Testament mit Anlage kann unwirksam sein: BGH klärt Formvorschriften

Der Bundesgerichtshof hat in einem wichtigen Urteil vom November 2021entschieden, dass ein Testament mit Anlage unwirksam sein kann, wenn die Erben nur in einem separaten, nicht formgerechten Dokument genannt werden. Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen für die Testamentserstellung.

Ein Ehepaar aus Hessen hatte 2011 ein gemeinschaftliches Testament aufgesetzt. Darin wurde festgehalten, dass fünf befreundete Familien als Erben eingesetzt werden sollten. Die konkreten Namen dieser Familien standen allerdings nicht im Testament selbst, sondern in einer maschinenschriftlichen Anlage, die das Ehepaar unterschrieben hatte. Nach dem Tod beider Ehepartner entbrannte ein Streit darüber, ob diese Form der Erbeinsetzung rechtsgültig war.

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste klären, ob eine solche Verweisung auf ein separates Dokument ausreicht. Das höchste deutsche Zivilgericht kam zu einem eindeutigen Ergebnis: Die Erbeinsetzung war unwirksam. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Erben im Testament selbst eindeutig benannt sein müssen. Ein bloßer Verweis auf eine Anlage, die nicht den strengen Formvorschriften für Testamente entspricht, genügt nicht.

Selbst gut gemeinte Regelungen können unwirksam sein, wenn die Formvorschriften nicht beachtet werden.Besonders problematisch war in diesem Fall, dass die Anlage maschinenschriftlich verfasst war. Ein eigenhändiges Testament muss vollständig handschriftlich geschrieben und unterschrieben sein. Diese strengen Formvorschriften dienen dem Schutz vor Fälschungen und sollen sicherstellen, dass der letzte Wille des Verstorbenen eindeutig feststellbar ist. Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass es dabei nicht darauf ankommt, ob im konkreten Fall tatsächlich eine Fälschungsgefahr bestand. Die Formvorschriften müssen immer eingehalten werden.

Für die Praxis bedeutet diese Entscheidung: Wer ein Testament verfasst, muss alle wesentlichen Bestimmungen direkt im Testament selbst aufführen. Die Erben müssen namentlich genannt werden. Eine pauschale Bezeichnung wie „meine fünf befreundeten Familien“ reicht nicht aus, wenn die konkreten Personen erst aus einer separaten Liste hervorgehen. Falls zusätzliche Dokumente verwendet werden sollen, müssen auch diese den strengen Formvorschriften entsprechen. Bei einem eigenhändigen Testament bedeutet das: komplett handschriftlich und unterschrieben.

Die Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, bei der Testamentserstellung sorgfältig vorzugehen. Selbst gut gemeinte Regelungen können unwirksam sein, wenn die Formvorschriften nicht beachtet werden. Im vorliegenden Fall führte der Formfehler dazu, dass die gewünschten Erben leer ausgingen.

Urteil des Bundesgerichtshof vom 10.11.2021, AZ – V ZB 30/20 –

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Bewertung von Krankschreibungen aus Nicht-EU-Ländern

Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom Januar 2025 bringt wichtige Klarstellungen zur Beweiskraft von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die in Ländern außerhalb der Europäischen Union ausgestellt wurden. Grundsätzlich stellt das Gericht fest, dass solche Bescheinigungen denselben Beweiswert haben wie in Deutschland ausgestellte Atteste, sofern erkennbar ist, dass eien solche Krankschreibungen aus Nicht-EU-Ländern der Arzt vor Ort zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterschieden hat.

Der Fall betraf einen Lagerarbeiter, der seit 2002 bei seinem Arbeitgeber tätig war. Er verbrachte seinen Urlaub 2022 in Tunesien und meldete sich kurz vor Urlaubsende krank. Ein tunesischer Arzt bescheinigte ihm „schwere Ischiasbeschwerden“ und verordnete 24 Tage strenge häusliche Ruhe mit Reiseverbot bis Ende September 2022. Bereits einen Tag nach dieser Bescheinigung buchte der Arbeitnehmer jedoch ein Fährticket und reiste am 29. September – also während der attestierten Arbeitsunfähigkeit und des Reiseverbots – mit seinem PKW über Italien nach Deutschland zurück. Eine Stärkung der Position bei Zweifeln an ausländischen Krankschreibungen, insbesondere wenn diese in zeitlichem Zusammenhang mit Urlauben.

Das Bundesarbeitsgericht betonte, dass bei der Bewertung einer Krankschreibungen aus Nicht-EU-Ländern eine Gesamtbetrachtung aller Umstände notwendig ist. Mehrere Aspekte führten in diesem Fall dazu, dass der Beweiswert der Bescheinigung erschüttert wurde: Die lange Krankschreibungsdauer ohne angeordnete Wiedervorstellung, die Buchung der Rückreise trotz attestiertem Bewegungs- und Reiseverbot sowie die Tatsache, dass der Arbeitnehmer bereits in den Jahren zuvor mehrfach unmittelbar nach seinem Urlaub Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt hatte.

Das Gericht stellte klar, dass einzelne dieser Umstände für sich genommen unbedenklich sein mögen. In ihrer Gesamtheit begründeten sie jedoch ernsthafte Zweifel an der Beweiskraft des Attests. Dies hat weitreichende Folgen für die Beweislast: Der Arbeitnehmer trägt nun die volle Darlegungs- und Beweislast für das tatsächliche Bestehen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, um seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung durchzusetzen.

Für Arbeitgeber bedeutet diese Entscheidung eine Stärkung ihrer Position bei Zweifeln an ausländischen Krankschreibungen, insbesondere wenn diese in zeitlichem Zusammenhang mit Urlauben stehen. Sie müssen jedoch weiterhin konkrete Umstände darlegen, die in ihrer Gesamtheit die Zweifel begründen. Eine pauschale Ablehnung ausländischer Atteste ist nicht zulässig. Für Arbeitnehmer hingegen unterstreicht das Urteil die Notwendigkeit, bei Erkrankungen im Ausland alle ärztlichen Anweisungen strikt zu befolgen und widersprüchliche Handlungen zu vermeiden.

Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 15.1.2025; AZ – 5 AZR 284/24 –

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Gerichtsentscheidung zur Transparenzpflicht bei Sternebewertungen

Das Landgericht Berlin hat in einem Urteil vom August 2024 entschieden, dass die Firma Apple besser darüber aufklären muss, dass Sternebewertungen in ihrem „App Store“ nicht auf ihre Echtheit geprüft werden. Die bisherige Praxis des Unternehmens, einen entsprechenden Hinweis lediglich in den Nutzungsbedingungen zu verstecken, wurde vom Gericht als unzureichend bewertet. Es fehlt also eindeutig die Transparenzpflicht bei Sternebewertungen.

Hintergrund der Entscheidung ist eine seit dem 28. Mai 2022 geltende gesetzliche Verpflichtung für Anbieter von Online-Plattformen. Diese müssen transparent darüber informieren, ob und wie sie sicherstellen, dass Bewertungen tatsächlich von Verbrauchern stammen, die das Produkt oder die Dienstleistung genutzt oder gekauft haben. Die Vorschrift soll Verbraucher vor gefälschten Nutzerbewertungen schützen und ihnen ermöglichen, auf Basis authentischer Bewertungen fundierte Kaufentscheidungen zu treffen.

Sternebewertungen stellen für viele Verbraucher ein wichtiges Entscheidungskriterium dar.Im konkreten Fall hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) eine Klage gegen Apple Distribution International Ltd. eingereicht. Im „App Store“ werden bei der Beschreibung von Anwendungen die üblichen Sternebewertungen sowie Rezensionen von Nutzern angezeigt, einschließlich des Durchschnittswerts und der Verteilung der Bewertungen. Allerdings prüft Apple nicht, ob die Bewertungen von Personen stammen, die die jeweilige App tatsächlich auch genutzt haben. Dieser wichtige Umstand wurde nur in den Nutzungsbedingungen unter der Überschrift „Deine Beiträge zu unseren Diensten“ erwähnt.

Das Landgericht Berlin stellte klar, dass diese Praxis irreführend sei. Die Richter betonten, dass es Verbrauchern nicht zumutbar sei, in den Geschäftsbedingungen nach wesentlichen Informationen zu suchen. Zudem würden Verbraucher nicht erwarten, einen solchen Hinweis unter der genannten Überschrift zu finden.

Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für alle Unternehmen, die derartige Online-Bewertungssysteme anbieten. Die Transparenzpflicht bei Sternebewertungen betrifft dabei nicht nur Tech-Giganten wie Apple, sondern grundsätzlich alle Betreiber von Online-Plattformen mit Bewertungsfunktionen. Unternehmen müssen nun sicherstellen, dass Informationen zur Prüfung der Authentizität von Bewertungen für Verbraucher leicht zugänglich und vor allem verständlich platziert werden.

Das Urteil verdeutlicht die zunehmende Bedeutung von Transparenz im digitalen Handel. Schließlich stellen Sternebewertungen für viele Verbraucher ein wichtiges Entscheidungskriterium dar. Die mangelnde Überprüfung der Echtheit kann jedoch die Aussagekraft solcher Bewertungen erheblich einschränken. Durch die gerichtlich bestätigte Informationspflicht sollen Verbraucher nun besser einschätzen können, wie verlässlich die angezeigten Bewertungen tatsächlich sind.

Für Unternehmen bedeutet dies, ihre Bewertungssysteme äußerst kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen – um so den Transparenzanforderungen gerecht zu werden und rechtliche Risiken zu minimieren.

Urteil des Landgericht Berlin vom 29.8.2024; AZ – II52 O 254/23 –

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Rechtliche Möglichkeiten bei offensichtlich fehlerhaften Stromrechnungen

Bei Stromrechnungen mit auffällig hohen Beträgen besteht oft die Frage nach der rechtlichen Verpflichtung zur Zahlung. Ein Urteil vom Oktober 2024 des Landgerichts Lübeck bietet hierzu wichtige Erkenntnisse. In diesem Fall ging es um eine ungewöhnlich hohe Forderung eines Stromanbieters gegenüber einem Gewerbetreibenden, der eine Wohnung für seine Mitarbeiter angemietet hatte. Der Kläger vermutete daher, dass fehlerhafte Stromrechnungen die Ursache seien.

Der Sachverhalt stellte sich folgendermaßen dar: Nach Beendigung des Mietverhältnisses erhielt der Gewerbetreibende eine Stromrechnung in Höhe von 17.948,11 Euro für einen Verbrauchszeitraum von lediglich vier Monaten (Juli bis Oktober). Der hohe Betrag erschien besonders fragwürdig, da die Mitarbeiter die Wohnung bereits Ende Juni verlassen hatten. Zudem führte der Gewerbetreibende an, dass in dem Gebäude vier verschiedene Verbrauchsstellen existierten, jedoch nur zwei Stromzähler installiert waren. Dies erschwerte die eindeutige Zuordnung des Stromverbrauchs.

Bei unklaren Zuständigkeiten oder fehlenden kritischen Daten wie Zählernummern im Übergabeprotokoll verringert sich dessen Wert als Beweismittel erheblich.Der Stromanbieter stützte seine Forderung auf ein Übergabeprotokoll mit dokumentierten Zählerständen. Der Gewerbetreibende erklärte jedoch, dieses Protokoll aufgrund von Sprachproblemen im Vertrauen auf den Vermieter unterschrieben zu haben, ohne den Inhalt vollständig zu verstehen.

Das Landgericht Lübeck entschied zugunsten des Gewerbetreibenden. Nach richterlicher Auffassung konnte der Stromanbieter nicht nachweisen, dass der berechnete Strom tatsächlich in der betreffenden Wohnung verbraucht wurde. Ein entscheidender Aspekt: Der Stromanbieter kam trotz mehrfacher Aufforderung seiner Verpflichtung nicht nach, die für eine Zeugenbefragung des Vermieters notwendigen Auslagen vorzuschießen.

Die rechtliche Grundlage für diese Entscheidung findet sich in der Stromgrundversorgungsverordnung. Diese besagt, dass Stromkunden die Zahlung verweigern dürfen, wenn die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers in der Abrechnung besteht. In solchen Fällen trägt der Stromanbieter die Beweislast – er muss nachweisen, dass die berechnete Strommenge tatsächlich vom Kunden verbraucht wurde.

Für die Beweisführung reicht ein Übergabeprotokoll mit dokumentierten Zählerständen allein nicht aus, wenn begründete Zweifel an der korrekten Zuordnung des Verbrauchs bestehen. Dies gilt besonders bei mehreren Verbrauchsstellen mit unklarer Zählerzuordnung. Zudem unterliegt die Beweiskraft eines Übergabeprotokolls bestimmten Voraussetzungen. Beide Parteien müssen das Dokument unterschreiben, und bei ungewöhnlich hohen Verbrauchswerten muss der Anbieter zusätzliche Nachweise erbringen.

Bei unklaren Zuständigkeiten oder fehlenden kritischen Daten wie Zählernummern im Übergabeprotokoll verringert sich dessen Wert als Beweismittel erheblich. Stromkunden sollten daher bei Erhalt auffällig hoher Rechnungen zunächst prüfen, ob die berechneten Verbrauchswerte plausibel erscheinen und ob die Zählerstände korrekt zugeordnet wurden. Im Zweifelsfall empfiehlt sich eine rechtliche Beratung, um die Erfolgsaussichten einer Zahlungsverweigerung für fehlerhafte Stromrechnungen einschätzen zu lassen.

Urteil des Landgericht Lübeck vom 17.10.2024; AZ – 5 O 125/23 –

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Mietminderung bei Baulärm: Pauschale Minderungsquote für gesamte Bauphase zulässig

Ein Urteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte vom Februar 2024 stärkt die Position von Mietern, die unter lärmintensiven Bauarbeiten leiden. Das Gericht hat entschieden, dass eine einheitliche Mietminderung bei Baulärm über den gesamten Zeitraum von Bauarbeiten angewendet werden kann. Diese Entscheidung bietet Mietern mehr Planungssicherheit und reduziert komplizierte Einzelfallberechnungen.

Der Fall begann im Dezember 2019, als das Amtsgericht Berlin-Mitte feststellte, dass die betroffenen Mieter aufgrund von lärmintensiven Bauarbeiten auf einem Nachbargrundstück berechtigt waren, ihre Miete pauschal um 20 Prozent zu mindern. Diese Minderung sollte bis zum Abschluss der Bauarbeiten gelten. Das Gericht erläuterte seine Entscheidung damit, dass zu Beginn der Arbeiten eine höhere Minderungsquote von 50 Prozent angemessen gewesen wäre, die jedoch im Laufe der Baumaßnahmen sukzessive auf null sinken würde. Aus praktischen Erwägungen wurde daher eine einheitliche Pauschale festgelegt.

Die Situation entwickelte sich weiter, als die Vermieterin ab Dezember 2020 wieder die volle Mietzahlung forderte. Sie behauptete, dass keine lärmintensiven Arbeiten mehr stattfänden. Die Mieter widersprachen dieser Darstellung und beriefen sich auf fortlaufende Bauaktivitäten. Sie beharrten darauf, dass ihr Minderungsrecht weiterhin bestand und zahlten entsprechend weiterhin nur 80 Prozent der vereinbarten Miete.

Das Gericht stellte klar, dass der Vermieter die Beweislast trägt, wenn er behauptet, dass die Beeinträchtigungen durch die Bauarbeiten nicht mehr bestehen.In der erneuten gerichtlichen Auseinandersetzung entschied das Amtsgericht Berlin-Mitte zugunsten der Mieter. Das Gericht bestätigte, dass die Festsetzung einer einheitlichen Minderungsquote für den gesamten Bauzeitraum rechtmäßig ist. Dies bedeutet erhebliche Erleichterungen für Mieter, da nicht für jeden Monat oder jede Phase der Bauarbeiten separate Minderungsquoten berechnet werden müssen.

Besonders bemerkenswert ist die Entscheidung bezüglich der Beweislast. Das Gericht stellte klar, dass der Vermieter die Beweislast trägt, wenn er behauptet, dass die Beeinträchtigungen durch die Bauarbeiten nicht mehr bestehen. Im vorliegenden Fall konnte die Vermieterin nicht nachweisen, dass seit Dezember 2020 keine minderungsrelevanten Immissionen mehr auf die Wohnung einwirkten. Folglich durften die Mieter ihre Miete weiterhin um die festgelegten 20 Prozent reduzieren.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass einmal gerichtlich festgestellte Minderungsrechte fortbestehen, bis der Vermieter eindeutig nachweisen kann, dass die Beeinträchtigungen vollständig weggefallen sind. Dies bietet Mietern Planungssicherheit in langwierigen Bauphasen und reduziert den Dokumentationsaufwand bezüglich der Lärmbelästigung.

In Ballungsgebieten mit anhaltender Bautätigkeit trägt die Entscheidung zur Klärung der Rechtslage bei und erleichtert die Handhabung von Minderungsansprüchen. Mieter werden von der täglichen Protokollführung oder der regelmäßigen Neuverhandlung von Minderungsquoten entlastet, um eine Mietminderung bei Baulärm zu erzielen. Parallel dazu obliegt es den Vermietern, das Ende der Beeinträchtigungen konkret nachzuweisen, bevor sie die volle Mietzahlung einfordern können.

Urteil des Amtsgericht Berlin-Mitte vom 1.2.2024; AZ – 104 C 33/23 –

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Handwerksleistungen und die Bedeutung der Vergütungsvereinbarung

Ein Urteil des Amtsgerichts München aus September 2024 verdeutlicht die Bedeutung klarer Vergütungsvereinbarungen bei Handwerksleistungen. Der Fall betraf einen Heizungs- und Sanitärausbaubetrieb, der nach Abschluss vereinbarter Arbeiten zusätzliche Leistungen in Rechnung stellte, ohne eine entsprechende Vergütungsvereinbarung nachweisen zu können.

Im konkreten Fall hatte ein Münchener Schaustellerbetrieb einen Handwerksbetrieb aus Niederbayern mit dem Heizungs- und Sanitärausbau eines Schausteller-LKWs beauftragt. Die ursprüngliche Rechnung in Höhe von 3.668 Euro brutto wurde vom Auftraggeber vollständig beglichen.

Nach Abschluss der Arbeiten stellte der Handwerksbetrieb weitere Leistungen in Höhe von 2.790 Euro brutto in Rechnung. Diese umfassten einen zusätzlichen Kaltwasser- und Abflussanschluss für eine Waschmaschine, einen zusätzlichen Wasseranschluss unter dem Zugfahrzeug sowie weitere Sanitärbaumaßnahmen. Der Handwerksbetrieb argumentierte, diese Leistungen gingen über das ursprüngliche Angebot hinaus und seien vom Schausteller nachträglich verlangt worden, weshalb eine zusätzliche Vergütung gerechtfertigt sei.

Da der Schausteller die Zahlung verweigerte, beantragte der Handwerksbetrieb einen Mahn- und Vollstreckungsbescheid über den genannten Betrag. Das Amtsgericht München wies jedoch die Klage ab und gab dem Schaustellerbetrieb Recht. Diese Entscheidung unterstreicht die Wichtigkeit schriftlicher Vereinbarungen bei jeglichen Zusatzleistungen im Handwerksbereich.

Entscheidend war, dass der darlegungs- und beweispflichtige Handwerksbetrieb nicht belegen konnte, dass für die zusätzlichen Arbeiten tatsächlich eine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde. Ein Zeuge, der die Arbeiten vor Ort durchführte, konnte nicht angeben, welche konkreten Vereinbarungen hinsichtlich des Umfangs der Arbeiten zwischen den Parteien getroffen wurden. Auch die Befragung des Klägers ergab keine Hinweise auf eine vereinbarte zusätzliche Vergütung.

Das Gericht betonte, dass es Aufgabe des Handwerksbetriebs sei, seine Mitarbeiter ordnungsgemäß zu beaufsichtigen und sicherzustellen, dass nur die vertraglich vereinbarten Leistungen erbracht werden. Die bloße Durchführung zusätzlicher Leistungen durch einen Mitarbeiter ersetzt nicht die erforderliche vertragliche Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien.

Diese Entscheidung unterstreicht die Wichtigkeit schriftlicher Vereinbarungen bei jeglichen Zusatzleistungen im Handwerksbereich. Handwerksbetriebe sollten stets darauf achten, dass bei Erweiterungen des ursprünglichen Auftragsumfangs eine klare Vergütungsvereinbarung getroffen und dokumentiert wird. Gleichzeitig verdeutlicht das Urteil, dass die Beweislast für das Bestehen einer Vergütungsvereinbarung beim leistungserbringenden Betrieb liegt.

Handwerksbetriebe sind also gut beraten, alle Auftragsänderungen und -erweiterungen sorgfältig zu dokumentieren und vom Auftraggeber bestätigen zu lassen, um spätere Zahlungsverweigerungen zu vermeiden. Für Auftraggeber bietet das Urteil hingegen Sicherheit, dass Handwerksbetriebe nicht eigenmächtig zusätzliche Leistungen erbringen und anschließend in Rechnung stellen können, ohne dass hierfür eine Vergütungsvereinbarung besteht.

Das Urteil des Amtsgerichts München ist rechtskräftig und bietet somit eine verlässliche Orientierung für vergleichbare Fälle.

Urteil des Amtsgericht München vom 26.9.2024; AZ –275 C 13938/23 –

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Alkoholfahrt mit Fahrrad: Behördliche Fahrverbote unzulässig

Eine weitreichende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom Dezember 2024 sorgt für mehr Rechtssicherheit im Bereich der Mobilität nach einer Alkoholfahrt. Das Gericht stellte fest, dass die Fahrerlaubnis-Verordnung keine rechtliche Grundlage für eine behördliche Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen bietet. Zu diesen Fahrzeugen zählen unter anderem Fahrräder, Mofas und E-Scooter.

Der Sachverhalt betraf zwei Fälle aus Duisburg und Schwerte. In einem Fall fuhr eine Person unter dem Einfluss von Amphetamin einen E-Scooter, im anderen Fall ging es um eine klassische Alkoholfahrt mit dem Fahrrad, bei der eine Blutalkoholkonzentration von über zwei Promille festgestellt wurde. Beide Personen besaßen keine Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge wie PKW. Die zuständigen Fahrerlaubnisbehörden untersagten ihnen daraufhin das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Nach Ablehnung ihrer Eilanträge durch die Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Gelsenkirchen legten die Betroffenen erfolgreich Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht ein.

Der Senat des Oberverwaltungsgerichts begründete seine Entscheidung damit, dass die entsprechende Vorschrift der Fahrerlaubnisverordnung nicht hinreichend bestimmt und verhältnismäßig sei. Die Richter betonten, dass ein solches Verbot nach einer Alkoholfahrt die grundrechtlich geschützte Fortbewegungsmöglichkeit der Betroffenen erheblich einschränke. Außerdem wurde berücksichtigt, dass fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Vergleich zu Kraftfahrzeugen in der Regel weniger gefährlich sind. Für Personen, denen das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nach einer Alkoholfahrt untersagt wurde, eröffnet diese Rechtsprechung die Möglichkeit, gegen solche Verwaltungsakte vorzugehen.

Das Gericht kritisierte besonders, dass die bisherige Vorschrift nicht hinreichend klar regelt, in welchen Fällen jemand als ungeeignet oder bedingt geeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge einzustufen ist und wann Eignungszweifel bestehen. Diese Unbestimmtheit der Norm führte letztlich dazu, dass die behördlichen Untersagungen nach einer Alkoholfahrt für rechtswidrig erklärt wurden.

Mit dieser Rechtsprechung folgt das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen einer Linie, die bereits vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im April 2023 und vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im März 2024 etabliert wurde. Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar, was bedeutet, dass die betroffenen Personen aus Duisburg und Schwerte nun vorläufig wieder berechtigt sind, mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen am Straßenverkehr teilzunehmen, obwohl sie zuvor eine Alkoholfahrt begangen hatten.

Diese Entscheidung verdeutlicht eine wichtige rechtliche Differenzierung zwischen dem Führen von fahrerlaubnispflichtigen und fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Während bei ersteren ein umfassendes Regelwerk zur Eignungsfeststellung existiert, fehlt es bei letzteren an einer entsprechend klaren gesetzlichen Grundlage. Der Gesetzgeber müsste nun tätig werden, wenn er die Möglichkeit einer behördlichen Untersagung auch für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge nach einer Alkoholfahrt schaffen möchte.

Für Personen, denen das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nach einer Alkoholfahrt untersagt wurde, eröffnet diese Rechtsprechung die Möglichkeit, gegen solche Verwaltungsakte vorzugehen. Gleichzeitig bleibt zu beachten, dass Alkohol- und Drogenkonsum beim Führen jeglicher Fahrzeuge weiterhin strafbar sein kann und erhebliche Gefahren für alle Verkehrsteilnehmer mit sich bringt. Eine Alkoholfahrt mit dem Fahrrad oder E-Scooter ist also keineswegs straffrei, lediglich die behördliche Untersagung des Führens dieser Fahrzeuge ist nach aktueller Rechtsprechung nicht zulässig.

Urteil des Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen vom 5.12.2024; AZ – 16 B 175/23 –

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Sterbegeldversicherung und deren Einfluss auf das Erbschaftsteuerrechts

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 10. Juli 2024 eine grundlegende Entscheidung zur steuerlichen Behandlung von Sterbegeldversicherungen getroffen. Das Urteil befasst sich mit der Frage, wie Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung und die damit verbundenen Bestattungskosten erbschaftsteuerlich zu bewerten sind. Der Fall betraf einen Kläger und seine Schwester, die ihre Tante beerbt hatten. Die Erblasserin hatte eine Sterbegeldversicherung abgeschlossen und das Bezugsrecht für die Versicherungssumme bereits zu Lebzeiten an ein Bestattungsunternehmen abgetreten. Nach ihrem Tod stellte das Bestattungsunternehmen 11.653,96 Euro für die durchgeführte Bestattung in Rechnung. Die Sterbegeldversicherung übernahm davon einen Betrag von 6.864,82 Euro.

Das Finanzamt behandelte den gewährten Sachleistungsanspruch als Teil des Nachlasses und erhöhte entsprechend die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer um 6.864 Euro. Für die geltend gemachten Nachlassverbindlichkeiten – zu denen auch die Bestattungskosten zählten – berücksichtigte das Finanzamt lediglich die gesetzliche Pauschale für Erbfallkosten in Höhe von 10.300 Euro. Nach einem erfolglosen Einspruchsverfahren und einer abgewiesenen Klage vor dem Finanzgericht legte der Erbe Revision beim Bundesfinanzhof ein. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Finanzgericht zurück.

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung, die der verstorbene Erblasser bereits zu Lebzeiten an ein Bestattungs¬unternehmen abgetreten hat, als Sachleistungsanspruch der Erben den Nachlass erhöhen.In seiner Entscheidung bestätigte der BFH zunächst die Position des Finanzgerichts, dass der durch die Sterbegeldversicherung erworbene Sachleistungsanspruch in den Nachlass fällt. Das hatte zu einer Erhöhung des Nachlassvermögens geführt, da die Erben einen wirtschaftlichen Vorteil in Form der Bestattungsleistungen erhielten. Daher war der Wert des Sachleistungsanspruchs aus der Sterbegeldversicherung in Höhe von 6.864,82 Euro bei der Bemessung der Erbschaftsteuer zu berücksichtigen.

Der BFH stellte jedoch klar, dass die Bestattungskosten nicht nur in Höhe der gesetzlichen Pauschale abzugsfähig sind. Vielmehr müssen die tatsächlichen Aufwendungen für die Bestattung im vollen Umfang als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd berücksichtigt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Kosten teilweise durch Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung gedeckt wurden. Die Entscheidung des BFH verdeutlicht: Einerseits erhöht der Sachleistungsanspruch aus der Sterbegeldversicherung den steuerpflichtigen Nachlass, andererseits sind die durch die Sterbegeldversicherung abgedeckten Bestattungskosten in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig.

Für die steuerliche Bewertung von Sterbegeldversicherungen bei Erbfällen bedeutet dies, dass eine differenzierte Betrachtung erforderlich ist. Der Abschluss einer Sterbegeldversicherung führt nicht zu einer steuerlichen Mehrbelastung, sofern die vollständige Abzugsfähigkeit der Bestattungskosten berücksichtigt wird. Besonders relevant wird diese Entscheidung, wenn die tatsächlichen Bestattungskosten die Pauschale von 10.300 Euro übersteigen.

Urteil der Bundesfinanzhof vom 10.7.2024; AZ – II 31/21 –

Foto: InsideCreativeHouse

Sicherung im Linienbus und Haftung bei Unfällen

Ein Fall aus München verdeutlicht die Bewertung von Unfällen der Sicherung im Linienbus und in anderen öffentlichen Verkehrsmitteln. Im April 2023 ereignete sich ein Zwischenfall in einem Linienbus, bei dem ein 76-jähriger Fahrgast während einer Vollbremsung zu Fall kam. Der Bus musste stark abbremsen, nachdem ein PKW kurzfristig die Spur gewechselt hatte. Durch den Sturz erlitt der Fahrgast Verletzungen an der Brustwirbelsäule, dem Becken sowie eine Überdehnung des Daumensattelgelenks. Die Folgen der Verletzungen führten zu einer vierwöchigen Schmerzperiode mit anhaltenden Beschwerden.

Die Aufarbeitung des Falls im Oktober 2024 beim Amtsgericht München brachte eine eindeutige Entscheidung. Die Richter erkannten zwar die Mitverantwortung des PKW-Fahrers durch seinen plötzlichen Spurwechsel an, schloss jedoch dessen Haftung aufgrund des erheblichen Mitverschuldens des Fahrgasts aus. Die Begründung umfasste mehrere entscheidende Aspekte: Die vom Fahrgast gewählte stehende Position bot keine ausreichende Sicherung bei Bremssituationen. Seine Stabilisierung mit nur einer Hand erwies sich als unzureichend, während der mitgeführte Trolley ein zusätzliches Sicherheitsrisiko darstellte.

Die Entscheidung verdeutlicht die Eigenverantwortung der Fahrgäste für ihre Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln.Besonders schwerwiegend wertete das Gericht die Tatsache, dass zum Unfallzeitpunkt freie Sitzplätze verfügbar waren – der Kläger also die (Eigen-) Sicherung im Linienbus nicht ernst nahm. Ein Sitzplatz direkt hinter der Position des Fahrgasts hätte nicht nur eine sichere Sitzgelegenheit, sondern auch eine zusätzliche Haltestange geboten. Im Stadtverkehr muss grundsätzlich mit plötzlichen Bremsmanövern gerechnet werden. Eine vorausgehende leichte Bremsung des Busses etwa 50 Meter vor dem eigentlichen Vorfall hätte dem Fahrgast bereits signalisieren können, dass seine Position keinen ausreichenden Halt bot.

Die Entscheidung verdeutlicht die Eigenverantwortung der Fahrgäste für ihre Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln. Insbesondere ältere Menschen oder Personen mit Gepäck sollten verfügbare Sitzplätze nutzen und sich ausreichend absichern. Die Tatsache, dass keine weiteren Fahrgäste während der Vollbremsung zu Fall kamen, untermauerte die gerichtliche Einschätzung zur unzureichenden Eigensicherung des Klägers.

Urteil des Amtsgericht München vom 18.10.2024; AZ – 338 C 15281/24 –

Gleichlautende Urteile: Landgericht Bonn; Urteile vom 19.9.2012

Foto: Alessandro Biascioli

Schmerzensgeld nach ärztlichen Behandlungsfehlern – BGH-Urteil zur Bemessung

Die Bemessung von Schmerzensgeld nach ärztlichen Behandlungsfehlern erfährt durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Februar 2002 eine neue Ausrichtung. Ein Fall aus Nordrhein-Westfalen verdeutlicht die rechtliche Entwicklung: Nach dem Tod eines 72-jährigen Patienten infolge eines Herzinfarkts im November 2008 führte die Klage der Ehefrau auf Schmerzensgeld durch mehrere Instanzen.

Während das Landgericht Duisburg die Schmerzensgeldforderung zunächst ablehnte, erkannte das Oberlandesgericht Düsseldorf in der unterlassenen Herzkatheter-Untersuchung einen Behandlungsfehler. Das daraufhin gewährte Schmerzensgeld von 2.000 Euro berücksichtigte jedoch nicht den Aspekt der Genugtuung – ein Punkt, den der Bundesgerichtshof nun korrigierte.

Bei der Schmerzensgeldbemessung in Arzthaftungsfällen spielt die Genugtuungsfunktion eine maßgebliche Rolle.Die höchstrichterliche Entscheidung stellt klar: Bei der Schmerzensgeldbemessung in Arzthaftungsfällen spielt die Genugtuungsfunktion eine maßgebliche Rolle. Die Richter betonten die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung zwischen der grundsätzlich heilenden Absicht ärztlichen Handelns und der Schwere des Verschuldens. Ein durch grobe Fahrlässigkeit verursachter Schaden führt demnach zu einer anderen Schmerzensgeldbemessung als ein geringfügiger Fehler.

Von besonderer Bedeutung ist die vom Bundesgerichtshof getroffene Unterscheidung zwischen grober Fahrlässigkeit und einem groben Behandlungsfehler bei der Schmerzensgeldfestsetzung. Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn aus objektiver Sicht ein Fehler geschieht, der einem Arzt nicht unterlaufen darf. Die grobe Fahrlässigkeit hingegen setzt neben einem schweren objektiven Verstoß auch dessen subjektive Unentschuldbarkeit voraus.

Diese rechtliche Differenzierung ermöglicht nun eine präzisere Bemessung des Schmerzensgeldes. Die Entscheidung macht deutlich, dass nicht jeder grobe Behandlungsfehler automatisch eine grobe Fahrlässigkeit darstellt. Für die Höhe des Schmerzensgeldes sind beide Aspekte – die objektive Schwere des Fehlers und die subjektive Vorwerfbarkeit – getrennt zu prüfen und in der Gesamtschau zu bewerten.

Der Bundes­ge­richtshof verwies den Fall zur Neuentscheidung an das zuständige Oberlan­des­gericht zurück. Das abschließende Urteil im konkreten Fall steht noch aus.

Urteil des Bundesgerichtshof vom 8.2.2022; AZ – VI ZR 409/19 –

Foto: Marco