Zuweisung eines Familienhund nach Trennung: Tierwohl im Vordergrund

Die Entscheidung des Amtsgerichts Marburg vom November 2023 wirft ein Schlaglicht auf einen oft übersehenen Aspekt von Trennungen – das Schicksal gemeinsamer Haustiere. Das Gericht stellte klar, dass bei solchen Entscheidungen wie bei der Zuweisung eines Familienhund nicht etwa das Verhalten der Ehepartner, sondern das Wohlergehen des Tieres den Ausschlag gibt. Faktoren wie die Hauptbezugsperson des Hundes, die Fähigkeit zur Pflege und die Bereitstellung einer artgerechten Umgebung waren ausschlaggebend für die richterliche Entscheidung.

Im August 2023 trennte sich ein Ehepaar in Hessen. Die Ehefrau nahm den gemeinsamen Hund mit, ohne den Ehemann darüber zu informieren oder ihm den neuen Aufenthaltsort mitzuteilen. Der Ehemann leitete daraufhin ein Gerichtsverfahren ein, um die Zuweisung des Hundes zu klären. Das Amtsgericht Marburg entschied in diesem Fall zugunsten des Ehemannes. Der Hund wurde ihm für die Zeit der Trennung bis zur rechtskräftigen Scheidung zugewiesen. Bei dieser Entscheidung stand das Wohl des Tieres ganz klar im Fokus.

Gerichtsentscheidung zur Zuweisung eines Familienhund nach Trennung.Obwohl Familienhund sicher nicht als Sache behandelt werden sollte, wendete das Gericht die Regelungen zur Aufteilung des Hausrats auf diesen Fall an. Entscheidend für die Zuweisung war die Frage, wer die Hauptbezugsperson des Hundes ist und wer am besten für ein artgerechtes Umfeld sorgen kann. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Ehemann diese Kriterien am besten erfüllt. Er konnte gewährleisten, dass der Hund in seinem gewohnten Umfeld bleiben kann. Besonders wichtig war dabei die Möglichkeit für den Hund, sich frei im Garten zu bewegen. Dies wurde als erheblicher Zugewinn an Lebensqualität für das Tier gewertet.

Zwar musste berücksichtigt werden, dass der Ehemann gelegentlich auf kurze Dienstreisen geht, bei denen er den Hund nicht mitnehmen kann. Das Gericht stufte dies jedoch nicht als so schwerwiegende Beeinträchtigung ein, dass es eine Zuweisung an die Ehefrau gerechtfertigt hätte.

Ein besonderer Aspekt der Entscheidung ist, dass das Gericht betonte, die Zuweisung stelle keine Sanktionierung oder Bestrafung eines möglichen Fehlverhaltens dar. Es ging ausschließlich um das Wohl des Familienhund. Es ist entscheidend bei Trennungen auch das Wohl gemeinsamer Haustiere zu bedenken und möglichst einvernehmliche Lösungen zu finden.

Amtsgericht Marburg, Urteil vom 3.11.2023; AZ – 74 F 809/23 WH –

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Anspruch auf Schmerzensgeld für Polizisten nach Übergriffen im Dienst

Bei Verletzungen im Dienst haben Polizeibeamte die Möglichkeit, zivilrechtlich gegen den Verursacher vorzugehen und Schmerzensgeld einzufordern. Dies verdeutlicht ein Urteil des Landgerichts Lübeck vom November 2023. Der Fall betraf einen Polizisten, der bei einem Einsatz schwer verletzt wurde. Der Vorfall ereignete sich, als der Beamte zusammen mit einer Kollegin zu einer hilflosen Person gerufen wurde.

Am Einsatzort trafen sie auf einen stark alkoholisierten Mann, der auf einer Parkbank schlief. Als der Polizist den Mann ansprach, griff dieser die Beamten unvermittelt mit einer Whiskyflasche an. Im darauffolgenden Handgemenge zerbrach die Flasche und fügte dem Polizisten eine tiefe Schnittwunde am Handgelenk zu. Die Verletzung erforderte eine Operation und führte zu einer eineinhalb Monate andauernden Dienstunfähigkeit. Auch nach der Rückkehr in den Dienst litt der Beamte unter Empfindungsstörungen und Bewegungseinschränkungen.

Polizisten können Schmerzensgeld für Verletzungen im Einsatz bekommen und diese bei den Verletzern einklagen.Der verletzte Polizist entschied sich daraufhin, den Angreifer vor dem Landgericht Lübeck auf Schmerzensgeld zu verklagen. Er forderte eine Summe von mindestens 15.000 Euro. Der Beklagte bestritt den Angriff und behauptete, der Polizist habe ihn grundlos verletzt.

Das Gericht hörte die Kollegin des verletzten Beamten als Zeugin und schenkte ihrer Aussage, die den Tathergang bestätigte, Glauben. In seinem Urteil sprach das Landgericht dem Polizisten ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.000 Euro zu. Bei der Bemessung der Summe berücksichtigte das Gericht sowohl die erhebliche Alkoholisierung des Täters als auch die als geringfügig eingestufte andauernde Beeinträchtigung des Polizisten. Negativ für den Angreifer wurde der Einsatz der Flasche als Waffe gewertet.

Wichtig zu beachten ist, dass das Gerichtsurteil zwar die Zahlungsverpflichtung des Schädigers festlegt, jedoch nicht dessen tatsächliche Zahlungsfähigkeit oder -willigkeit garantiert. Der geschädigte Polizist muss seine Forderung selbst durchsetzen, beispielsweise durch Beauftragung eines Gerichtsvollziehers. Sollte dies erfolglos bleiben, besteht die Option, sich innerhalb von zwei Jahren an den Dienstherrn zu wenden. In diesem Fall könnte das Land Schleswig-Holstein das Schmerzensgeld stellvertretend auszahlen und anschließend selbst gegen den Schädiger vorgehen.

Diese Entscheidung unterstreicht die Rechte von Polizeibeamten, die im Dienst Opfer von Gewalt werden. Sie können nicht nur auf dienstliche Unterstützung zählen, sondern haben auch die Möglichkeit, zivilrechtliche Ansprüche direkt gegen den Schädiger geltend zu machen. Dies stärkt ihre Position und kann zu einer gewissen Genugtuung nach erlittenen Übergriffen beitragen. Das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Lübeck setzt ein klares Zeichen für den Schutz und die Rechte von Polizeibeamten, die ihre körperliche Unversehrtheit für die öffentliche Sicherheit riskieren.

Landgericht Lübeck, Urteil vom 03.11.2023; AZ – 3 O 277/21 –

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Risiken beim Kolonnenspringen: Urteil verdeutlicht Haftungsfragen

Ein Urteil des Landgerichts Ellwangen vom März 2024 zeigt die Risiken des sogenannten Kolonnenspringen, insbesondere bei hohen Geschwindigkeiten und auf engen Straßen. Das Urteil stellt klar, dass beim Überholen in einer solchen Situation besondere Vorsicht geboten ist und Überholmanöver unter diesen Bedingungen als riskant einzustufen sind.

Im konkreten Fall ereignete sich ein Unfall auf einer engen Kreisstraße ohne Mittellinie, bei dem ein Teslafahrer eine Fahrzeugkolonne überholen wollte. Beim Versuch, mehrere Fahrzeuge gleichzeitig zu überholen, beschleunigte der Tesla auf 95 km/h und kollidierte mit einem in der Kolonne fahrenden Opel Astra. Das Gericht entschied, dass der Fahrer des Teslas allein für den Unfall verantwortlich sei, da er grob fahrlässig gehandelt habe.

Zwar darf eine Kolonne grundsätzlich überholt werden, jedoch müsse der Überholende die Verkehrsverhältnisse genau beachten. Im vorliegenden Fall war die Straße kurvig, ohne Bankett und nicht breit genug, um ein gefahrloses Überholen zu gewährleisten. Der Fahrer des Tesla hätte nicht darauf vertrauen dürfen, dass die anderen Fahrzeuge am äußersten rechten Rand der Fahrbahn fahren würden, um das Manöver („Kolonnenspringen“) zu erleichtern.

Gefahren des Kolonnenspringen und die Verantwortung des Überholenden, die Verkehrslage richtig einzuschätzenDie Ellwanger Richter stellten zudem klar, dass der Fahrer des Opels keinen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot begangen habe. Aufgrund der Straßenverhältnisse sei es legitim, nicht direkt am äußersten rechten Fahrbahnrand zu fahren, um einen sicheren Abstand zur Straße und möglichen Hindernissen zu halten. Die Fahrbahn selbst war an der Unfallstelle nur fünf Meter breit, und es war keine Verpflichtung gegeben, dem Teslafahrer ein riskantes Überholmanöver zu ermöglichen.

Das Urteil verdeutlicht die Notwendigkeit, die Verkehrslage sorgfältig zu beurteilen, bevor ein Überholvorgang eingeleitet wird. Eine langsame Fahrt der vorausfahrenden Fahrzeuge allein reicht nicht aus, um eine klare Überholsituation zu begründen. Weitere Faktoren wie die Breite der Straße, Kurvenverläufe und fehlende Markierungen spielen eine entscheidende Rolle bei der Einschätzung der Verkehrssituation.

Die Entscheidung des Landgerichts Ellwangen betont die Gefahren des Kolonnenspringen und die Verantwortung des Überholenden, die Verkehrslage richtig einzuschätzen. Es besteht keine Verpflichtung anderer Verkehrsteilnehmer, riskante Überholmanöver zu erleichtern, indem sie am äußersten Fahrbahnrand fahren.

Landgericht Ellwangen, Urteil vom 20.3.2024; AZ – 1 S 70/23 –

Foto: hykoe

Bundesgerichtshof bestätigt: Mietüberzahlungen fallen an Sozialleistungsträger

In einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Juni 2024 wurde der gesetzliche Anspruchsübergang auf Sozialleistungsträger bei Mietüberzahlungen (im Zusammenhang mit dem Bezug von Sozialleistungen) bestätigt. Hintergrund des Verfahrens war ein Fall, in dem ein Mieter, der Arbeitslosengeld II bezog, die Rückerstattung überzahlter Miete verlangte. Die Miete für die vom Kläger bewohnte Wohnung in Berlin war überhöht und teilweise aufgrund eines Wasserschadens gemindert. Der Mieter machte geltend, dass ihm eine Rückerstattung der überzahlten Beträge zustehe.

Das Amtsgericht hatte der Klage zunächst teilweise stattgegeben und dem Kläger eine Erstattung von rund 11.000 Euro zugesprochen. Im Berufungsverfahren änderte das Landgericht jedoch das Urteil ab und wies die Klage ab. Der BGH bestätigte diese Entscheidung und stellte klar, dass Rückerstattungsansprüche, die sich während des Bezugs von Sozialleistungen ergeben, auf den Sozialleistungsträger übergehen. In diesem Fall handelte es sich um das Jobcenter, das die Miete für den Kläger übernommen hatte. BGH-Urteil: Gesetzlicher Anspruchsübergang auf Sozialleistungsträger bei Mietüberzahlungen.

Der gesetzliche Forderungsübergang basiert auf dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialleistungen. Dieser Grundsatz soll verhindern, dass Sozialleistungen erbracht werden, wenn andere Mittel zur Bedarfsdeckung vorhanden sind. Im vorliegenden Fall wären die Sozialleistungen bei einer rechtzeitigen Rückerstattung der Mietüberzahlungen in nicht unbeträchtlicher Höhe durch die Vermieterin nicht erbracht worden. Das bedeutet, dass dem Kläger die Rückerstattungsansprüche nicht selbst zustehen, da sie in Höhe der geleisteten Aufwendungen auf das Jobcenter übergegangen sind.

Selbst wenn das Jobcenter diese Ansprüche nicht selbst geltend macht, bleibt der Anspruchsübergang bestehen. Der BGH stellte klar, dass die Übertragung auf den Sozialleistungsträger auch dann wirksam ist, wenn dieser die Ansprüche nicht selbst realisiert oder auf den Kläger zurücküberträgt. Dies betrifft lediglich den Verwaltungsvollzug und ändert nichts an den rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchsübergangs.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 5.6.2024; AZ – VIII ZR 150/23 –

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Sicherstellung eines Fahrzeugs wegen wiederholter Verkehrsverstöße bestätigt

Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße hat in einem Eilverfahren vom April 2024 die Sicherstellung eines Fahrzeugs für rechtmäßig erklärt, nachdem der Sohn des Fahrzeughalters wiederholt schwere Verkehrsverstöße begangen hatte. Der Fall drehte sich um einen Mercedes GLC, der vom Sohn des Antragstellers regelmäßig genutzt wurde und in mehreren Fällen mit erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen auffällig geworden war. Diese Verstöße führten zu zwei Fahrverboten, dennoch wurde der Sohn während der Dauer dieser Verbote erneut beim Fahren ohne Fahrerlaubnis erwischt. Dies löste Ermittlungsverfahren sowohl gegen den Sohn als auch gegen den Antragsteller aus, der es zugelassen hatte, dass sein Sohn das Fahrzeug weiterhin nutzte.

Die Polizei entschied sich daraufhin, das Fahrzeug präventiv sicherzustellen, um weitere Straftaten zu verhindern. Der Antragsteller legte Widerspruch gegen diese Maßnahme ein und beantragte gleichzeitig im Rahmen eines Eilverfahrens die Herausgabe des Fahrzeugs. Das Gericht lehnte diesen Antrag ab und stellte fest, dass die Sicherstellung des Fahrzeugs rechtlich nicht zu beanstanden sei. Es führte aus, dass zum Zeitpunkt der Sicherstellung ausreichende Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass der Antragsteller weder gewillt noch in der Lage sei, seinen Sohn von weiteren Verkehrsverstößen abzuhalten. Wiederholte Verstöße erlauben Sicherstellung eines Fahrzeugs!

Ausschlaggebend für die Entscheidung war die Einschätzung des Gerichts, dass der Antragsteller seine Verantwortung als Fahrzeughalter nicht wahrgenommen habe. Trotz wiederholter Auffälligkeiten zeigte der Antragsteller keine Bereitschaft, den Missbrauch seines Fahrzeugs durch seinen Sohn zu unterbinden. Dies wurde besonders deutlich, als der Antragsteller im Eilverfahren angab, er habe keine Kenntnis von der Nutzung seines Fahrzeugs durch den Sohn und sehe auch keine Pflicht, Nachforschungen anzustellen. Das Gericht bewertete diese Haltung als Ausdruck fehlender Einsicht und Verantwortung, was die Annahme einer konkreten Wiederholungsgefahr rechtfertigte.

In Anbetracht der wiederholten Verstöße und der mangelnden Einsicht sowohl des Antragstellers als auch seines Sohnes sah das Gericht keine Alternative zur Sicherstellung des Fahrzeugs. Die Polizei habe daher korrekt gehandelt, um weitere erhebliche Verkehrsverstöße und Straftaten zu verhindern. Der Antragsteller hat gegen diesen Beschluss Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt.

Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss vom 30.4.2024; AZ – 5 L 349/24.NW –

 Foto: Konstantin

Teilzeit-Rentner: Beiträge des Arbeitgebers ohne Wirkung auf Rente

Rentner, die weiterhin berufstätig sind, genießen in der Regel Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese Regelung bedeutet, dass weder der Rentner selbst noch sein Arbeitgeber Beiträge zur Rentenversicherung leisten müssen. Dennoch entscheiden sich manche Arbeitgeber freiwillig dazu, Rentenbeiträge abzuführen. Diese zusätzlichen Zahlungen führen jedoch nicht zu einer Erhöhung der Rentenzahlungen für die Teilzeit-Rentner.

Ein Fall aus Darmstadt verdeutlicht dies: Ein 1949 geborener Rentner bezog bereits eine Altersrente, als er weiterhin in Teilzeit arbeitete. Sein Arbeitgeber entrichtete Beiträge zur Rentenversicherung, was jedoch keine Auswirkungen auf die Rentenhöhe des Beschäftigten hatte. Der Rentner argumentierte, dass diese Regelung seine Grundrechte verletze, da die geleisteten Beiträge seiner Meinung nach seine Rente erhöhen sollten.

Teilzeit-Rentner können nicht auf Erhöhung ihres Rentenbezugs pochen!Das Hessische Landessozialgericht stellte jedoch klar, dass die Regelungen des Gesetzgebers verfassungsgemäß seien. Rentner, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze weiterhin eine Vollrente beziehen, sind versicherungsfrei, es sei denn, sie verzichten aktiv auf diese Versicherungsfreiheit. Nur in diesem Fall werden die Beiträge zur Rentenversicherung sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Rentner selbst geleistet und bei der Berechnung der Rentenhöhe berücksichtigt.

Im beschriebenen Fall hatte der Rentner jedoch keinen Verzicht auf die Versicherungsfreiheit erklärt. Folglich zahlte der Arbeitgeber zwar Beiträge, diese wurden jedoch nicht dem Versicherungskonto des Rentners zugeordnet und führten auch nicht zu einer Rentenerhöhung. Dies entspricht der Intention des Gesetzgebers, welcher mit dieser Regelung verhindern wollte, dass versicherungsfreie Altersrentner Beschäftigungen blockieren und dadurch den Zugang für andere Arbeitnehmer behindern.

Die gesetzliche Grundlage für diese Regelungen wurde durch das Flexirentengesetz von 2017 angepasst, um auf die demographischen Veränderungen und den Fachkräftemangel zu reagieren. Rentner, die weiterhin arbeiten und auf die Versicherungsfreiheit verzichten, können durch die zusätzlichen Beiträge eine Erhöhung ihrer Rente bewirken. Was für den Rentner im vorliegenden Fall jedoch erkennbar nicht zutraf. Die von seinem Arbeitgeber geleisteten Beiträge blieben somit ohne Einfluss auf seine Rentenhöhe und wurden auch nicht erstattet.

Landessozialgericht Hessen, Urteil vom 23.4.2024; AZ – L 2 R 36/23 –

Foto: Daniel

Reise-Stornierung: Gericht weist Rückerstattungsanspruch ab

Im Streit um einen Rückerstattungsanspruch aus einem Reisevertrag hat das Amtsgericht München in einemUrteil vom April 2024 gegen den Kläger entschieden, der 3.949 Euro zurückgefordert hatte. Der Kläger hatte eine neuntägige Reise nach Faro (Portugal) für 4.548 Euro gebucht und diese anschließend im Internet storniert. Daraufhin buchte das beklagte Resieunternehmen Stornogebühren in Höhe von 3.859 Euro vom Konto des Klägers ab. Der Kläger argumentierte, er habe sich lediglich über eine Umbuchung informieren wollen und versehentlich die Stornierung vorgenommen. Zudem habe er nach der Buchung von einer Baustelle neben dem Hotel erfahren.

Das Gericht stellte fest, dass die Stornierung wirksam war und eine Anfechtung wegen Irrtums in der Erklärungshandlung  nicht gegeben sei. Für die Stornierung waren fünf Schritte erforderlich, und ein versehentliches „Verklicken“ bei jedem dieser Schritte sei lebensfremd. Nach Ansicht des Gerichts musste dem Kläger bewusst gewesen sein, dass er eine endgültige Stornierung vornahm.

Rückerstattungsanspruch bei Stornierung.Das Reiseunternehmen sei berechtigt, so die Richter, aufgrund des Rücktritts vom Vertrag vor Reisebeginn eine angemessene Entschädigung in Höhe von 3.859 Euro zu verlangen. Es hatte schlüssig dargelegt, dass es für die Buchung der einzelnen Reiseleistungen wie Flüge und Hotel in Vorleistung gehen musste. Die Gesamtaufwendungen beliefen sich auf 4.036 Euro.

Der Kläger konnte sich auch nicht auf die AGB der Beklagten berufen, da seine Behauptung über eine Baustelle neben dem Hotel nicht ausreichend konkret war. Es fehlte an einem schlüssigen Vortrag, dass von der Baustelle ausreichender Baulärm ausgeht, der einen erheblichen Reisemangel darstellt. Auch eine entsprechende Mängelanzeige war nicht erfolgt. Somit konnte der Kläger keinen Anspruch auf Rückerstattung geltend machen.

Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung klarer und bewusster Handlungen bei Online-Buchungen und die rechtlichen Konsequenzen einer wirksamen Stornierung. Es zeigt zudem, dass eine Anfechtung der Stornierung wegen Irrtums nur unter sehr spezifischen Bedingungen möglich ist. Die Entscheidung des Amtsgerichts München hebt hervor, dass Reiseveranstalter berechtigt sind, angemessene Stornogebühren zu erheben, wenn Kunden ihre Buchungen zurückziehen und sie dadurch auf erheblichen Kosten sitzen bleiben.

Amtsgericht München, Urteil vom 18.4.2024; AZ –275 C 10050/23

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Korrektur falscher Schätzwerte bei Erdgasjahresabrechnung erlaubt

Das Amtsgericht München hat mit einem Urteil vom März 2024 entschieden, dass Energieanbieter durchaus berechtigt – quasi sogar verpflichtet – sind, falsche Schätzwerte nachträglich zu korrigieren. Dieser Fall betraf eine Erdgasjahresabrechnung über mehr als 4.200 Euro für den Zeitraum von März 2020 bis März 2021. Die Klägerin argumentierte, dass der ermittelte Gasverbrauch von 63.528 kWh deutlich zu hoch sei. Der hohe Verbrauch resultierte jedoch aus einer fehlerhaften Schätzung des Vorjahres, die zu niedrig angesetzt worden war.

Das Gericht stellte fest, dass der Verbrauchswert aus dem Jahr 2021 auf einer tatsächlichen Ablesung beruhte, während der Wert des Vorjahres geschätzt worden war. Die Schätzung des Vorjahres hatte sich im Nachhinein als zu niedrig erwiesen, was zu einer Korrektur in der Abrechnung 2021 führte. Das bayrische Gericht befand die Korrektur für rechtens, da diese auf realen, abgelesenen Werten basierte und somit den tatsächlichen Verbrauch korrekt widerspiegelte.

Die Beklagte ist berechtigt, die Schätzwerte anzusetzen Ein weiterer wichtiger Punkt des Urteils war die Verpflichtung der Klägerin, das tatsächlich verbrauchte Gas auch zu bezahlen. Das Gericht betonte, dass die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, den Verbrauch am Ende des ersten Jahres selbst abzulesen, um eine genauere Verteilung der Kosten zu gewährleisten. Da diese Möglichkeit von der Klägerin nicht genutzt wurde, sei die Beklagte berechtigt gewesen, die Schätzwerte anzusetzen. Die Schätzung des ersten Jahres und die Korrektur im zweiten Jahr entsprachen den gesetzlichen Abrechnungsmechanismen und führten insgesamt nicht zu einer fehlerhaften Gesamtabrechnung.

Das Urteil der Münchner Richter verdeutlicht die rechtliche Grundlage für die nachträgliche Korrektur von Schätzwerten bei Energieabrechnungen. Es betont die Bedeutung einer korrekten Ablesung zur Vermeidung von Streitigkeiten und stellt klar, dass Energieanbieter verpflichtet sind, fehlerhafte Schätzungen zu korrigieren, um so den tatsächlichen Verbrauch korrekt abzubilden. Diese Entscheidung unterstreicht die Verantwortung der Verbraucher, ihre Verbrauchswerte rechtzeitig und richtig zu erfassen, um unnötige Nachzahlungen zu vermeiden.

Das Gericht betonte zudem, dass keine relevanten Beweise vorgelegt wurden, die die Abrechnung in Frage stellen könnten. Dies zeigt die Bedeutung einer genauen und sorgfältigen Überprüfung von Schätzungen und tatsächlichen Ablesungen durch die Versorgungsunternehmen. Verbraucher sollten aufmerksam ihre Abrechnungen überprüfen und bei Unklarheiten rechtzeitig handeln, um ähnliche Fälle zu vermeiden.

Amtsgericht München, Urteil vom 19.3.2024; AZ – 172 C 12407/23

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Pro Klimaschutz: Errichtung von Kleinwind-Energieanlagen im Außenbereich erlaubt

Die Errichtung von Kleinwind-Energieanlagen zur Deckung des privaten Energieverbrauchs im Außenbereich wird als privilegiertes Vorhaben anerkannt. Eine Entscheidung des Koblenzer Oberveraltungsgerichts vom April 2024 betont die Förderung der Windenergie als wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Nutzung erneuerbarer Energien.

Im konkreten Fall beantragten Kläger die Erteilung eines Bauvorbescheids für vier Kleinwind-Energieanlagen mit einer Höhe von 6,5 Metern auf ihrem Grundstück im Außenbereich. Der Landkreis Altenkirchen lehnte diesen Antrag ab, da die Anlagen nicht der öffentlichen Energieversorgung dienen würden und öffentliche Belange dem Vorhaben entgegenstünden. Die Kläger erhoben daraufhin Klage vor dem Verwaltungsgericht, das den Landkreis zur Erteilung des Bauvorbescheids verpflichtete. In der Berufung bestätigte das Oberverwaltungsgericht Koblenz die Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Private Kleinwind-Energieanlagen im Außenbereich Das Oberverwaltungsgericht stellte klar, dass die Errichtung und der Betrieb der Kleinwind-Energieanlagen ein privilegiertes Vorhaben im Sinne des Baugesetzbuchs darstellt. Die Privilegierung beziehe sich auf die Nutzung der Windenergie, unabhängig davon, ob der erzeugte Strom ins öffentliche Netz eingespeist oder für den privaten Verbrauch genutzt wird. Diese Auslegung unterstützt den umwelt- und ressourcenschonenden Ansatz der gesetzlichen Regelung und trägt zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien bei.

Die Argumentation des Landkreises, die Privilegierung solle nur für Windenergieanlagen gelten, die der öffentlichen Versorgung dienen, wurde vom Gericht als unbegründet zurückgewiesen. Auch aus der Entstehungsgeschichte der entsprechenden Gesetzesvorschrift ergaben sich keine Hinweise auf ein solches Erfordernis. Vielmehr unterstreicht die Norm die Bedeutung einer nachhaltigen Energieversorgung durch erneuerbare Energien, zu der auch privat genutzte Kleinwind-Energieanlagen beitragen können.

Bedenken des Landkreises hinsichtlich eines möglichen Wildwuchses von Kleinwind-Energieanlagen im Außenbereich wurden ebenfalls entkräftet. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen machen die Errichtung solcher Anlagen im Außenbereich nur dann sinnvoll, wenn der erzeugte Strom vor Ort verbraucht wird oder eine Netzeinspeisung wirtschaftlich tragfähig ist. Da dies in den meisten Fällen nicht gegeben ist, bleibt das Risiko eines übermäßigen Ausbaus gering.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung von Kleinwind-Energieanlagen im Außenbereich erfüllt sind, wenn sie der privaten Energieversorgung dienen und keine anderen Belange entgegenstehen. Dies trägt zur Förderung erneuerbarer Energien und zum Klimaschutz bei, indem es die Nutzung von Windenergie auch für private Zwecke ermöglicht.

Oberverwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 4.4.2024; –  1 A 10247/23.OVG –

Foto: TimSiegert-batcam

Schadensersatz bei unzulässigem Baumrückschnitt durch Nachbarn

Der unbefugte Rückschnitt von Bäumen durch Nachbarn ist tatsächlich oft Anlass für juristische Auseinandersetzungen. Ein aktueller Fall aus dem Vordertaunus veranschaulicht die durchaus komplexen Fragen, die dabei entstehen können. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat im Februar 2024 ein Urteil des Landgerichts aufgehoben und zur weiteren Klärung zurückverwiesen. In diesem Fall ging es um den Schadensersatzanspruch nach gravierendem Baumrückschnitt gleich zweier Bäume auf dem Grundstück der Klägerin durch den Beklagten.

Die Klägerin besitzt ein großes Grundstück mit einem rund 70 Jahre alten Baumbestand. Regelmäßige Pflege und Rückschnitte durch ein Fachunternehmen sichern den Erhalt dieses Baumbestandes. Das Nachbargrundstück des Beklagten grenzt unmittelbar an, wobei eine Birke und ein Kirschbaum in der Nähe der Grundstücksgrenze stehen. Beide Bäume waren bereits vor dem Erwerb des Nachbargrundstücks durch den Beklagten vorhanden. Die Klägerin hatte dem Beklagten gestattet, überhängende Äste zurückzuschneiden – also durchaus einen regelmäßigen Baumrückschnitt durchzuführen. Im Mai 2020 jedoch betrat der Beklagte das Grundstück der Klägerin in ihrer Abwesenheit und führte umfangreiche Rückschnittarbeiten durch. Dies führte dazu, dass die Birke vollständig entlaubt und der Kirschbaum stark gekürzt wurde. Der Zustand der Bäume verschlechterte sich erheblich, und es blieb unklar, ob sie sich vollständig erholen würden. Schadensersatz nach gravierendem Baumrückschnitt durch Nachbarn

Das Landgericht sprach der Klägerin zunächst Schadensersatz in Höhe von gut 4.000 Euro zu, was sich auf die Wertminderung der Bäume und die Kosten für die Entsorgung des Schnittguts bezog. Die Klägerin hatte jedoch einen Betrag von knapp 35.000 Euro gefordert und legte Berufung ein. Das OLG hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies den Fall zur weiteren Aufklärung zurück. Die zentrale Frage war, in welchem Umfang Schadensersatz für einen solch unzulässigen und nicht genehmigten Baumrückschnitt zu leisten sei.

Nach ständiger Rechtsprechung wird bei der Zerstörung eines Baumes in der Regel keine Naturalrestitution gefordert, da die Kosten für die Verpflanzung eines ausgewachsenen Baumes unverhältnismäßig hoch sind. Stattdessen wird eine Teilwiederherstellung durch die Anpflanzung eines jungen Baumes und ein Ausgleich für die verbleibende Werteinbuße des Grundstücks angestrebt. Diese Werteinbuße ist zu schätzen und umfasst die Kosten für die Anschaffung, Pflanzung und Pflege eines neuen Baumes sowie das Risiko des Anwachsens. Der ermittelte Wert wird um Alterswertminderungen und eventuelle Vorschäden bereinigt.

In besonderen Ausnahmefällen können jedoch die vollen Wiederbeschaffungskosten zugesprochen werden. Dies trifft zu, wenn Art, Standort und Funktion des Baumes einen Ersatz durch einen gleichartigen Baum sinnvoll erscheinen lassen. Das OLG stellte klar, dass bei der Bewertung des Schadensersatzes die Funktion der Bäume für das Grundstück berücksichtigt werden muss. Die Klägerin hatte vorgetragen, dass die naturnahe Gartengestaltung auf ihrem Grundstück darauf abzielt, Lebensraum für Vögel und andere Tiere zu schaffen sowie zur Umwandlung von Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff beizutragen. Diese Faktoren müssen bei der Schadensbemessung einbezogen werden.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 6.2.2024; AZ – 9 U 35/23 –

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