Rundfunkbeiträge für Fahrzeuge des Mitarbeiter-Leasings sind ohne Prüfung zulässig

Mit einem Urteil vom Juli 2022 hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die Berufung gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Braunschweig zurückgewiesen, mit der dieses die Klage gegen einen Bescheid abgewiesen hatte, mit dem Rundfunkbeiträge für Fahrzeuge des Mitarbeiter-Leasings eines Kraftfahrzeugherstellers festgesetzt wurden.

Nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sei bei beitragspflichtigen gewerblich genutzten Kraftfahrzeugen derjenige Beitragsschuldner, auf den das Fahrzeug zugelassen sei, so die niedersächsischen Richter. Hier läge  klar eine gewerbliche Nutzung der Fahrzeuge vor, da der klagende KFZ-Hersteller eine Pauschale für die Verwaltung der Leasingfahrzeuge erhalte, vor allem aber die Leasingmöglichkeit als Anreiz für seine Mitarbeiter nutze und so einen Werbeeffekt für sich erziele.

Das ist der Hintergrund: Der Hersteller stellt seinen Mitarbeitern regelmäßig von ihm produzierte Fahrzeuge per Leasing zur privaten Nutzung zur Verfügung. Dabei werden die Fahrzeuge auf den KFZ-Hersteller zugelassen, Leasinggeberin und Eigentümerin ist aber ein selbständiges Tochterunternehmen. Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) erließ einen Festsetzungsbescheid, mit dem er Rundfunkbeiträge für diese Leasingfahrzeuge forderte.

Rundfunkbeiträge für Fahrzeuge des Mitarbeiter-Leasings sind ohne Prüfung zulässig

Der Kraftfahrzeughersteller wehrte sich gegen die Beitragsfestsetzung, weil er der Ansicht war, dass Rundfunkbeiträge im Rahmen seines Leasing-Modells nicht anfallen würden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei die Beitragserhebung nur gerechtfertigt, wenn ein unternehmensspezifischer Vorteil aufgrund der Rundfunkempfangsmöglichkeit bestehe – der allerdings hier nicht gegeben sei, so die Argumentation.

Eine Prüfung zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung aufgrund eines unternehmensspezifischen Vorteils sei hier jedoch nicht notwendig, erkannte das Oberverwaltungsgericht. Aufgrund der gewerblichen Nutzung der Fahrzeuge könne die Festsetzung des Rundfunkbeitrags auch erfolgen, ohne dass eigens geprüft werde, ob im Einzelfall der geforderte Vorteil aufgrund einer Rundfunkempfangsmöglichkeit bestehe.

Ein solcher Vorteil rechtfertige zwar die grundsätzliche Regelung über die Beitragspflicht für gewerblich genutzte Kraftfahrzeuge im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag. Mit der dortigen Regelung für Rundfunkbeiträge gehe jedoch eine zulässige Typisierung einher, so dass es ausreichend sei, wenn die Voraussetzungen der Vorschrift bejaht werden, ohne dass in jedem Einzelfall eine Prüfung dazu kommen müsse.

Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat der Senat nicht zugelassen.

Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 7.7.2022; AZ – 8 LB 2/22 –

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Staubsaugen zu Mittagszeit ist von den Nachbarn hinzunehmen

Ein Wohnungsmieter hat sozialadäquaten Lärm, wie etwa Staubsaugen eines Nachbarn zur Mittagszeit hinzunehmen. Es besteht keine Pflicht zur Vermeidung jedes störenden Geräusches. Dies hat das Amtsgericht Singen im April 2022 entschieden.

Die Mieterin einer Erdgeschosswohnung klagte im Jahr 2021 gegen die über ihr wohnende Nachbarin auf Unterlassung von Lärmstörungen. Sie beschwerte sich darüber, dass kurz nach 7 Uhr mit Fenstern und Türen geknallt und hin und her getrampelt werde. Auch staubsauge die Nachbarin jeden Tag gegen 12 Uhr. Die Wohnung befand sich in einem sehr hellhörigen Mehrfamilienhaus, ohne Trittschalldämmung.

Von der Beklagten könne nicht erwartet werden, so das Amtsgericht, dass sie nach Ende der Nachtruhe sich ganz zaghaft und behutsam schleichend zu verhalten sowie zaghaft darauf zu achten, keinen Laut von sich zu geben und mucksmäuschenstill zu sein. Auch eine Hausordnung könne nicht vorgeben, dass „jedes störende Geräusch“ zu vermeiden sei. Es gebe nun mal Alltagstätigkeiten, die naturgesetzlich mit Geräuschentwicklungen verbunden seien.

Staubsaugen ist ein sozialadäquates VerhaltenDer Klägerin stehe kein Anspruch auf Unterlassung jeglicher Ruhestörung zu, so das Singener Amtsgericht. Die von ihr genannten Belästigungen seien als Bagatelle zu werten. Der Beklagten sei es erlaubt, im Rahmen eines sozialadäquaten Verhaltens in der von ihr bewohnten Wohnung Geräusche zu verursachen – auch wenn diese von anderen Hausbewohnern als ruhestörend empfunden werden. Ein Wohnungsmieter dürfe selbstverständlich mittags staubsaugen. Zwar komme es beim Schließen von Fenstern und Türen zu punktuellen Geräuschentwicklungen. Diese gehören aber ebenso zum Alltagsleben und seien hinzunehmen.

Grundsätzlich steht bei diesem Urteil – wie auch immer wieder im Mietrecht – die Frage im Raum „Was ist noch sozialadäquat (und damit zu dulden) und ab wann überschreitet die Geräuschkulisse das sozialadäquate Maß (und ist damit nicht mehr zu dulden)?“ Mittägliche Ruhezeiten, wie sie von Mietern immer noch wieder gerne diskutiert und beansprucht werden, sind aber in den meisten Bundesländern bereits seit vielen Jahren, bzw. Jahrzehnten abgeschafft. Und damit für diese Entscheidung im Grunde nicht relevant.

Die Kategorie des sozialadäquaten Lärms ist tatsächlich rechtlich schwierig einzuordnen. Es gibt keine direkt anwendbaren technischen Grenzwerte und in rechtlicher Hinsicht ist ein erheblicher Bewertungsspielraum vorhanden. Viele Streitigkeiten vor Gericht drehen sich deshalb immer mal wieder um diese Frage. Das Urteil der Richter aus Singen ist dazu aber in jeder Hinsicht sehr eindeutig.

Amtsgericht Singen, Urteil vom 29.4.2022; AZ – 1 C 235/21 –

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Reisebüro hat Anspruch auf Gebühren nach Zimmerstornierung durch Reisende wegen Corona

Fast schon eine Alltäglichkeit in diesen Jahren der Pandemie – Touristen können oder dürfen nicht reisen und übernachten. Die Gründe sind oft vielfältig: Krankheit, staatliche Vorschriften (besonders bei grenzüberschreitenden Fahrten ins Ausland) usw. Die vertraglich vereinbarte Stornierungsgebühr müssen Reisende auch dann an ein Reisebüro zahlen, wenn sie eine Hotelbuchung wegen der Corona-Pandemie stornieren. Das gilt im übrigen auch für weitere Service-Gebühren eines Reisebüros in diesem Zusammenhang. Dies hat das Landgericht Heidelberg im Mai 2022 entschieden.

So war es zu der Verhandlung gekommen: Wegen eines geplanten Kongresses in Leipzig im März 2020 ließ eine Firma über ein Reisebüro für zwei ihrer Mitarbeiter jeweils ein Hotelzimmer buchen. Nachdem der Kongress wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurde, stornierte die Firma die Hotelbuchung. Nach den Stornierungsbedingungen des Hotels fielen dadurch Stornierungsgebühren von 90 Prozent des Reisepreises an. Reisebüro hat Anspruch auf Gebühren nach Zimmerstornierung wegen CoronaDas Reisebüro konnte die Gebühr auf 50 Prozent senken und verauslagte diese sogar. Daraufhin beanspruchte das Reisebüro von der Firma die Erstattung der Stornierungsgebühr. Zudem verlangte es die Zahlung der Servicegebühr für die Hotelbuchung. Beides waren konkrete Kosten, die vertraglich im Grunde unstrittig waren. Da sich die Firma weigerte dem nachzukommen, erhob die Betreiberin des Reisebüros Klage.

Das Landgericht Heidelberg entschied letztlich zu Gunsten der Klägerin. Ihr stehe zunächst der Anspruch auf Zahlung der Servicegebühr für die Hotelbuchung zu. Die Klägerin habe schließlich ihre Leistungspflicht erfüllt. Die Stornierung durch die Beklagten lasse den bereits entstandenen Vergütungsanspruch erkennbar unberührt. Es komme denn auch weder eine nachträgliche Kürzung noch ein Wegfall des Anspruchs einseitig zu Lasten der Klägerin in Betracht.

Zudem bestehe nach Auffassung des Landgerichts ein Anspruch auf Erstattung der Stornierungsgebühr, die ja konkret verauslagt wurde. Die Stornierungsvereinbarung sei – jedenfalls im unternehmerischen Rechtsverkehr – eindeutig. Dass im Nachhinein ein behördliches Beherbergungsverbot ausgesprochen wurde, ändere nichts an den Anspruch. Auch eine Kürzung komme nicht in Betracht, da die Stornierungskosten schon zur Hälfte herabgesetzt wurden.

Landgericht Heidelberg, Urteil vom 19.5.2022; AZ – 8 S 4/21 –

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Werbe-E-Mail ohne Zustimmung kann zu Ordnungsgeld oder -haft führen

Der Kläger betrieb eine E-Mail-Adresse, die er unter anderem für berufliche Zwecke nutzte. Im Dezember 2021 widersprach er der werblichen Nutzung seiner personenbezogenen Daten, indem er eine E-Mail an die Beklagte (ein Pay-TV-Anbieter) sandte. Trotzdem erhielt er im Januar 2022 erneut eine Werbe-E-Mail, mit der diese für den Abschluss eines 12-monatigen Abos warb. Der Kläger forderte die Beklagte zunächst außergerichtlich zur Unterlassung auf. Nachdem keine Reaktion erfolgte, hatte er Klage erhoben.

Mit einem Urteil vom August 2022 untersagte das Amtsgericht München dem Pay-TV Anbieter, im geschäftlichen Verkehr zu Werbezwecken mit dem Kläger per E-Mail Kontakt aufzunehmen, ohne dass dessen ausdrückliche Einwilligung vorliegt. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro angedroht, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – zu vollziehen an dem oder den Geschäftsführer(n).

Werbe-E-Mails ohne Zustimmung können zu Ordnungsgeld oder -haft führenDer Kläger bezog sich auf die Datenschutzgrundverordnung, nach der er jederzeit und insbesondere formlos kündigen bzw. weitere Werbe-E-Mails untersagen könne. Die Beklagte trug vor, dem Kläger sei auf seine Nachricht vom Dezember mitgeteilt worden, dass er ganz einfach die entsprechende Einwilligung im Kundenverwaltungssystem entziehen könne. Da der Kläger dies nicht getan habe, habe sie davon ausgehen können, dass seine Einwilligung weiterhin Bestand habe. Dem widersprach das Amtsgericht deutlich und urteilte im Sinne des Klägers.

Die Verwendung von elektronischer Post für die Zwecke der Werbung gegen den eindeutig erklärten Willen des Klägers stelle einen Eingriff in seine geschützte Privatsphäre und damit in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze den Bereich privater Lebensgestaltung und gäbe den Betroffenen das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden.

Nicht nachvollziehbar sei der Einwand der Beklagten, so das Amtsgericht, der Kläger habe in ihrem „Kundenverwaltungssystem“ darüber hinaus noch bestimmte Einstellungen selbst tätigen müssen. Der Widerspruch gegen die Zulässigkeit elektronischer Werbung sei an keine bestimmte Form gebunden; die Verwaltung ihrer Kundendaten obliege allein der Beklagten und könne nicht auf den Kunden abgewälzt werden. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei auch rechtswidrig. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr würde durch das eindeutig festgestellte rechtsverletzende Verhalten des beklagten Pay-TV-Anbieters angezeigt.

Amtsgericht München, Urteil vom 5.8.2022; AZ – 142 C 1633/22 –

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Müssen Mieter vorhandene Originalbelege zu Betriebskosten in jedem Fall einsehen können?

In einem Urteil vom Dezember 2021 urteilte der Bundesgerichtshof: „Ein Mieter kann hinsichtlich der bei einer Betriebskosten-Abrechnung vom Vermieter geschuldeten Belegvorlage grundsätzlich Einsicht in die Originale der Abrechnungsbelege zur Betriebskostenabrechnung verlangen, ohne insoweit ein besonderes Interesse darlegen zu müssen.“ Und ergänzte: „In Ausnahmefällen kann es nach den Grundsätzen von Treu und Glauben allerdings in Betracht kommen, dass der Vermieter lediglich die Vorlage von Kopien oder Scanprodukten schuldet. Die Frage, ob ein solcher Ausnahmefall gegeben ist, entzieht sich allgemeiner Betrachtung und ist vom Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.“

Das ist zunächst der Hintergrund für ein Urteil des Amtsgericht Ludwigslust vom März 2022, dass tatsächlich vorhandene Originalbelege als Priorität sah, und zwar vor eingescannten Belegen, die von dem Kläger ebenfalls hätten direkt eingesehen werden können. Sind die Originalbelege zu einer Betriebskosten-Abrechnung noch vorhanden, so bezieht sich das Einsichtsrecht auf diese Unterlagen. Ein Verweis auf digitale Belege ist dann unzulässig. Dies gelte auch dann, wenn die Originalbelege in einem von der Mietwohnung weit entfernten Ort aufbewahrt werden.

Mietern steht Anspruch auf Einsicht in die Originalbelege zuMieter einer Wohnung in Mecklenburg-Vorpommern wollten in jedem Fall die Originalbelege zu den Betriebskosten-Abrechnungen für die Jahre 2015 bis 2017 sehen und bekamen damit auch recht. Die Vermieterin verwies zwar darauf, dass in ihrem Büro in Boizenburg Einsicht in die digitalen Belege genommen werden könne – da die Mieter mit der Einsicht in die eingescannten Belege jedoch nicht einverstanden waren, verweigerten sie die Zahlung der Nebenkostennachforderungen. Die Vermieterin erhob daraufhin Klage.

Den Mietern stehe nach Auffassung des Amtsrichters ein Anspruch auf Einsicht in die Originalbelege zu und zwar wegen der großen Entfernung zum Hauptsitz der Vermieterin in Berlin im Büro in Boizenburg. Grundsätzlich sei ein Vermieter nicht daran gehindert, Originalbelege einzuscannen, dann zu vernichten und dem Mieter Ausdrucke zur Verfügung zu stellen. Etwas anderes sei es aber, wenn die Unterlagen woanders noch bereitgehalten werden. In diesem Fall müsse der Vermieter entweder die Unterlagen beschaffen oder dem Mieter die Einsicht ermöglichen.

Führen Vermieter grundsätzlich ein papierloses Büro, dann ist die Situation absolut eindeutig. Im zu verhandelnden Fall hatte die Vermieterin aber nicht vorgetragen, dass die Originalbelege vernichtet wurden.

Urteil des Amtsgericht Ludwigslust vom 14.3.2022; AZ – 44 C 504/20 –

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Nachbarn müssen Reflexionen einer Photovoltaikanlage hinnehmen!

Sind grundlegend unvermeidbare Reflexionen einer Photovoltaikanlage bereits eine wesentliche Beeinträchtigung des Grundstücks? Darüber musste im Juli 2022 das Oberlandesgericht Braunschweig entscheiden. Die Entscheidung war deutlich – ein Grundstückseigentümer kann nur dann gegen eine störende Reflexion auf dem Dach eines Nachbarn vorgehen, wenn dadurch wirklich „wesentliche“ Beeinträchtigungen vorliegen.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Auf dem Hausdach der Beklagten sind in Richtung des Wohnhauses der klagenden Partei mehrere Paneele einer Photovoltaikanlage montiert. Die klagende Partei behauptete, durch die Reflexion der Sonneneinstrahlung in Teilen ihres Hauses in unzumutbarer Weise geblendet zu werden. Es gebe technische Normen und Regelwerke, die vorgeben würden, wie Lichtemissionen/-immissionen zu bewerten seien – und welche Grenzwerte bestünden. Diese seien im vorliegenden Fall erkennbar  überschritten. Dies wies das Landgericht Göttingen nach Einholung eines Sachverständigengutachtens schon in der ersten Instanz ab.

Reflexionen einer Photovoltaikanlage: Muss man das hinnehmen?Aber auch mit ihrer Berufung hat die klagende Partei keinen Erfolg. Zwar sei das Eigentum der klagenden Partei durch die Reflexionen grundsätzlich beeinträchtigt. Jedoch sei diese Beeinträchtigung nicht wesentlich. Maßstab für die Frage, ob eine Beeinträchtigung noch unwesentlich oder bereits wesentlich ist, sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, das Empfinden eines „verständigen Durchschnittsmenschen“, also in diesem konkreten Fall des „Durchschnittsbenutzers“ des beeinträchtigten Grundstücks. Wie bereits das Landgericht urteilte das OLG, dass für Reflexionen durch Sonneneinstrahlung keine durch Gesetze oder Richtlinien festgelegten Richtwerte existieren.

Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) wies im Prozess darauf hin, dass eine erhebliche Belästigung vorliegen könne, wenn die Lichteinwirkung mindestens 30 Minuten am Tag oder 30 Stunden pro Kalenderjahr betrage. Es beträfe im Grunde eigentlich andere Konstellationen und sei überdies nicht verbindlich, könne aber als Entscheidungshilfe herangezogen werden. Aber auch dies in Betracht gezogen, sei nicht von einer wesentlichen Beeinträchtigung durch diese Photovoltaikanlage auszugehen.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen, auf die sich die Entscheidung des Oberlandesgerichts im Wesentlichen stützt, seien in dem Wohnraum der klagenden Partei insgesamt nur an 60 Tagen im Jahr und insgesamt unter 20 Stunden pro Jahr Reflexionen verursacht durch die Paneele wahrnehmbar. Dafür erstellte der Experte eine umfangreiche Analyse u.a. über die Lage der Wohnhäuser, die Neigungswinkel der Anlage, den Sonnenstand und Wetterdaten. Auch beim durchgeführten Ortstermin konnte nur eine Aufhellung festgestellt werden, ohne dass eine Blendung des Auges gegeben war.

Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 14.7.2022; AZ – 8 U 166/21 –

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Unionsbürger haben unter Umständen auch ohne Einkünfte Anspruch auf Kindergeld

Bürger der Europäischen Union (EU), die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Aufnahme-Mitgliedstaat begründet haben, können nicht – nur weil sie keine Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit in diesem Mitgliedstaat beziehen –während der ersten drei Monate ihres Aufenthalts vom Bezug von Kindergeld ausgeschlossen werden. Sofern sie sich rechtmäßig dort aufhalten, genießen sie grundsätzlich Gleichbehandlung mit inländischen Staatsangehörigen, so der EuGH in seinem Urteil vom August 2022.

Eine aus einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland stammende Unionsbürgerin klagt vor einem deutschen Gericht gegen die Ablehnung ihres Kindergeldantrags für ihre drei Kinder durch die Familienkasse Niedersachsen- Bremen für die ersten drei Monate nach Gründung ihres Aufenthalts in Deutschland. Die Familienkasse war der Auffassung, dass die Antragstellerin nicht die im Juli 2019 in Deutschland eingeführten Voraussetzungen erfülle, um als Unionsbürgerin Kindergeld während der ersten drei Monate beanspruchen zu können: Sie habe in dieser Zeit keine „inländischen Einkünfte“ bezogen.

Mit diesem Erfordernis zielte der deutsche Gesetzgeber darauf ab, einen Zustrom von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten zu vermeiden, der möglicherweise zu einer unangemessenen Inanspruchnahme der hiesigen sozialen Sozialsysteme führen könnte. Dieses Erfordernis gilt dagegen nicht für deutsche Staatsangehörige, die von einem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat zurückkehren. Das deutsche Gericht hatte dem europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob diese unterschiedliche Behandlung mit dem Unionsrecht vereinbar sei.EU-Bürger haben ein Recht auf Kindergeld, auch ohne Einkünfte

Der EuGH hat entschieden, dass jeder Unionsbürger, auch wenn er wirtschaftlich nicht aktiv ist, das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten hat, wobei dieser lediglich im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses sein muss und ansonsten keine weiteren Bedingungen zu erfüllen hat. Allerdings auch nur, solange die Neubürger, samt Familienangehörigen, die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen. In diesem Fall ist ihr Aufenthalt grundsätzlich rechtmäßig. Während dieser Zeit genießen die Unionsbürger vorbehaltlich vom Unionsgesetzgeber ausdrücklich vorgesehener Ausnahmen die gleiche Behandlung wie Inländer.

Der Aufnahme-Mitgliedstaat kann zwar gemäß einer im Unionsrecht zu diesem Zweck vorgesehenen Ausnahmebestimmung einem wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürger in den ersten drei Monaten seines Aufenthalts Sozialhilfeleistungen verweigern. Kindergeld stelle aber keine Sozialhilfeleistung im Sinne dieser Ausnahmebestimmung dar. Es wird nämlich unabhängig von der persönlichen Bedürftigkeit der Empfänger gewährt und dient nicht der Sicherstellung des Lebensunterhalts, sondern dem Ausgleich von Familienlasten. Voraussetzung ist aber eben ein gewöhnlicher Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat.

Entscheidend ist, dass die (neuen) Unionsbürger während der fraglichen ersten drei Monate tatsächlich ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Aufnahme-Mitgliedstaat haben. Ein nur vorübergehender Aufenthalt genügt insoweit nicht. Die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts zurück in den Aufnahme-Mitgliedstaat impliziere nämlich, dass die betreffenden Personen den Willen zum Ausdruck gebracht haben, tatsächlich dort den gewöhnlichen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen zu errichten. Die Anwesenheit im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats muss also hinreichend dauerhaft ist, um sie klar von einem vorübergehenden Aufenthalt zu unterscheiden.

Urteil des Gerichtshof der Europäischen Union  vom 1.8.2022; AZ – C-411/20 –

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Kein Wegfall von Kindergeld weil ein Termin bei der Agentur für Arbeit versäumt wurde

Ein Vater und Kläger im vorliegenden Fall erhielt für seine Tochter Kindergeld. Diese hatte zunächst eine Ausbildung zur Altenpflegerin aufgenommen, doch musste sie nach kurzer Zeit wegen einer problematischen Schwangerschaft kündigen. Ordnungsgemäß meldete sich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend. Leistungen seitens der Agentur waren damit nicht verbunden.

Einige Monate später meldete die Agentur für Arbeit die Tochter aus der Arbeitsvermittlung ab, weil sie ohne Angabe von Gründen nicht zu einem Termin erschienen und daher nicht verfügbar gewesen sei. Die Einstellung der Arbeitsvermittlung wurde der Tochter des Klägers, die zu diesem Zeitpunkt wie erwähnt keine Leistungen von der Arbeitsagentur erhielt, nicht bekanntgegeben.

Wegfall von KindergeldDie Familienkasse zahlte darauf auch kein Kindergeld an den Vater, da die Tochter die Berufsausbildung abgebrochen habe und bei der Arbeitsvermittlung nicht beziehungsweise nicht mehr als arbeitsuchendes Kind geführt wurde. Ein Einspruch des Vater war erfolglos, worauf es zur Klage kam.

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz folgte diesem Vorgehen nicht. Mit ihrem Urteil vom Mai 2022 erkannte sie, dass ein als arbeitsuchend gemeldetes Kind, das keine Leistungen von der Agentur für Arbeit bezieht und lediglich seiner allgemeinen Meldepflicht nicht nachkommt, keine Pflichtverletzung begeht, die dann zum Wegfall des Kindergeldes führt.

Das Finanzgericht hat der Klage für sechs Monate stattgegeben. Für diese Monate habe der Kläger einen Anspruch auf Kindergeld für seine Tochter als arbeitsuchend gemeldetes Kind. Die Tochter sei zwar durch die Agentur für Arbeit aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet worden, die Einstellung der Arbeitsvermittlung sei der Tochter des Klägers allerdings nicht bekanntgegeben worden. In den Folgemonaten bestand kein weiterer Anspruch, da die Tochter dann 21 Jahre alt wurde und für Kindergeld nicht mehr berücksichtigt werden konnte.

Bei einem Arbeitssuchenden, der – wie die Tochter des Klägers – keine Leistungen beziehe, dürfe die Agentur für Arbeit die Vermittlung erst dann einstellen, wenn die in einem förmlichen Bescheid auferlegten Pflichten ohne wichtigen Grund nicht erfüllt worden seien. Eine solche Pflichtverletzung liege hier jedoch nicht vor, weil die Tochter des Klägers lediglich ihrer allgemeinen Meldepflicht nicht nachgekommen sei.

Urteil des Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 13. Juli 2022; AZ – 2 K 2067/20 –

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Unterlassene Anhörung vor Löschung eines Facebook-Posts kann nachgeholt werden

Nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs sind die Regelungen in den Nutzungsbedingungen, die Facebook (FB) bei Hassrede eine Befugnis zur Löschung einräumen, unwirksam. Es ist kein echtes Verfahren bei  FB aktiv, aufgrund dessen betroffene Nutzer über die Entfernung ihres Posts umgehend informiert, der Grund dafür mitgeteilt und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung eingeräumt wird – woran sich eine neue Entscheidung mit der Möglichkeit der Wiederfreischaltung des Posts anschließt.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat Ende Juni 2022 entschieden, dass die fehlende Anhörung seitens der Beklagten in einem Gerichts-Verfahren nachgeholt werden kann und, wenn dies zu keiner anderen Bewertung führt, der betroffene Nutzer dann nicht die Wiederfreischaltung des Posts beanspruchen kann. Das Löschungsrecht ergebe sich in diesem Fall bei einem vertragswidrigen Post aus dem Nutzungsvertrag. so das OLG.

Anhörung vor Löschung Facebook-PostsDer Kläger stimmte den im April 2018 geänderten Nutzungsbedingungen der Beklagten zu. Im November 2018 postete er im Zusammenhang mit einem Artikel über gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Afghanen in einer Flüchtlingsunterkunft, in deren Verlauf diese untereinander Messer eingesetzt hätten. Die Beklagte löschte diesen Beitrag und sperrte außerdem vorübergehend Teilfunktionen des klägerischen Kontos. Der Kläger begehrte daraufhin vor dem Landgericht unter anderem die Freischaltung des gelöschten Beitrags. Das Landgericht hatte die Klage jedoch abgewiesen.

Die Berufung vor dem OLG hatte auch keinen Erfolg. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Wiederfreischaltung des gelöschten Posts. Der Post sei zwar eine Meinungsäußerung. Er verstoße aber gegen die über die Nutzungsbedingungen vereinbarten Bestimmungen in den Gemeinschaftsstandards zur Hassrede. Der Begriff der Hassrede sei hinreichend transparent und in den Regelungen klar definiert.

Soweit die Löschung des Posts erfolgte, ohne den Kläger umgehend zu informieren und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme mit anschließender Neuentscheidung zu gegeben, könne die Beklagte sich nicht auf ihre Regelungen zum Entfernungs- und Sperrvorbehalt berufen. Diese seien gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unwirksam. Sie sei aber zur Löschung unmittelbar aus dem Nutzungsvertrag berechtigt. Die Beklagte sei aber grundsätzlich verpflichtet, den Nutzer über die Entfernung eines Beitrags zu informieren und im Gelegenheit zur Stellungnahme und Neuentscheidung zu geben. Dies sei im Rahmen des vorliegenden Prozesses nachgeholt worden. Der anfängliche Anhörungsfehler sei damit nachträglich geheilt worden.

Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig (Stand Juli 2022). Der Senat des OLG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung hinsichtlich des Antrags auf Wiederherstellung des gelöschten Artikels die Revision zum BGH zugelassen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 30. 6.2022; AZ – 16 U 229/20 –

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Haftung bei Unfall auf Parkplatz eines Baumarktes auf 50:50 festgelegt

In den Fahrgassen eines Parkplatzes, die vor allem der Parkplatzsuche dienen und wo man nicht von fließendem Verkehr sprechen kann, gilt nicht die Vorfahrtsregel „rechts vor links“. Die Fahrer auf einem Baumarktparkplatz sind vielmehr verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem anderen Fahrer zu suchen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit einem Urteil vom Juni 2022 daher eine Haftung für Unfallfolgen von 50:50 festgelegt.

Der Betreiber eines Baumarkts hatte für seinen Parkplatz die Geltung der StVO angeordnet. Auf die zur Ausfahrt des Parkplatzgeländes führende Fahrgasse münden von rechts mehrere Fahrgassen ein. Der Beklagte befuhr eine davon, an deren beiden Seiten sich im rechten Winkel angeordnete Parkboxen befanden. Auch die zur Ausfahrt führende Fahrgasse verfügte im linken Bereich über Parkboxen. Im Einmündungsbereich der Fahrgassen kam es zum Zusammenstoß.

Eine Haftung für Unfallfolgen beträgt 50:50Das Landgericht hatte der Klage auf Basis einer Haftung des Beklagten von 25 Prozent stattgegeben. Die Berufung des Klägers führte zu einer Abänderung der Haftungsquote auf 50 Prozent Maßgeblich für die Höhe der Schadensersatzverpflichtung des Beklagten sei, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei, betonte das OLG. So  seien hier die Anteile als gleichgewichtig anzusehen und der durch den Unfall verursachte Schaden daher zu teilen.

Der Beklagte könne nicht geltend machen, dass sein Vorfahrtsrecht verletzt wurde. Zwar seien die Regeln der Straßenverkehrsordnung auf öffentlich zugänglichen Privatparkplätzen grundsätzlich anwendbar – Fahrgassen auf Parkplätzen jedoch keine dem fließenden Verkehr dienenden Straßen. „Kreuzen sich zwei dem Parkplatzsuchverkehr dienende Fahrgassen eines Parkplatzes…, gilt für die herannahenden Fahrzeugführer das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme…, d.h. jeder Fahrzeugführer ist verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem jemals anderen Fahrzeugführer zu suchen“, so ganz unmissverständlich die Entscheidung des Frankfurter OLG.

Etwas Anderes gelte nur, wenn die angelegten Fahrspuren eindeutig und unmissverständlich Straßencharakter hätten und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergebe, dass sie nicht der Suche von freien Parkplätzen dienten, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge. Für einen solchen Straßencharakter könne etwa die Breite der Fahrgassen sprechen oder auch bauliche Merkmale einer Straße wie Bürgersteige, Randstreifen oder Gräben. Derartige straßentypische Merkmale fehlten hier.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 22.6.2022; AZ – 17 U 21/22 –

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