BGH-Entscheidung: Unfallbedingte Wertminderung bei reparierten Fahrzeugen

Nach einem Verkehrsunfall entsteht häufig eine besondere Form der Wertminderung, die fachlich als „merkantiler Minderwert“ bezeichnet wird. Diese unfallbedingte Wertminderung tritt selbst dann ein, wenn das Fahrzeug fachgerecht und vollständig repariert wurde. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun eine wichtige Entscheidung zur Berechnung dieser Wertdifferenz getroffen.

Die unfallbedingte Wertminderung entsteht dadurch, dass Unfallfahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt generell niedrigere Preise erzielen als vergleichbare unfallfreie Fahrzeuge. Diese Differenz können Geschädigte als Schadensersatz geltend machen – unabhängig davon, ob sie das Fahrzeug später tatsächlich verkaufen möchten oder nicht.

In seiner Entscheidung vom Juli 2024 hat der BGH klargestellt, dass die Berechnung der unfallbedingten Wertminderung grundsätzlich auf Basis der Nettoverkaufspreise erfolgen muss. Dies gilt sowohl für gewerbliche als auch für private Verkäufer. Bei gewerblichen Verkäufern würde die Umsatzsteuer ohnehin nur als durchlaufender Posten an das Finanzamt weitergeleitet. Private Verkäufer dürfen hingegen gar keine Umsatzsteuer berechnen.

Eine sachverständige Begutachtung sollte von vornherein die Nettopreise als Bewertungsgrundlage heranziehen.Wurde die Wertminderung bisher auf Grundlage von Bruttoverkaufspreisen ermittelt, muss der entsprechende Umsatzsteueranteil vom errechneten Betrag abgezogen werden. Der Bundesgerichtshof will damit eine ungerechtfertigte finanzielle Besserstellung des Geschädigten vermeiden.

Die Entscheidung wirft auch die praktische Frage auf, welche Preise private Verkäufer tatsächlich am Markt erzielen können. Auch wenn diese formal Nettopreise darstellen, können sie durchaus in der Höhe an die Bruttopreise gewerblicher Anbieter heranreichen.

Für Geschädigte bedeutet die Entscheidung, dass sie bei der Geltendmachung der unfallbedingten Wertminderung besonders auf die korrekte Berechnung achten müssen. Eine sachverständige Begutachtung sollte daher von vornherein die Nettopreise als Bewertungsgrundlage heranziehen.

Der konkrete Fall, den der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte, betraf ein geleastes Fahrzeug mit einer geltend gemachten Wertminderung von 1.250 Euro. Die Versicherung hatte zunächst nur 700 Euro gezahlt. Das Berufungsgericht hatte eine Wertminderung von 1.000 Euro festgestellt, ohne zu klären, ob dieser auf Brutto- oder Nettopreisen basierte. Der Bundesgerichtshof verwies den Fall daher zur erneuten Verhandlung zurück.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.7.2024; AZ – VI ZR 188/22 –

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Masernimpfnachweis im Schulalltag: Rechtsprechung, Konsequenzen und Vollzugspraxis

Die rechtliche Situation beim Masernimpfnachweis für Schulkinder stellt sich deutlich differenzierter dar als bei Kindern in vorschulischen Einrichtungen. Ein Fall aus Nordrhein-Westfalen von 2024 verdeutlicht die komplexe Abwägung zwischen Schulpflicht und gesundheitlichem Gemeinschaftsschutz. Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigte im Juli 2024 die Rechtmäßigkeit behördlicher Maßnahmen zur Durchsetzung der Nachweispflicht. Die Entscheidung stützt sich auf die grundlegende Überlegung, dass der Schutz besonders gefährdeter Personen in Gemeinschaftseinrichtungen ein wichtiges gesellschaftliches Anliegen darstellt. Besonders relevant wird dieser Aspekt für Menschen, die aus medizinischen Gründen selbst keine Impfung erhalten können.

Die praktische Umsetzung dieser rechtlichen Vorgaben spiegelt sich in den Zahlen der verhängten Ordnungsmaßnahmen wider. Allein in Sachsen mussten die Behörden in den vergangenen zwei Jahren mehrere hundert Bußgeldbescheide ausstellen. Der Landkreis Görlitz verzeichnete im Jahr 2023 insgesamt 314 Fälle, während die Stadt Leipzig 184 Ordnungswidrigkeitsverfahren einleitete.

Der Masernimpfnachweis ist bei Schulen als eine klare Pflicht anzusehen.Eine Besonderheit ergibt sich aus dem Verhältnis von Schulpflicht und Masernimpfnachweis. Anders als bei Kindertagesstätten führt das Fehlen eines Nachweises nicht zum Ausschluss vom Unterricht. Die Gesundheitsämter können jedoch Bußgelder gegen die Erziehungsberechtigten verhängen. Die Höhe dieser Bußgelder bewegt sich meist zwischen 50 und 250 Euro, kann theoretisch aber bis zu 2.500 Euro betragen.

Die Dringlichkeit der Maßnahmen wird durch aktuelle Ereignisse unterstrichen. Ein kürzlicher Masernausbruch im Vogtland betraf vorwiegend unzureichend immunisierte Kinder. Dies verdeutlicht die fortbestehende gesundheitliche Relevanz der Nachweispflicht.

Die gerichtliche Bewertung der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt das hohe Infektionsrisiko in Schulen. Die Durchsetzung mittels Zwangsgelds wurde als angemessenes Mittel eingestuft, da sie einen ausgewogenen Kompromiss zwischen gesundheitlichem Schutz und der Gewährleistung des Schulbesuchs darstellt. Der Masernimpfnachweis ist bei Schulen damit als eine klare Pflicht anzusehen.

Die behördliche Praxis zeigt deutliche regionale Unterschiede. Während einige Landkreise vorrangig moderate Bußgelder verhängen, setzen andere Behörden auf intensivere Kontrollen und höhere Strafen. Diese unterschiedlichen Ansätze spiegeln die lokalen Gegebenheiten und Erfahrungen wider. Dennoch bleibt das übergeordnete Ziel einheitlich: Der Schutz der Schulgemeinschaft vor einer hochansteckenden Krankheit.

Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 16.7.2024; AZ – 13 B 1281/23 –

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Verzicht auf Mindesturlaub oder Abgeltung während Arbeitsverhältnis unzulässig

Das Bundesurlaubsgesetz regelt den gesetzlichen Mindesturlaub und die entsprechende Urlaubsabgeltung für Arbeitnehmer. Diese Ansprüche sollen während des bestehenden Arbeitsverhältnisses unverzichtbar sein. Eine vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die den Verzicht auf den Mindesturlaub oder dessen Abgeltung vorsieht, ist somit nicht zulässig, solange das Arbeitsverhältnis andauert. Erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eröffnet sich die Möglichkeit eines Verzichts.

Dieser Grundsatz wurde durch ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom April 2024 bekräftigt. Im zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien eines Arbeitsvertrags im Januar 2023 vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis zum 30.4.2023 enden und sämtliche Urlaubsansprüche als in Natur gewährt gelten sollten. Der Arbeitnehmer konnte im Jahr 2023 krankheitsbedingt keinen Urlaub nehmen. Trotz der getroffenen Vereinbarung klagte er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Urlaubsabgeltung – und erhielt sowohl in erster als auch in zweiter Instanz Recht.

Der gesetzliche Mindesturlaub und die Urlaubsabgeltung sind während des Arbeitsverhältnisses unverzichtbar.Das Landesarbeitsgericht begründete seine Entscheidung mit dem Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen. Diese sollen sicherstellen, dass der Anspruch auf den Mindesturlaub und dessen Abgeltung während des laufenden Arbeitsverhältnisses gewahrt bleiben. Eine Vereinbarung, die diese Ansprüche ausschließt oder beschränkt, würde den Schutzzweck verfehlen.

Die Richter stellten klar, dass der Zeitpunkt der getroffenen Vereinbarung entscheidend ist. Da diese im Januar 2023 und somit während des laufenden Arbeitsverhältnisses geschlossen wurde, war sie unzulässig. Unerheblich sei dabei, dass das bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt bereits feststand.

Auch einen sogenannten Tatsachenvergleich, bei dem sich das Nachgeben auf eine Ungewissheit im Tatsächlichen bezieht, verneinte das Gericht. Ein solcher Vergleich könne sich nicht auf eine völlig unstreitige Forderung beziehen. Im vorliegenden Fall habe kein Streit über die Anzahl der aufgrund der Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Jahr 2023 noch nicht gewährten Urlaubstage bestanden. Das Entstehen, der Umfang und die Nichterfüllung der gesetzlichen Urlaubsansprüche seien unstrittig gewesen.

Das Urteil unterstreicht den hohen Stellenwert des gesetzlichen Mindesturlaubs und der entsprechenden Urlaubsabgeltung. Diese stehen während des Arbeitsverhältnisses nicht zur Disposition der Vertragsparteien. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können nicht einvernehmlich auf diese Ansprüche verzichten. Erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht die Möglichkeit einer abweichenden Vereinbarung.

Die Entscheidung schafft Klarheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer: Der gesetzliche Mindesturlaub und die Urlaubsabgeltung sind während des Arbeitsverhältnisses unverzichtbar. Eine Vereinbarung, die hiervon abweicht, ist unwirksam – unabhängig davon, ob das Ende des Arbeitsverhältnisses bereits feststeht. Erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses können die Parteien über einen Verzicht disponieren.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 11.4.2024; AZ –  7 Sa 516/23 –

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Errichtung von E-Ladesäulen: Grundstückseigentümer sind zur Duldung verpflichtet

Die fortschreitende Elektromobilität verändert zunehmend das Erscheinungsbild deutscher Straßen. Eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom Oktober 2022 stärkt den weiteren Ausbau der Ladeinfrastruktur. Der Fall betrifft einen Hauseigentümer, der sich gegen die Installation von E-Ladesäulen vor seinem Grundstück wehrte.

Die richterliche Entscheidung macht deutlich, dass Grundstückseigentümer die Errichtung von Ladesäulen im öffentlichen Straßenraum grundsätzlich akzeptieren müssen. Dies gilt auch dann, wenn sich das betroffene Grundstück in einem reinen Wohngebiet befindet. Die Richter bewerteten die mit der Nutzung von E-Ladesäulen einhergehenden Beeinträchtigungen als sozialadäquat und damit zumutbar.

Besonders bemerkenswert ist die Einschätzung des Gerichts zu den nächtlichen Nutzungszeiten. Die Argumentation des Eigentümers, der sich gegen Lärmbelästigungen durch nächtliches Ein- und Aussteigen, Türenschlagen sowie Gespräche der Fahrzeugnutzer wandte, überzeugte nicht. Das Gericht stellte klar: Selbst in reinen Wohngebieten besteht kein Anspruch auf vollständige nächtliche Ruhe.

E-Ladesäulen müssen auch vor dem eigenen Haus und in einem Wohnrevier akzeptiert werden.Diese Rechtsprechung berücksichtigt die gesellschaftliche Bedeutung der Elektromobilität. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur stellt einen wesentlichen Baustein für den Erfolg der Verkehrswende dar. Gleichzeitig wirft die Entscheidung ein Schlaglicht auf die Herausforderungen beim Infrastrukturausbau. Neben Lärmaspekten durch Kühlungsprozesse während der Ladevorgänge ergeben sich auch Fragen zur Parkraumsituation. E-Ladesäulen vor dem eigenen Haus sind damit ganz klar hinzunehmen.

Die Entwicklung zeigt: Die Integration von Ladeinfrastruktur in bestehende Wohngebiete erfordert einen ausgewogenen Interessenausgleich. Die Gerichte orientieren sich dabei an der Straßenverkehrsordnung, die das Parken von Elektrofahrzeugen im öffentlichen Raum ausdrücklich ermöglicht. Diese rechtliche Einordnung verdeutlicht den Vorrang des Gemeingebrauchs vor individuellen Belangen einzelner Anwohner.

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts folgt damit einem bundesweiten Trend zur Förderung nachhaltiger Mobilitätskonzepte. Gerade in dicht besiedelten urbanen Räumen entstehen dadurch neue Anforderungen an die Gestaltung des öffentlichen Raums. Kommunen stehen vor der Aufgabe, die steigende Nachfrage nach Ladeinfrastruktur mit den Bedürfnissen der Anwohner in Einklang zu bringen.

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.10.2022; AZ – OVG 1 S 28/22 –

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Bundesgerichtshof verschärft Anforderungen an umweltbezogene Werbung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Anforderungen an Werbung mit umweltbezogenen Begriffen wie „klimaneutral“ deutlich verschärft. In einem Urteil vom Juni 2024 entschieden die Richter, dass mehrdeutige Umweltbegriffe in der Werbung nur dann zulässig sind, wenn die Unternehmen direkt in der Werbung erläutern, was sie darunter verstehen. Anlass für die Entscheidung war eine Klage der Wettbewerbszentrale gegen den Süßwarenhersteller Katjes.

Das Unternehmen hatte in einer Werbeanzeige einer Fachzeitschrift damit geworben, seit 2021 „klimaneutral“ zu produzieren. Allerdings ist der Herstellungsprozess der Katjes-Produkte nicht tatsächlich CO2-neutral. Vielmehr unterstützt das Unternehmen als Ausgleich für seine CO2-Emissionen Klimaschutzprojekte über einen Partner. Einen Hinweis darauf enthielt die Anzeige lediglich in Form eines Logos mit Link auf die Website des Partners.

Der BGH erklärte diese Werbung für unzulässig. Die Richter machten deutlich, dass der Begriff „klimaneutral“ von den Verkehrskreisen auf zweierlei Weise verstanden werden könne: Zum einen als Vermeidung bzw. Verringerung von CO2-Emissionen im Produktionsprozess selbst, zum anderen als nachträgliche Kompensation des entstandenen CO2 durch Unterstützung von Klimaschutzprojekten.

Verbraucher müssen unmittelbar und unmissverständlich darüber informiert werden, was genau sich hinter ökologischen Werbebotschaften wie „klimaneutral“ verbirgt

Beispiel

 Gerade bei umweltbezogenen Werbeaussagen bestehe für die angesprochenen Verbraucher jedoch ein erhöhtes Aufklärungs- und Informationsbedürfnis. Denn in diesem sensiblen Bereich sei die Irreführungsgefahr besonders groß. Um Verbraucher nicht in die Irre zu führen, müssten Werbende daher bei der Verwendung von mehrdeutigen Umweltbegriffen wie „klimaneutral“ direkt in der Werbung klarstellen, was genau gemeint ist.

Ergänzende Hinweise und Erläuterungen auf verlinkten Webseiten seien dafür nicht ausreichend, auch wenn diese direkt aus der Werbung heraus erreichbar sind. Irreführende Umweltwerbung sei wettbewerbsrechtlich relevant, da ökologische Aspekte die Kaufentscheidungen von Verbrauchern maßgeblich beeinflussen können.

Das BGH-Urteil unterstreicht die wachsende Bedeutung von Transparenz und Klarheit bei umweltbezogener Werbung. Es schafft mehr Rechtssicherheit für Unternehmen und schützt gleichzeitig Verbraucher vor irreführenden Werbeversprechen. Werbetreibende sind nunmehr gehalten, Verbraucher unmittelbar und unmissverständlich darüber zu informieren, was genau sich hinter ökologischen Werbebotschaften wie „klimaneutral“ verbirgt – sei es eine emissionsärmere Produktion oder lediglich eine nachträgliche Kompensation.

Nur wenn Verbraucher die tatsächliche Bedeutung solch schlagkräftiger, aber interpretationsoffener Werbebegriffe auf Anhieb erfassen können, sind sie in der Lage, sich ein zutreffendes Bild zu machen und eine informierte Kaufentscheidung zu treffen. Wer bei der Bewerbung seiner Produkte und Dienstleistungen mit Umweltargumenten wirbt, muss daher künftig noch genauer hinschauen und darf die werbliche Kommunikation nicht dem Zufall oder der Interpretation der Verbraucher überlassen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.6.2024; AZ – I ZR 98/23 –

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Aufbewahrungspflicht für Abmahnungen nach Ende des Arbeitsverhältnis

Eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Sachsen vom März 2023 befasst sich mit der Frage, ob ehemalige Mitarbeiter die Entfernung von Abmahnungen aus ihrer in Papierform geführten Personalakte verlangen können. Der Fall betraf eine Sachbearbeiterin, die nach Ende ihres Arbeitsverhältnisses im Jahr 2020 die Beseitigung zweier Abmahnungen aus ihrer Personalakte forderte.

Das Gericht lehnte diesen Anspruch grundsätzlich ab. Generell müssen Arbeitgeber nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses keine Abmahnungen aus den Personalunterlagen entfernen. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn nachweislich konkrete Nachteile für den ehemaligen Mitarbeiter durch den Verbleib der Abmahnung in der Akte entstehen können. Die Beweislast für solche möglichen Nachteile liegt bei den ehemaligen Mitarbeitern.

Diese gerichtliche Entscheidung verdeutlicht so ganz klar die unterschiedliche rechtliche Behandlung von digitalen und analogen Personalakten. Besonders interessant ist die Bewertung des datenschutzrechtlichen Aspekts durch das Gericht. Bei Personalakten in Papierform greift die Datenschutzgrundverordnung nicht. Der Grund: Diese Verordnung bezieht sich ausschließlich auf strukturierte Dateisysteme. Konventionell geführte Akten, die nicht nach speziellen Kriterien geordnet sind, fallen nicht in ihren Anwendungsbereich.

Das Gericht betont dabei einen wichtigen Grundsatz: Bei der Führung von Personalakten steht die Vollständigkeit im Vordergrund – nicht die Datensparsamkeit. Diese Entscheidung stärkt die Position der Arbeitgeber bei der Aufbewahrung von Personalunterlagen und schafft Rechtssicherheit für den Umgang mit Abmahnungen nach Beendigung von Arbeitsverhältnissen.

Diese gerichtliche Entscheidung verdeutlicht so ganz klar die unterschiedliche rechtliche Behandlung von digitalen und analogen Personalakten. Während bei digitalen Systemen die strengen Regeln der Datenschutzgrundverordnung greifen, gelten für Papierakten die klassischen arbeitsrechtlichen Grundsätze.

Landesarbeitsgericht Sachsen, Urteil vom 31.03.2023; Az– 4 Sa 117/21 –

Foto: Gina Sanders

Zuweisung eines Familienhund nach Trennung: Tierwohl im Vordergrund

Die Entscheidung des Amtsgerichts Marburg vom November 2023 wirft ein Schlaglicht auf einen oft übersehenen Aspekt von Trennungen – das Schicksal gemeinsamer Haustiere. Das Gericht stellte klar, dass bei solchen Entscheidungen wie bei der Zuweisung eines Familienhund nicht etwa das Verhalten der Ehepartner, sondern das Wohlergehen des Tieres den Ausschlag gibt. Faktoren wie die Hauptbezugsperson des Hundes, die Fähigkeit zur Pflege und die Bereitstellung einer artgerechten Umgebung waren ausschlaggebend für die richterliche Entscheidung.

Im August 2023 trennte sich ein Ehepaar in Hessen. Die Ehefrau nahm den gemeinsamen Hund mit, ohne den Ehemann darüber zu informieren oder ihm den neuen Aufenthaltsort mitzuteilen. Der Ehemann leitete daraufhin ein Gerichtsverfahren ein, um die Zuweisung des Hundes zu klären. Das Amtsgericht Marburg entschied in diesem Fall zugunsten des Ehemannes. Der Hund wurde ihm für die Zeit der Trennung bis zur rechtskräftigen Scheidung zugewiesen. Bei dieser Entscheidung stand das Wohl des Tieres ganz klar im Fokus.

Gerichtsentscheidung zur Zuweisung eines Familienhund nach Trennung.Obwohl Familienhund sicher nicht als Sache behandelt werden sollte, wendete das Gericht die Regelungen zur Aufteilung des Hausrats auf diesen Fall an. Entscheidend für die Zuweisung war die Frage, wer die Hauptbezugsperson des Hundes ist und wer am besten für ein artgerechtes Umfeld sorgen kann. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Ehemann diese Kriterien am besten erfüllt. Er konnte gewährleisten, dass der Hund in seinem gewohnten Umfeld bleiben kann. Besonders wichtig war dabei die Möglichkeit für den Hund, sich frei im Garten zu bewegen. Dies wurde als erheblicher Zugewinn an Lebensqualität für das Tier gewertet.

Zwar musste berücksichtigt werden, dass der Ehemann gelegentlich auf kurze Dienstreisen geht, bei denen er den Hund nicht mitnehmen kann. Das Gericht stufte dies jedoch nicht als so schwerwiegende Beeinträchtigung ein, dass es eine Zuweisung an die Ehefrau gerechtfertigt hätte.

Ein besonderer Aspekt der Entscheidung ist, dass das Gericht betonte, die Zuweisung stelle keine Sanktionierung oder Bestrafung eines möglichen Fehlverhaltens dar. Es ging ausschließlich um das Wohl des Familienhund. Es ist entscheidend bei Trennungen auch das Wohl gemeinsamer Haustiere zu bedenken und möglichst einvernehmliche Lösungen zu finden.

Amtsgericht Marburg, Urteil vom 3.11.2023; AZ – 74 F 809/23 WH –

Foto: Prostock-studio

Anspruch auf Schmerzensgeld für Polizisten nach Übergriffen im Dienst

Bei Verletzungen im Dienst haben Polizeibeamte die Möglichkeit, zivilrechtlich gegen den Verursacher vorzugehen und Schmerzensgeld einzufordern. Dies verdeutlicht ein Urteil des Landgerichts Lübeck vom November 2023. Der Fall betraf einen Polizisten, der bei einem Einsatz schwer verletzt wurde. Der Vorfall ereignete sich, als der Beamte zusammen mit einer Kollegin zu einer hilflosen Person gerufen wurde.

Am Einsatzort trafen sie auf einen stark alkoholisierten Mann, der auf einer Parkbank schlief. Als der Polizist den Mann ansprach, griff dieser die Beamten unvermittelt mit einer Whiskyflasche an. Im darauffolgenden Handgemenge zerbrach die Flasche und fügte dem Polizisten eine tiefe Schnittwunde am Handgelenk zu. Die Verletzung erforderte eine Operation und führte zu einer eineinhalb Monate andauernden Dienstunfähigkeit. Auch nach der Rückkehr in den Dienst litt der Beamte unter Empfindungsstörungen und Bewegungseinschränkungen.

Polizisten können Schmerzensgeld für Verletzungen im Einsatz bekommen und diese bei den Verletzern einklagen.Der verletzte Polizist entschied sich daraufhin, den Angreifer vor dem Landgericht Lübeck auf Schmerzensgeld zu verklagen. Er forderte eine Summe von mindestens 15.000 Euro. Der Beklagte bestritt den Angriff und behauptete, der Polizist habe ihn grundlos verletzt.

Das Gericht hörte die Kollegin des verletzten Beamten als Zeugin und schenkte ihrer Aussage, die den Tathergang bestätigte, Glauben. In seinem Urteil sprach das Landgericht dem Polizisten ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.000 Euro zu. Bei der Bemessung der Summe berücksichtigte das Gericht sowohl die erhebliche Alkoholisierung des Täters als auch die als geringfügig eingestufte andauernde Beeinträchtigung des Polizisten. Negativ für den Angreifer wurde der Einsatz der Flasche als Waffe gewertet.

Wichtig zu beachten ist, dass das Gerichtsurteil zwar die Zahlungsverpflichtung des Schädigers festlegt, jedoch nicht dessen tatsächliche Zahlungsfähigkeit oder -willigkeit garantiert. Der geschädigte Polizist muss seine Forderung selbst durchsetzen, beispielsweise durch Beauftragung eines Gerichtsvollziehers. Sollte dies erfolglos bleiben, besteht die Option, sich innerhalb von zwei Jahren an den Dienstherrn zu wenden. In diesem Fall könnte das Land Schleswig-Holstein das Schmerzensgeld stellvertretend auszahlen und anschließend selbst gegen den Schädiger vorgehen.

Diese Entscheidung unterstreicht die Rechte von Polizeibeamten, die im Dienst Opfer von Gewalt werden. Sie können nicht nur auf dienstliche Unterstützung zählen, sondern haben auch die Möglichkeit, zivilrechtliche Ansprüche direkt gegen den Schädiger geltend zu machen. Dies stärkt ihre Position und kann zu einer gewissen Genugtuung nach erlittenen Übergriffen beitragen. Das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Lübeck setzt ein klares Zeichen für den Schutz und die Rechte von Polizeibeamten, die ihre körperliche Unversehrtheit für die öffentliche Sicherheit riskieren.

Landgericht Lübeck, Urteil vom 03.11.2023; AZ – 3 O 277/21 –

Foto:  Robert Kneschke

Risiken beim Kolonnenspringen: Urteil verdeutlicht Haftungsfragen

Ein Urteil des Landgerichts Ellwangen vom März 2024 zeigt die Risiken des sogenannten Kolonnenspringen, insbesondere bei hohen Geschwindigkeiten und auf engen Straßen. Das Urteil stellt klar, dass beim Überholen in einer solchen Situation besondere Vorsicht geboten ist und Überholmanöver unter diesen Bedingungen als riskant einzustufen sind.

Im konkreten Fall ereignete sich ein Unfall auf einer engen Kreisstraße ohne Mittellinie, bei dem ein Teslafahrer eine Fahrzeugkolonne überholen wollte. Beim Versuch, mehrere Fahrzeuge gleichzeitig zu überholen, beschleunigte der Tesla auf 95 km/h und kollidierte mit einem in der Kolonne fahrenden Opel Astra. Das Gericht entschied, dass der Fahrer des Teslas allein für den Unfall verantwortlich sei, da er grob fahrlässig gehandelt habe.

Zwar darf eine Kolonne grundsätzlich überholt werden, jedoch müsse der Überholende die Verkehrsverhältnisse genau beachten. Im vorliegenden Fall war die Straße kurvig, ohne Bankett und nicht breit genug, um ein gefahrloses Überholen zu gewährleisten. Der Fahrer des Tesla hätte nicht darauf vertrauen dürfen, dass die anderen Fahrzeuge am äußersten rechten Rand der Fahrbahn fahren würden, um das Manöver („Kolonnenspringen“) zu erleichtern.

Gefahren des Kolonnenspringen und die Verantwortung des Überholenden, die Verkehrslage richtig einzuschätzenDie Ellwanger Richter stellten zudem klar, dass der Fahrer des Opels keinen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot begangen habe. Aufgrund der Straßenverhältnisse sei es legitim, nicht direkt am äußersten rechten Fahrbahnrand zu fahren, um einen sicheren Abstand zur Straße und möglichen Hindernissen zu halten. Die Fahrbahn selbst war an der Unfallstelle nur fünf Meter breit, und es war keine Verpflichtung gegeben, dem Teslafahrer ein riskantes Überholmanöver zu ermöglichen.

Das Urteil verdeutlicht die Notwendigkeit, die Verkehrslage sorgfältig zu beurteilen, bevor ein Überholvorgang eingeleitet wird. Eine langsame Fahrt der vorausfahrenden Fahrzeuge allein reicht nicht aus, um eine klare Überholsituation zu begründen. Weitere Faktoren wie die Breite der Straße, Kurvenverläufe und fehlende Markierungen spielen eine entscheidende Rolle bei der Einschätzung der Verkehrssituation.

Die Entscheidung des Landgerichts Ellwangen betont die Gefahren des Kolonnenspringen und die Verantwortung des Überholenden, die Verkehrslage richtig einzuschätzen. Es besteht keine Verpflichtung anderer Verkehrsteilnehmer, riskante Überholmanöver zu erleichtern, indem sie am äußersten Fahrbahnrand fahren.

Landgericht Ellwangen, Urteil vom 20.3.2024; AZ – 1 S 70/23 –

Foto: hykoe

Bundesgerichtshof bestätigt: Mietüberzahlungen fallen an Sozialleistungsträger

In einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Juni 2024 wurde der gesetzliche Anspruchsübergang auf Sozialleistungsträger bei Mietüberzahlungen (im Zusammenhang mit dem Bezug von Sozialleistungen) bestätigt. Hintergrund des Verfahrens war ein Fall, in dem ein Mieter, der Arbeitslosengeld II bezog, die Rückerstattung überzahlter Miete verlangte. Die Miete für die vom Kläger bewohnte Wohnung in Berlin war überhöht und teilweise aufgrund eines Wasserschadens gemindert. Der Mieter machte geltend, dass ihm eine Rückerstattung der überzahlten Beträge zustehe.

Das Amtsgericht hatte der Klage zunächst teilweise stattgegeben und dem Kläger eine Erstattung von rund 11.000 Euro zugesprochen. Im Berufungsverfahren änderte das Landgericht jedoch das Urteil ab und wies die Klage ab. Der BGH bestätigte diese Entscheidung und stellte klar, dass Rückerstattungsansprüche, die sich während des Bezugs von Sozialleistungen ergeben, auf den Sozialleistungsträger übergehen. In diesem Fall handelte es sich um das Jobcenter, das die Miete für den Kläger übernommen hatte. BGH-Urteil: Gesetzlicher Anspruchsübergang auf Sozialleistungsträger bei Mietüberzahlungen.

Der gesetzliche Forderungsübergang basiert auf dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialleistungen. Dieser Grundsatz soll verhindern, dass Sozialleistungen erbracht werden, wenn andere Mittel zur Bedarfsdeckung vorhanden sind. Im vorliegenden Fall wären die Sozialleistungen bei einer rechtzeitigen Rückerstattung der Mietüberzahlungen in nicht unbeträchtlicher Höhe durch die Vermieterin nicht erbracht worden. Das bedeutet, dass dem Kläger die Rückerstattungsansprüche nicht selbst zustehen, da sie in Höhe der geleisteten Aufwendungen auf das Jobcenter übergegangen sind.

Selbst wenn das Jobcenter diese Ansprüche nicht selbst geltend macht, bleibt der Anspruchsübergang bestehen. Der BGH stellte klar, dass die Übertragung auf den Sozialleistungsträger auch dann wirksam ist, wenn dieser die Ansprüche nicht selbst realisiert oder auf den Kläger zurücküberträgt. Dies betrifft lediglich den Verwaltungsvollzug und ändert nichts an den rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchsübergangs.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 5.6.2024; AZ – VIII ZR 150/23 –

Foto: k.tokushima