Umwandlung von Pizzerien: Genehmigungsbedarf bei zusätzlichem Lieferservice

Für Inhaber von Pizzerien kann es attraktiv sein, ihr Geschäft auf einen Lieferservice auszuweiten. Doch wie ein Fall vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zeigt, lauern dabei einige rechtliche Hürden. Es ist keineswegs so, dass diese Änderung ohne weiteres möglich ist. Ganz im Gegenteil: Es kann sogar eine Baugenehmigung erforderlich sein, so das Urteil vom April 2023.

Im betreffenden Fall beantragte eine Pizzeria in Bayern im Mai 2020 eine Baugenehmigung, um den Betrieb in eine Pizzeria mit Lieferservice umzuwandeln. Die zuständige Behörde lehnte diesen Antrag jedoch ab. Begründet wurde die Ablehnung damit, dass sich durch die zusätzliche Lieferfunktion der Schwerpunkt des Geschäfts deutlich ändern würde, zumal mit dieser Änderung auch geänderte Anforderungen an öffentlich-rechtliche Vorschriften verbunden wären. Die geplante Änderung würde zudem neue Lärmemissionen mit sich bringen, die in dem betreffenden Wohngebiet nicht zulässig wären.

Die Pizzeria reichte daraufhin Klage ein, doch das Verwaltungsgericht Ansbach wies deren Klage ab. Die Pizzeria argumentierte damals, dass die Umwandlung in eine Pizzeria mit Lieferservice lediglich eine kleine, zeitgemäße Anpassung an die aktuellen Verhältnisse darstellen würde und daher keine Genehmigung erforderlich sein sollte. Erfahrungsgemäß werde das Angebot zur Selbstabholung durch gebietsnahe Anwohner realisiert. Der Begriff Lieferservice beinhalte, dass gerade das nahe Umfeld beliefert werde und eben nicht das ganze Stadtgebiet. Betriebswirtschaftlich sei denn auch allenfalls eine Lieferzeit von 4-5 Minuten vertretbar. Baugenehmigung, um den Betrieb in eine Pizzeria mit Lieferservice umzuwandeln

Doch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sah das anders. Er bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und erklärte, dass die Ausweitung des Betriebs auf einen Lieferservice tatsächlich eine erhebliche Änderung der Nutzung darstellen würde, für die eine Genehmigung erforderlich sei.

Zudem erklärte das Gericht, dass eine Pizzeria mit Lieferservice in einem allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich unzulässig sei. Da der Schwerpunkt der Tätigkeit im Zweifel auf der Auslieferung von Essen läge, kann der Betrieb nicht mehr als reine Schank- und Speisewirtschaft angesehen werden.  Ein wie immer gearteter Anspruch auf Genehmigung einer Pizzeria mit Lieferservice in einem „Allgemeinen Wohngebiet“ bestehe nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht. Dieses verdeutlicht die rechtlichen Herausforderungen, die sich bei einer vermeintlich marginalen Betriebserweiterung ergeben können.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 19.4.2023; AZ – 9 ZB 22.1495 –

Foto: Strassi

Brautpaar muss Fotografin auch nach Pandemie-bedingter Absage der Hochzeit vergüten

Im Kontext der mehr oder weniger aktuellen Geschehnisse um die Pandemie war der Bundesgerichtshof mit einem Fall konfrontiert, der viele Hochzeitspaare (aber nicht nur die) und Dienstleister gleichermaßen betreffen dürfte. Inmitten der Corona-Pandemie war ein Brautpaar gezwungen, seine geplante Hochzeitsfeier zu verschieben, was Auswirkungen auf das Verhältnis zu ihrer gebuchten Fotografin hatte. Was bewirkt solch eine Absage im Vertragsverhältnis?

Im Kern des Konflikts stand die Anzahlung, die das Brautpaar der Fotografin bereits geleistet hatte. Wegen der durch die Pandemie bedingten Verlegung des Hochzeitstermins verlangten sie diese zurück. Zudem behaupteten sie, der Fotografin stünden keine weiteren Vergütungsansprüche zu, da sie ja den Vertrag gekündigt hätten. Wie steht es also nun um den Vergütungsanspruch von Hochzeitsfotografen (genauso natürlich auch anderer Dienstleister) trotz Pandemie-bedingter Absage?Absage von Dienstleistern - Vergütung?

Obwohl die Hochzeitsfeier aufgrund der Corona-bedingten Beschränkungen nicht im geplanten Umfang durchgeführt werden konnte, stellte der BGH in seinem Urteil vom April 2023 fest, dass dies die Fotografin letzten Endes nicht an der Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen hindere. Der zuständige Bundesgerichtshof urteilte, dass trotz der geltenden landesrechtlichen Vorschriften zur Pandemie die Möglichkeit bestanden hatte, fotografische Leistungen für eine kirchliche Hochzeit und eine Hochzeitsfeier zu erbringen.

Die Entscheidung des Brautpaares anschließend einen anderen Fotografen zu beauftragen, wurde denn auch von dem Gericht als irrelevant angesehen. Dies allein begründe kein Recht auf Vertragsrücktritt oder auf Rückzahlung der Anzahlung. Die Kündigung des Vertrages durch das Brautpaar wurde von den Richtern daher als eine freie Kündigung interpretiert. Daraus entstände für die Fotografin durchaus ein Vergütungsanspruch. Deshalb wurde der Rückzahlungsanspruch des Brautpaares abgelehnt und eine negative Feststellungsklage als unbegründet erklärt.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs gibt damit eine wichtige Orientierung für vergleichbare Fälle vor. Das Urteil verdeutlicht, dass auch in Zeiten von Pandemie-bedingten Unsicherheiten und Änderungen die vertraglichen Verpflichtungen zwischen den Parteien ihre Gültigkeit behalten.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.4.2023; AZ – VII ZR 144/22 –

Foto: Africa Studio

Steuerauswirkungen bei Verkauf der Familien-Immobilie nach einer Scheidung

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom Februar 2023 könnte für geschiedene Paare, die gemeinsam eine Immobilie besitzen, als sehr elementar herausstellen. In diesem Fall entschied der BFH, dass der Verkauf eines Miteigentumsanteils an der gemeinsamen Immobilie nach der Scheidung an den früheren Ehepartner als privates Veräußerungsgeschäft steuerpflichtig sein kann.

Die Situation, die zu dieser Entscheidung führte, war folgende: Ein Paar kaufte 2008 ein Einfamilienhaus und lebte dort mit ihrem gemeinsamen Kind. Als die Ehe 2015 in eine Krise geriet, zog der Ehemann aus. Die Ehefrau und das gemeinsame Kind blieben in der Immobilie. Nach der Scheidung stritten die beiden über die Immobilie, es drohte eine Zwangsversteigerung – und der Ehemann verkaufte schließlich 2017 seinen hälftigen Miteigentumsanteil an die Ehefrau. Das Finanzamt stufte den Gewinn aus dem Verkauf als steuerpflichtig ein, und das Finanzgericht wies die dagegen erhobene Klage ab.

Verkauf der Familien-Immobilie nach einer ScheidungDas Urteil des BFH bestätigte diese Entscheidung. Die Richter stellten fest, dass ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft vorliegt, wenn eine Immobilie innerhalb von 10 Jahren gekauft und wieder verkauft wird. Dies gilt auch für einen hälftigen Miteigentumsanteil, der nach einer Ehescheidung von einem Miteigentümer an den anderen verkauft wird. Die Veräußerung einer Immobilie ist in der Regel nicht steuerpflichtig, wenn sie durchgehend zwischen dem Kauf und dem Verkauf oder im Jahr des Verkaufs und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. In diesem Fall aber zog der Ehemann aus, und nur die geschiedene Ehefrau und das gemeinsame Kind wohnten weiterhin dort.

Es gab auch keine Zwangslage, die das private Veräußerungsgeschäft ausschließen würde, wie z.B. bei einer Enteignung oder Zwangsversteigerung (die zumindest „angedroht“ wurde). Obwohl die geschiedene Ehefrau ihren Ex-Partner erheblich unter Druck gesetzt hatte, verkaufte er seinen Anteil an dem Einfamilienhaus letztlich freiwillig an seine geschiedene Frau.

Diese Entscheidung unterstreicht, wie wichtig es ist, die steuerlichen Auswirkungen von Entscheidungen im Rahmen einer Scheidung zu berücksichtigen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.2.2023; AZ – IX R 11/21–

Foto: VRD

Verzicht auf Zwangsgeld bei Vernachlässigung der Heckenpflege

Wenn Nachbarn sich im Streit um den Rückschnitt von Hecken einigen und einer der Beteiligten der übernommenen Verpflichtung nicht nachkommt, kann das natürlich schnell zum Streit vor Gericht ausarten. Dazu hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einer Entscheidung vom März 2023 eine richtungsweisende Klarstellung vorgenommen.

In dem Fall verpflichtete sich ein Nachbar, die Hecke auf seiner Seite, die sich über die Länge der überdachten Terrasse des anderen Nachbarn erstreckt, auf eine Höhe von 2,50 Metern zu kürzen und diese Höhe beizubehalten. Der andere Nachbar beschwerte sich, dass die Verpflichtung nicht erfüllt wurde und beantragte ein Zwangsgeld gegen die nachlässige Partei. Das Landgericht stimmte diesem Antrag zu und verhängte ein Zwangsgeld von 500 Euro, ersatzweise bei fehlender Beitreibbarkeit einen Tag Zwangshaft.

Zwangsgeld bei Vernachlässigung der HeckenpflegeDie Entscheidung des Landgerichts wurde jedoch von den Richtern des  Oberlandesgericht Frankfurt am Main in Frage gestellt. Es entschied, dass das verhängte Zwangsgeld zur Durchsetzung der vereinbarten Verpflichtung rechtswidrig sei. Der Grund dafür ist, dass der Rückschnitt der Bepflanzung nicht persönlich von dem nachlässigen Nachbarn durchgeführt werden muss, sondern auch von Dritten erfolgen kann. Damit handelt es sich um eine sogenannte vertretbare Handlung. In den Augen des Gerichts war es für die Hausnachbarn, die das Zwangsgeld beantragt hatte, rechtlich und wirtschaftlich irrelevant, wer die Arbeit durchführt.

Diese Partei könnte daher beantragen, die erforderlichen Maßnahmen – immer unter Beachtung der naturschutzrechtlichen Grenzen – selbst durchzuführen. Sollte für die Durchführung der Arbeiten das Betreten des Grundstücks des nachlässigen Nachbarn erforderlich sein, könnte das Gericht auch eine entsprechende Duldungspflicht festlegen.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ist nicht anfechtbar und hat mit seinem Urteil dadurch eine durchaus richtungsweisende Entscheidung getroffen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 24.3.2023; AZ –26 W 1/23 –

Foto: U. J. Alexander

BGH-Urteil zum Annahmeverzug: Fristlose Kündigung bei angebotener Weiterbeschäftigung ist unwirksam

Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BGH) wirft ein neues Licht auf das komplexe Thema fristloser Kündigung und Annahmeverzug. Annahmeverzug bezeichnet eine Situation, in der ein Arbeitgeber die Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers nicht annimmt, obwohl dieser leistungsbereit und -fähig ist. In dem betreffenden Fall war ein technischer Leiter von seiner Arbeitgeberin zunächst fristlos gekündigt und anschließend ein neuer Arbeitsvertrag als Softwareentwickler zu verminderten Bezügen angeboten worden. Der Mitarbeiter lehnte dieses Angebot ab und blieb der Arbeit fern. Daraufhin erfolgte eine erneute Kündigung, diesmal „außerordentlich“.

Die Beurteilung in diesem Fall des BGH mit seinem Urteil vom März 2023 verdeutlicht, dass eine Kündigung, die im Widerspruch zu einem gleichzeitig angebotenen Weiterbeschäftigungsvertrag steht, als unwirksam betrachtet werden kann. So wurde in dem betreffenden Fall entschieden, dass beide Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht beendeten.

Kündigung und AnnahmeverzugDes Weiteren wurde deutlich, dass die Ablehnung eines solchen “Angebots” nicht zwingend auf einen fehlenden Leistungswillen des Mitarbeiters schließen lässt. Im vorliegenden Fall hatte der Mitarbeiter aufgrund der gegen ihn erhobenen Vorwürfe und der Herabwürdigung seiner Person begründeten Grund, eine Weiterbeschäftigung abzulehnen.

Im Rahmen des diskutierten Falles ist besonders bemerkenswert, wie das Gericht den Antrag des Mitarbeiters auf vorläufige Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses beurteilt hat. In vielen Fällen könnte eine solche Anfrage als Widerspruch oder gar Zustimmung zu der Kündigung interpretiert werden. Allerdings hat das Gericht in diesem speziellen Fall eine differenzierte Betrachtung vorgenommen.

Es wurde festgestellt, dass der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung nicht als Zustimmung zur Kündigung oder gar als Hinweis auf eine Zustimmung zu den veränderten Arbeitsbedingungen zu verstehen ist. Vielmehr zielt eine solche Anfrage auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach einer festgestellten Unwirksamkeit der Kündigungen ab.

Das bedeutet, der Mitarbeiter beabsichtigte mit seinem Antrag, seine Tätigkeit fortzusetzen, falls das Gericht zu dem Schluss kommen würde, dass die Kündigungen unwirksam waren. Dies ist eine subtile, aber sehr wichtige Unterscheidung, da sie zeigt, dass der Wunsch nach Weiterbeschäftigung in solchen Fällen nicht zwangsläufig als Zustimmung zu den Bedingungen oder der Legitimität der Kündigung gesehen werden muss.

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung sorgfältig formulierter Kündigungen und die Wichtigkeit von Verträgen, die in Einklang mit den Umständen der Kündigung stehen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.03.2023; AZ – 5 AZR 255/22 –

Foto: Jeanette Dietl

Eigenbedarfsdeckung durch Kleinwindkraftanlagen: Bevorzugte Zulassung im Außenbereich

Eine Installation von Kleinwindkraftanlagen (KWEA), die zur Eigenstromversorgung dienen, kann im Außenbereich bevorzugt genehmigt werden. Diese Tatsache wurde durch ein Urteil vom Februar 2023 am Verwaltungsgericht Koblenz bestätigt – unabhängig davon, ob der mit den KWEA produzierte Strom zur Eigennutzung oder zur Einspeisung in das öffentliche Netz genutzt wird.

Im konkreten Fall beantragten Grundstückseigentümer, deren Grundstück im Außenbereich liegt, einen Bauvorbescheid zur Installation von vier KWEA mit einer Höhe von jeweils 6,5 Metern. Die Antragsteller planten einen umweltfreundlichen Imkereibetrieb zu betreiben, der durch den von den KWEA erzeugten Strom versorgt werden sollte. Die Genehmigung wurde zunächst abgelehnt, da die Behörde argumentierte, dass privilegierte Windenergieanlagen ausschließlich der öffentlichen Versorgung dienen müssen – und es den Antragstellern nicht darum ginge, den erzeugten Strom ins öffentliche Netz einzuspeisen. Bevorzugte Zulassung von KWEA

Die Eigentümer argumentierten hingegen, dass ihr Projekt keine Genehmigung benötige, da es einem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Sie beharrten darauf, dass ihr Vorhaben auch ohne die Erlaubnis der Behörden fortgesetzt werden könne.

Das Verwaltungsgericht in Koblenz bestätigte teilweise die Ansichten der Eigentümer. Es stellte klar, dass das Projekt zwar genehmigungspflichtig sei, da es nicht als landwirtschaftlicher Betrieb im herkömmlichen Sinne angesehen werden könne. Das Gericht stellte jedoch fest, dass die Errichtung von Kleinwindkraftanlagen trotzdem privilegiert sei, weil sie der Nutzung der Windenergie dient. Sowohl dem Wortlaut als auch der Systematik der gesetzlichen Vorschrift lasse sich ein Ausschluss von Kleinwindenergieanlagen zur Deckung des Eigenbedarfs nicht entnehmen. Schließlich spreche auch der Sinn und Zweck des Privilegierungstatbestandes – die Förderung der Windenergie als positiven Beitrag zum Klimaschutz – für dieses Verständnis. Die Nutzung von Windenergie trage positiv zum Klimaschutz bei, was der Grund dafür sei, dass solche Projekte bevorzugt behandelt werden. Im konkreten Fall wurden keine öffentlichen Belange festgestellt, die gegen das Projekt sprechen könnten. Die Anlagen würden das Landschaftsbild nicht (erheblich) beeinträchtigten, insbesondere, da die Antragsteller anboten die Farbe der KWEA an die umliegenden Bäume anzupassen.

Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 27.2.2023; AZ – 1 K 604/22.KO –

Foto: TimSiegert-batcam

Fehlender Arbeitsantritt bei mangelnder Unterstützung durch Jobcenter ist kein sozialwidriges Verhalten

Ein im Januar 2023 ergangenes Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen hat wichtige Auswirkungen auf die Interpretation von sogenanntem sozialwidrigem Verhalten im Kontext von Jobcenter-Leistungen. Der Fall drehte sich um einen Langzeitarbeitslosen, der eine Stelle in einer anderen Stadt nicht antreten konnte, weil das Jobcenter nicht die erforderliche Unterstützung bot. Ein Arbeitsantritt sei in der Tat nicht möglich.

Der betroffene Mann, Jahrgang 1962, stammt aus Osnabrück und war bis 2003 als Buchhalter tätig. Nach dieser Zeit folgten Phasen von Arbeitslosigkeit und diversen Hilfsarbeiten. Obwohl er sich viele Jahre erfolglos auf Stellen als Buchhalter beworben hatte, erhielt er 2019 unerwartet einen Arbeitsvertrag für eine entsprechende Stelle in Düsseldorf.

Ein Arbeitsantritt muss evtl. vom Job-Center unterstützt werden.Sein Arbeitsantritt scheiterte jedoch, da das Jobcenter die Übernahme der Mietkaution für seine neue Wohnung ablehnte, was einen notwendigen Umzug verhinderte. Im Jahr darauf forderte das Jobcenter die Rückzahlung von rund 6.800 Euro an Grundsicherungsleistungen, mit der Begründung, der Mann habe durch sein Ausbleiben vom Arbeitsantritt vorsätzlich ein Arbeitsverhältnis verhindert.

In seiner Verteidigung argumentierte der Mann, dass er nicht schuld an der Nichtannahme der Stelle war. Er konnte den Mietvertrag in Düsseldorf nicht unterschreiben, da er kein Geld für die Kaution hatte und noch nicht aus seinem alten Mietvertrag entlassen war.

Das Gericht stimmte der Argumentation des Mannes zu und entschied, dass das Nichtantreten einer Arbeitsstelle außerhalb des Tagespendelbereichs kein sozialwidriges Verhalten darstellt. Speziell, wenn der Arbeitsuchende am künftigen Beschäftigungsort keine Wohnung anmieten kann, weil ihm die Mittel für eine Mietkaution fehlen und das Jobcenter die Übernahme ablehnt.

Der Fall zeigt, dass bei der Beurteilung von sozialwidrigem Verhalten das Handeln und die Unterstützung durch das Jobcenter berücksichtigt werden müssen. In diesem speziellen Fall hat das Jobcenter den Mann „allein gelassen“ – ein vorwerfbares sozialwidriges Verhalten lag daher nicht vor.

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.1.2023; AZ – L 11 AS 336/21

Foto: Elnur

Fristgerechte Räumung des Gewerbemieter: Keine Bestätigungspflicht bei Kündigung

Mit einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Dezember 2022 wurde klargestellt, dass ein Gewerbemieter keine Pflicht hat, dem Vermieter die fristgerechte Räumung nach einer Kündigung zu bestätigen. Das Gericht urteilte, dass das Schweigen des Mieters in einem solchen Fall keine vorbeugende Räumungsklage rechtfertigt.

Der zugrunde liegende Fall betraf die ordentliche Kündigung eines Gewerbemieters im März 2022. Die Mieterin sollte bis Ende September 2022 die Räumlichkeiten räumen. Da sie auf das Kündigungsschreiben nicht antwortete, baten die Vermieter im April und Mai 2022 um Bestätigung der fristgerechten Räumung. Als auch hier keine Reaktion erfolgte, erhoben die Vermieter eine vorbeugende Räumungsklage. Die Mieterin erkannte den Anspruch an, war jedoch der Meinung, nicht für die Verfahrenskosten aufkommen zu müssen.

Räumung: Gewerbemieter zur Bestätigung verpflichtet?Das Landgericht Duisburg entschied zunächst, dass die Mieterin die Kosten tragen müsse, da sie Anlass zur Klageerhebung gegeben habe. Die Mieterin legte jedoch umgehend Beschwerde gegen diese Entscheidung ein.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied denn auch zugunsten der Mieterin. Sie müsse die Verfahrenskosten nicht tragen, sondern die Kläger entsprechend der gesetzlichen Regelung. Die Mieterin habe keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, da sie keine aktiven Handlungen vorgenommen habe, die den Klägern Anlass zur Befürchtung gaben, sie würde nicht fristgerecht ausziehen.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist ein Gewerbemieter in der Regel nicht verpflichtet, dem Vermieter vor Fälligkeit die Bereitschaft zur Erfüllung der Kündigung (und damit Räumung) anzuzeigen. Die bloße Untätigkeit des Mieters sei für einen besonnenen Vermieter kein berechtigter Grund zur Annahme, dass sein Anspruch ohne gerichtliche Hilfe nicht fristgerecht erfüllt werde. Die Erfüllungsbereitschaft schriftlich zu bestätigen, könne sogar nachteilig für den Mieter sein, da sie als Anerkenntnis oder Zeugnis gegen sich selbst gewertet werden könne. Letztlich biete auch eine positive Rückmeldung keine Gewissheit darüber, ob der Mieter seiner Räumungspflicht fristgerecht nachkommt.

Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 07.12.2022; AZ – 24 W 39/22 –

Foto: pfluegler photo

Unwirksame Klausel bei der Immobilienmakler-Reservierungsgebühr

Manchmal vereinbaren potenzielle Käufer mit Maklern eine Reservierungsgebühr für eine vermeintlich perfekte Immobilie, die sie gefunden haben. Sollte der Kauf jedoch nicht zustande kommen, so der Bundesgerichtshof, muss der Makler die Gebühr zurückerstatten.

In einem aktuellen Fall hat der Bundesgerichtshof (BGH) im April 2023 entschieden, dass eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) unwirksam ist, wenn die Kunden von Immobilienmaklern zur Zahlung einer Reservierungsgebühr verpflichtet und eine Rückzahlung ausnahmslos ausschließt. Die Richter stellten fest, dass Kunden in solchen Fällen unangemessen benachteiligt werden, da sie keine nennenswerten Vorteile oder eine geldwerte Gegenleistung des Maklers erhalten würden und zudem auch nicht verpflichtet sind, eine erfolgsunabhängige Provision zu zahlen.

Reservierungsgebühr für eine vermeintlich perfekte ImmobilieIm vorliegenden Streitfall aus Sachsen hatten die Kläger auf der Suche nach einem Eigenheim einen Maklervertrag und später einen Reservierungsvertrag mit einer Immobilienmaklerin abgeschlossen. Die Reservierungsgebühr betrug 4.200 Euro (1% des Kaufpreises) und sollte das ausgewählte Grundstück bis zu einem festgelegten Datum exklusiv für die Kläger vorhalten. Als die Kläger vom Kauf zurücktraten, forderten sie die Rückzahlung der Reservierungsgebühr. In den Vorinstanzen wurde ihre Klage abgewiesen.

Der BGH stellte sich jedoch auf die Seite der Kläger und verurteilte die beklagte Immobilienmaklerin zur Rückzahlung der Reservierungsgebühr. Der Reservierungsvertrag unterliegt der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, da es sich dabei um eine den Maklervertrag ergänzende Regelung und nicht um eine eigenständige Vereinbarung handelt.

Der BGH betonte, dass der Ausschluss der Rückzahlung der Reservierungsgebühr unangemessen sei und die Maklerkunden benachteilige. Die Kunden erhalten aus dem Reservierungsvertrag keine wirklichen Vorteile oder gar eine geldwerte Gegenleistung des Maklers. Zudem käme der Reservierungsvertrag der Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Provision zugunsten des Maklers gleich, was dem Leitbild der gesetzlichen Regelung von Maklerverträgen widerspreche.

Diese Entscheidung ergänzt eine ähnliche Entscheidung aus dem Jahr 2010, bei der eine entsprechende Klausel bereits von Anfang an im Maklervertrag enthalten war.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.4.2023; AZ – I ZR 113/22 –

Foto: Studio Romantic

Kiesbeete sind keine Grünflächen: Bauaufsichtsbehörden können die Beseitigung von Schottergärten anordnen

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in einem Urteil vom Januar 2023 entschieden, dass Schottergärten nicht als Grünflächen im Sinne der Niedersächsischen Bauordnung angesehen werden können. Dieses Urteil hat bedeutende rechtliche Auswirkungen für Immobilieneigentümer und kann dazu führen, dass die Beseitigung von Schottergärten von den Bauaufsichtsbehörden angeordnet wird.

Im zugrundeliegenden Fall hatten die Eigentümer eines Einfamilienhauses zwei Beete mit einer Gesamtfläche von etwa 50 Quadratmetern im Vorgarten angelegt. Die Beete waren mit Kies bedeckt und enthielten vereinzelte Pflanzen. Die Eigentümer argumentierten, dass es sich bei den Beeten aufgrund der Anzahl und Höhe der eingesetzten Pflanzen um Grünflächen handele. Sie verwiesen zudem auf die Rasenflächen und Anpflanzungen hinter ihrem Haus, die insgesamt einen ökologisch wertvollen Lebensraum darstellten.

Beseitigung von SchottergärtenDas Oberverwaltungsgericht stimmte dieser Argumentation jedoch nicht zu und urteilte, dass die Beete nicht als Grünflächen gelten. Sie wurden als Kiesbeete eingestuft, in denen punktuell Koniferen, Sträucher und Bodendecker gepflanzt waren. Grünflächen, so das Gericht, seien durch naturbelassene oder angelegte, mit Pflanzen bewachsene Flächen charakterisiert. Ein wesentliches Merkmal einer Grünfläche sei ihr „grüner Charakter“.

Steinelemente können zwar in Grünflächen enthalten sein, aber nur, wenn sie nach einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls eine untergeordnete Bedeutung haben. Die Tatsache, dass die nicht überbauten Flächen insgesamt „überwiegend“ Grünflächen sein müssten, bedeute nicht, dass die Kiesbeete im Vorgarten der Kläger zulässig wären. Dies widerspreche der Intention des Gesetzgebers, die „Versteinerung der Stadt“ auf das notwendige Maß zu begrenzen. Der Beschluss des Gerichts ist nicht anfechtbar.

Die Beseitigung von Schottergärten und die Schaffung von Grünflächen können Kosten verursachen und rechtliche Auseinandersetzungen nach sich ziehen. Daher gilt es (in Niedersachsen), sich bei der Planung und Gestaltung von Gärten an die gesetzlichen Vorgaben zu halten – die zudem schon seit über zehn Jahren gelten und längst Allgemeingut sein sollten.

Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 17.01.2023; AZ – 1 LA 20/22 –

Foto: U. J. Alexander