Das Szenario ist für Fluggäste in der heutigen Zeit nicht ungewöhnlich. In Online-Foren wird gerne darüber diskutiert, ob man sich eher drei oder vier statt zwei Stunden vor dem Flug am Flughafen einfindet. Wartezeiten werden also akzeptiert – doch was ist, wenn man trotzdem – wegen langer Sicherheits-Checks – den Flug verpasst? Nach einem aktuellen Urteil des Oberlandesgericht Frankfurt vom Januar 2021 kann es bedeuten, dass man sogar Schadensersatz verlangen kann.
Im konkreten Fall passierten die Kläger die Sicherheitskontrolle zu spät; das Boarding war bereits abgeschlossen als sie den Flugsteig erreichten. Sie verlangten daraufhin Entschädigung für die entstandenen Kosten der Ersatztickets, sowie der zusätzlichen Übernachtung und führten an, dass die Sicherheitskontrolle nicht ausreichend organisiert gewesen sei. Es sei zu unzumutbaren Wartezeiten gekommen.
Das zunächst angerufene Landgericht hatte die Beklagte (die Bundesrepublik Deutschland) zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem Oberlandesgericht keinen Erfolg. Die Beklagte habe zwar bei der Organisation der Sicherheitskontrolle keine Amtspflichten verletzt, insbesondere nicht zu wenig Personal für die Sicherheitskontrolle eingesetzt, so die Richter. Den Klägern stehe aber ein Schadensersatzanspruch wegen eines enteignenden Eingriffs zu. Wenn eine eigentlich rechtmäßige Maßnahme unmittelbar zu einem Sonderopfer führe, einem, das die Schwelle des Zumutbaren überschreite, könne ein solcher Anspruch entstehen. Hier habe die Wartezeit zur Gepäck- und Personenkontrolle dazu geführt, dass die Kläger ihren Flug verpasst hatten. Die Kläger müssten sich zwar grundsätzlich auf die Kontrolle und deren Dauer, die erhebliche Zeit in Anspruch nehmen könne, von vornherein einstellen. Ein Fluggast müsse sich aber nicht auf eine beliebige Dauer einstellen, sondern dürfe sich nach den Empfehlungen des Flughafenbetreibers oder Vorgaben der Fluggesellschaft richten, so die Begründung des Frankfurter Oberlandesgericht.
Die Kläger seien rechtzeitig erschienen, und zwar gemäß den Empfehlungen des Frankfurter Flughafens für internationale Flüge. Sie sollten sich zwei Stunden vor Abflug zum Check-In einfinden, den sie unstreitig bereits um 9.00 Uhr absolviert hatten. Von dort hätten sie sich – ohne Trödeln – nach Bekanntgabe des Gates zur dortigen Sicherheitskontrolle begeben und in die Warteschlange spätestens um 10.00 Uhr eingereiht. Auch dies sei rechtzeitig gewesen. Bis zum Ende der Boarding-Zeit verblieben um 10.00 Uhr noch 90 Minuten. Es gebe keine bekannten Hinweise oder Erfahrungswerte, dass dieser Zeitraum nicht hinreiche.
Zwar hätten die Kläger noch in einem Bistro Café und Gebäck erworben und danach die Toilette aufgesucht. Es sei aber nicht festzustellen, dass dies besonders viel Zeit in Anspruch genommen habe; jedenfalls könne der Zeitraum nicht als vorwerfbare Verzögerung beurteilt werden.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 27.1.2021; AZ – 1 U 220/20 –
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