneten Betriebsschließung entrichtete die beklagte Filiale für den Monat April 2020 keine Miete.

Das zunächst zuständige Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung der Miete für den gesamten Monat April 2020 verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Dresden diese erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Beklagte – unter Abweisung der Klage – zur Zahlung von nur etwa der Hälfte der Miete verurteilt. Infolge des Auftretens der COVID-19-Pandemie und der staatlichen Schließungsanordnung sei eine Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrags eingetreten, die eine Anpassung des Vertrags dahin gebiete, dass die Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung auf die Hälfte reduziert werde.

Beide Seiten – Mieter und Vermieter – seien durch die staatlichen Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie belastet, keine Seite trage allein Verantwortung. Halbe/Halbe-Aufteilungen der Miete seien aber zu pauschal, erklärten die Richter am Bundesgerichtshof. Und ordneten eine Neu-Einschätzung der Dresdner OLG an. Die behördlich angeordnete Geschäftsschließung knüpfe allein an die Nutzungsart und den sich daraus ergebenden Publikumsverkehr an, der hier aus Gründen des Infektionsschutzes untersagt werden sollte. Durch die Allgemeinverfügung werde jedoch weder der Beklagten die Nutzung der angemieteten Geschäftsräume noch tatsächlich oder rechtlich die Überlassung der Mieträumlichkeiten verboten. Das Mietobjekt stehe und stand grundsätzlich trotz der Schließungsanordnung weiterhin für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung.

Die Begründung zeigt, dass im Fall einer Pandemie und entsprechender behördlicher Maßnahmen nicht per se eine Mietminderung möglich ist.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.1.2022; AZ – XII ZR 8/21 – 

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Notwegerecht für Grundstücke ohne direkte Anbindung an ein öffentliches Grundstück

Der Eigentümer eines ehemals herrenlosen Weges darf die Nutzung dieses Weges durch die anliegenden Grundstückseigentümer nicht behindern, wenn deren Grund und Boden keine direkte Anbindung an einen öffentlichen Weg haben. Hier liegt ein Notwegerecht vor. Dies hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht im September 2021 entschieden.

Was war der Grund für diese Entscheidung? Die Kläger haben eine Garage auf ihrem Grundstück, die nur über eine Art Notweg erreichbar ist. Der Weg wird auf diese Weise seit 1969 von den jeweiligen Bewohnern des Hausgrundstücks benutzt. Anfang 2019 hatten der Beklagte und seiner Ehefrau das Straßengrundstück erworben. Die Voreigentümer wiederum hatten das Straßengrundstück im Jahr 2017 übernommen, nachdem der Weg durch eine Eigentumsaufgabe herrenlos geworden war – und sich weder die Gemeinde noch die Kläger das Weggrundstück angeeignet hatten.

Wenn ein Grundstück keine direkte Anbindung an einen öffentlichen Weg hat, liegt u.U. ein Notwegerecht vor über ein anderes vor.Im Januar 2019 wandte sich der Beklagte an die Kläger und die anderen Anlieger des Weges. Er untersagte ihnen jegliche Nutzung ohne eine schriftliche Zustimmung und bot Gespräche an, um eine für die Anlieger attraktive Lösung zu finden. Später errichtete dieser Verbotsschilder und sperrte den Weg ab. In einem gerichtlichen Eilverfahren wurde er zur Unterlassung der Sperrung verpflichtet. Mit ihrer Klage verlangen die Kläger vom Beklagten nun, es zu unterlassen, auf dem Weg Hindernisse zu errichten, die die Zufahrt erschwerten.

Das Landgericht Lübeck hat dieser Klage stattgegeben, auch eine Berufung beim Oberlandesgerichts hatte keinen Erfolg, welches entschied, es läge klar ein Notwegerecht vor, da das Garagengrundstück keine direkte Anbindung an ein öffentliches Grundstück habe. Die ordnungsgemäße Benutzung ihres Hausgrundstücks erfordere auch, dass Kraftfahrzeuge zum Haus gelangen können, denn die auf dem Grundstück errichtete Garage sei genehmigt und die Nutzung somit ordnungsgemäß.

Dem Notwegerecht stehe auch nicht entgegen, dass die Kläger auch über zwei andere Wege zu ihrem Grundstück gelangen könnten. Doch der eine Weg kann nicht von Kraftfahrzeugen benutzt werden, und der andere ist ebenfalls Eigentum des Beklagten – und es sei nicht erkennbar, dass die Nutzung dieses zweiten Weges den Beklagten weniger belasten würde.

Der besondere Umstand, dass sich die Kläger den Weg bis zum Jahre 2017 hätten selbst aneignen können, mache ihre Unterlassungsansprüche nicht uunzulässig. Deren Standpunkt, es sei eigentlich Sache der Gemeinde gewesen wäre, das Eigentum an dem Weg zu erwerben, sei nicht sachfremd. Es sei daher auch kein dazu widersprüchliches Verhalten, sich jetzt auf eine Notlage zu berufen.

Urteil des Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht vom 30.9.2021; AZ – 11 U 18/21 –

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Keine Schadensersatzansprüche für Vermieterin gegen die Erben bei Tod eines Wohnungsmieters

Als der Mieter einer Wohnung in Berlin verstarb, beanspruchte die Vermieterin von den Erben die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3.000 Euro Sie behielt daher zunächst einfach die Mietkaution in Höhe von 2.000 Euro ein. Hintergrund war, dass der Leichnam erst nach einigen Tagen gefunden wurde und die Vermieterin sich gezwungen sah die Wohnung reinigen lassen zu müssen. Zudem ließ sie das Laminat neu verlegen. Die Erben akzeptierten diese Vorgehensweise nicht und erhoben schließlich Klage auf Auszahlung der Mietkaution.

Das Amtsgericht Berlin-Tempelhof-Kreuzberg gab der Klage statt. Dessen Auffassung nach stelle das Sterben in der Mietwohnung und die Beeinträchtigung der Wohnung als Folge des Versterbens keine Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs dar.

Keine Schadensersatz-Ansprüche für Vermieterin bei Tod eines WohnungsmietersDas Landgericht Berlin bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts im Wesentlichen. Den Erben stehe der Anspruch auf Auszahlung der Mietkaution zu. Die Vermieterin könne keinen Schadensersatz von ihnen verlangen. Das Gericht hielt es darüber hinaus für völlig fernliegend, dass der Tod eines Wohnungsmieters in dessen Wohnung eine vom Mieter verübte Pflichtverletzung darstellen soll.

Verstirbt ein Mieter in seiner gemieteten Wohnung, so stehen dem Vermieter keine Schadensersatzansprüche gegen die Erben zu. Der Tod eines Wohnungsmieters stellt keine irgendwie geartete Pflichtverletzung dar. Dies hat das Landgericht Berlin im Oktober 2021 klar entschieden. Der Tod eines Mieters in einer Wohnung sei allerdings auch keine Frage des vertragsgemäßen Gebrauchs – wie es das Amtsgericht sah.

Insofern korrigierte das Landgericht die Begründung des Amtsgerichts: Der Tod des Mieters in der Wohnung stelle keine Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs dar. Vielmehr sei der Tod nach Ansicht des Landgerichts ein außerhalb der vertraglichen Pflichtenlage eintretendes Ereignis. Dessen rechtliche Folgen und tatsächliche Auswirkungen hätten einen klaren einen Bezug zum Mietverhältnis. Ein „Verschulden“ könne damit aber selbst bei einer großzügigen Bewertung nach vertraglichen Haftungsmaßstäben kein Argument darstellen. Es bleibt dabei: Schadensersatzansprüche lassen sich daraus auf keinen Fall konstruieren.

Landgericht Berlin, Beschluss vom 5.10.2021; AZ – 66 S 7/21 –

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Kein Anspruch für Erben auf zu Lebzeiten aus Eigeninteresse verschenkte Besitztümer

Die Klage eines Erben wurde vom Landgereicht Koblenz im November 2021 abgelehnt, die auf die Herausgabe eines durch seine Mutter zu Lebzeiten verschenkten Grundstücks abzielte. Die Mutter und Erblasserin habe aus Eigeninteresse gehandelt. Es handele sich nicht um eine ungerechtfertigte Bereicherung der Schwester und jetzigen Beklagten, so die Richter.

Nach dem Tod des Vaters sollte der Kläger / Bruder nach dem bestehenden Testament ursprüngliche ein Grundstück als Alleinerbe erhalten. Der Vater der Parteien verstarb zuerst, so dass die Mutter zur Vorerbin wurde. Die Parteien sowie ein weiterer Bruder wurden zu Nacherben.

Lange nach dem Tod ihres Ehemanns übertrug die Mutter der Beklagten unentgeltlich ein Grundstück in einem anderen Ort, sowie ihren Miteigentumsanteil am betroffenen Grundstück, das ursprünglich der Kläger bekommen sollte. Darüber hinaus erhielt die Beklagte bezüglich des Grundstücks ein kostenloses, lebenslanges Wohnungs- und Gartennutzungsrecht. Im nachfolgenden Jahr erteilte sie der Beklagten zudem eine notarielle Vollmacht.

Kein Anspruch für Erben auf aus Eigeninteresse verschenkte BesitztümerDie Parteien streiten darüber, ob die Beklagte die Mutter in den letzten Lebensjahren versorgt und zuletzt auch gepflegt hat. Ihr Bruder, der Kläger behauptet, dass die mittlerweile verstorbene Mutter kein Eigeninteresse an dieser Schenkung gehabt, sondern mit Absicht zu Lasten des Klägers gehandelt habe. Der Wert des übertragenen Grundbesitzes und der bereits zu Lebzeiten der Mutter an die Beklagte geflossenen Gelder überschritten nach seiner Auffassung den Wert der von der Beklagten erbrachten Leistungen ganz erheblich. Der Bruder klagte daher auf die Übertragung des einen Grundstücks auf ihn selbst und des zweiten an die Erbengemeinschaft sowie die Bewilligung der Löschung des Wohnungs- und Gartennutzungsrechts im Grundbuch.

Kein Anspruch auf Herausgabe der Geschenke bei Eigeninteresse des Schenkenden, beschloss jedoch das Landgericht im wesentlichen Part seines Urteils. Eine Herausgabe des Geschenks hat das Gericht daher abgelehnt. Eine Herausgabe kann nur dann verlangt werden, wenn der Erblasser die Schenkung in der Absicht vorgenommen hat, den einen Erben zu beeinträchtigen. Dies ist zwar schon dann der Fall, wenn der Erblasser weiß, dass er durch das Geschenk das Erbe schmälert. Da der Erblasser (die Mutter) dies jedoch nahezu immer weiß, ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zusätzlich eine Missbrauchsprüfung erforderlich.

Ein Eigeninteresse des Erblassers zu Lebzeiten liegt zum Beispiel dann vor, wenn der Beschenkte (hier die Schwester und Beklagte) ohne rechtliche Verpflichtung sich um Haus, Garten, Einkäufe, Reinigung etc. kümmert, zumal wenn der Erblasser ein Interesse daran hat, dadurch im eigenen Haus wohnen bleiben zu können. Es ist auch als ein anerkennenswertes Eigeninteresse anzusehen, wenn der Erblasser durch das Geschenk eine ihm nahestehende Person an sich zu binden versucht.

Nach der Überzeugung des Gerichts, und auf Grund von Zeugenaussagen, ging die Erblasserin bei der Schenkung davon aus, dass die Beklagte ihr auch weiterhin zur Seite stehen werde, wie es dann tatsächlich auch der Fall war. Das Gericht erkannte zudem, dass der erhebliche Pflegebedarf der Mutter der Parteien anderenfalls zu ganz erheblichen Kosten für einen ambulanten Pflegedienst geführt hätte, um ihrem Wunsch zu entsprechen, im Haus wohnen bleiben zu können.

Landgericht Koblenz, Urteil vom 18.11.2021; AZ – 1 O 222/18 –

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Keine Haftung für Betreiber einer „Fanpage“ bei Datenschutzverstößen von Facebook

Das „Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz“ (ULD) aus Schleswig-Holstein hatte gegenüber der „Wirtschaftsakademie“ im Dezember 2011 angeordnet, die von ihr betriebene Facebook-Fanpage wegen datenschutzrechtlicher Verstöße von Facebook zu deaktivieren. Auf die Klage der Wirtschaftsakademie hin hatte das Verwaltungsgericht im Oktober 2013 den Bescheid zunächst erst einmal aufgehoben. Die dagegen eingelegte Berufung des ULD hatte nach einem ersten Urteil des Oberverwaltungsgerichts im September 2014 keinen Erfolg gehabt.

Eine sogenannte Fanpage dient meistens Unternehmen und Institutionen als Profil in diesem sozialen Netzwerk und unterscheidet sich in vielen Punkten deutlich von einem privaten Facebook-Profil.

Der EuGH entschied schließlich zur Verantwortlichkeit von Fanpage-Betreibern. In dem sich anschließenden Revisionsverfahren hatte das Bundesverwaltungsgericht nämlich zunächst bestimmte Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung vorgelegt. Dabei ging es insbesondere um die Verantwortlichkeit von Fanpagebetreibern und um die Anwendbarkeit deutschen Datenschutzrechts. Nach dessen Entscheidung im Juni 2018 hatte das Bundesverwaltungsgericht dann im September 2019 das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus dem September 2014 aufgehoben. Am Ende wurde die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Haftung für Betreiber einer „Fanpage“ bei Datenschutzverstößen

Das Oberverwaltungsgericht hat insgesamt einen schwerwiegenden Verstoß in der Verwendung der personenbezogenen Daten von im Facebook-Netzwerk registrierten und angemeldeten Personen erkannt. Diese Datenverwendung sei weder gesetzlich erlaubt, noch hätten die Nutzerinnen und Nutzer in diese eingewilligt. Somit müsse auch einer Anweisung des ULD Folge geleistet werden – der Betreiber können die festgestellten Verstöße ja nicht selbständig verändern oder bestimmte Vorgänge verhindern. Die angeordnete Deaktivierung stellt damit eine Konsequenz dieser Situation dar.

Im Übrigen seien die betroffenen Personen nicht hinreichend über sämtliche Daten-Erhebungs und -Verwendungen, die durch den Besuch einer typischen Fanpage angestoßen würden, informiert worden. Für diese Verstöße sei die Klägerin durchaus mitverantwortlich – auch wenn eben keine Haftung als solche vorliege.

Alle anderen zu Beginn des Verfahrens noch streitigen Rechtsfragen waren vorab durch Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts bereits verbindlich geklärt worden. Aktuell liegen weitere schriftliche Urteilsgründe allerdings noch nicht vor.

Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 25.11.2021; AZ – 4 LB 20/13

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Verwaltungsgericht: Anspruch auf Kindergartenplatz ist in zivilrechtlichem Verfahren zu klären

Der „Antragsteller“, ein knapp fünf Jahre alter Junge, fiel in seinem Kindergarten durch aggressives Verhalten auf. Er schubste, kratzte und biss mehrfach andere Kinder. Nachdem trotz mehrerer Elterngespräche eine Besserung nicht eintrat, kündigte der Kindergartenträger das Betreuungsverhältnis fristlos. Dieser sah sich mit dem vorhandenen Personal nicht in der Lage, angemessen auf die Übergriffe des Kindes zu reagieren. Und damit einen „normalen“ Kindergartenplatz zur Verfügung zu stellen.

Tatsächlich hat das Verwaltungsgericht in Göttingen in einem einstweiligen Rechtschutzverfahren den Anspruch des Kindes gegen den Landkreis Göttingen auf Nachweis eines Kindergartenplatz mit Urteil vom Oktober 2021 abgelehnt. Die Eltern des Antragstellers und der Träger des Kindergartens stritten in der Folgezeit um die Rechtmäßigkeit der Kündigung, wobei ein zivilgerichtliches Verfahren (bisher) nicht angestrengt wurde. Der Platz wurde zunächst nicht anderweitig vergeben und bleibt erhalten.

die Frage des gesetzlichen Anspruch auf einen KindergartenplatzDie Eltern des Kindes stellten bei Gericht den Antrag, den Träger im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, jeweils von montags bis freitags einen zumutbaren und bedarfsgerechten Betreuungsplatz zur Förderung in einer Tageseinrichtung von jeweils sechs Stunden in der Zeit zwischen 7.30 und 13.30 Uhr nachzuweisen. Diese sollte zudem durch öffentliche Verkehrsmittel vom Wohnsitz der Eltern innerhalb von 30 Minuten erreichbar sein.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass zwar grundsätzlich durchaus ein Anspruch für den knapp 5-jährigen Antragsteller bestehe. Dieser Anspruch sei allerdings erfüllt worden, indem der Landkreis dem Antragsteller schon 2019 einen Ganztagsplatz nur knapp 15 Gehminuten vom Wohnort entfernt nachgewiesen habe. Die vom Träger der Einrichtung ausgesprochene Kündigung ändere daran nichts. Ihre Rechtmäßigkeit sei zwar noch streitig, dies betreffe jedoch das privatrechtliche Betreuungsverhältnis zwischen den Eltern und dem Träger des Kindergartens. Störungen, die in diesem Vertragsverhältnis auftreten, seien dort zu bewältigen und nicht vor einem Verwaltungsgericht.

Gelangen die Parteien in dieser Frage zu keiner übereinstimmenden Rechtsauffassung, so müssten die Eltern des Kindes eben den ordentlichen Rechtsweg beschreiten – eventuell unter Inanspruchnahme eines möglichen Eilrechtsschutzes. Solange die Rechtmäßigkeit der zivilrechtlichen Kündigung streitig sei, sei es weder Aufgabe des Verwaltungsgerichts noch des zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, die Frage des gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz zu klären. Seitens des Trägers wurde dieser Weg entgegenkommend beschritten, da dieser den Kindergartenplatz weiterhin freihält.

Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 29.10.2021; AZ – 2 B 192/21 –
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 Irina Schmidt