Die Frage nach der Vorfahrt auf einem Kundenparkplatz beschäftigt immer wieder Gerichte in Deutschland. Das Landgericht Lübeck hat im August 2021 in einem Fall aus dem Jahr 2018 eine wichtige Entscheidung getroffen, die zeigt, dass die üblichen Verkehrsregeln auf privaten Parkplätzen nicht ohne weiteres gelten.
Der Sachverhalt beginnt im Sommer 2018 auf dem Parkplatz eines Baumarktes in Lübeck. Zwei Fahrzeuge stießen an einer kreuzungsähnlichen Stelle zusammen. Besondere Verkehrsschilder zur Regelung der Vorfahrt existierten dort nicht. Der von rechts kommende Fahrer forderte daraufhin Schadenersatz in Höhe von knapp 6.500 Euro von der Versicherung des anderen Beteiligten. Seine Begründung: Der andere Fahrer habe gegen die Regel „rechts vor links“ verstoßen. Die Versicherung erstattete jedoch lediglich die Hälfte des Schadens.
Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Straßenverkehrsordnung grundsätzlich auch auf privaten Parkplätzen Anwendung findet, sofern diese für die Allgemeinheit zugänglich sind. Allerdings bedeutet dies nicht automatisch, dass der Grundsatz „rechts vor links“ auf den Fahrspuren eines Parkplatzes gilt. Die Richter betonten, dass die Fahrspuren auf einem Parkplatz nicht ohne weiteres als „Straßen“ im verkehrsrechtlichen Sinne anzusehen sind, da sie nicht dem fließenden Verkehr dienen. 
Entscheidend sind vielmehr die baulichen Gegebenheiten des jeweiligen Parkplatzes. Markierungen, Bordsteine oder angrenzende Parkbuchten spielen dabei eine zentrale Rolle. Im konkreten Fall stellte das Gericht fest, dass die Fahrspuren mit angrenzenden Parkbuchten ausschließlich der Parkplatzsuche und dem Rangieren dienen. Treffen solche Fahrspuren aufeinander, liegt keine Straßenkreuzung im verkehrsrechtlichen Sinne vor.
Statt der Regel „rechts vor links“ greift in solchen unklaren Verkehrssituationen das allgemeine Rücksichtnahmegebot. Autofahrer müssen auf Kundenparkplätzen besonders vorsichtig und langsam fahren und sich ständig bremsbereit halten. Bei Bedarf müssen sich die Verkehrsteilnehmer untereinander verständigen.
Im vorliegenden Fall hatten beide Fahrer gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen. Das Landgericht gewährte dem Kläger dennoch 70 Prozent seines Schadens. Die Begründung: Der von links kommende Fahrer fuhr mit mindestens 25 Stundenkilometern deutlich schneller als der Kläger, der nur mit 10 bis 15 Stundenkilometern unterwegs war.
Das Gericht ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu, da die Rechtsprechung zur Vorfahrtsfrage auf privaten Kundenparkplätzen bundesweit nicht einheitlich ist. Die Revision wurde auch tatsächlich eingelegt.
Urteil des Landgericht Lübeck vom 12.8.2021; AZ – 14 S 136/20 –
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Bemerkenswert ist die deutliche Formulierung des Gerichts zur behaupteten Verwirrung: Wenn ein Verkehrsteilnehmer eine einfache und klar verständliche Verkehrsanordnung nicht versteht, begründet dies keinen Verbotsirrtum, der entlasten könnte. Vielmehr stelle sich dann die Frage, ob die betreffende Person kognitiv überhaupt in der Lage sei, am Straßenverkehr teilzunehmen.
Besonders schwerwiegend wertete das Gericht die Tatsache, dass zum Unfallzeitpunkt freie Sitzplätze verfügbar waren – der Kläger also die (Eigen-) Sicherung im Linienbus nicht ernst nahm. Ein Sitzplatz direkt hinter der Position des Fahrgasts hätte nicht nur eine sichere Sitzgelegenheit, sondern auch eine zusätzliche Haltestange geboten. Im Stadtverkehr muss grundsätzlich mit plötzlichen Bremsmanövern gerechnet werden. Eine vorausgehende leichte Bremsung des Busses etwa 50 Meter vor dem eigentlichen Vorfall hätte dem Fahrgast bereits signalisieren können, dass seine Position keinen ausreichenden Halt bot.
Die Ellwanger Richter stellten zudem klar, dass der Fahrer des Opels keinen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot begangen habe. Aufgrund der Straßenverhältnisse sei es legitim, nicht direkt am äußersten rechten Fahrbahnrand zu fahren, um einen sicheren Abstand zur Straße und möglichen Hindernissen zu halten. Die Fahrbahn selbst war an der Unfallstelle nur fünf Meter breit, und es war keine Verpflichtung gegeben, dem Teslafahrer ein riskantes Überholmanöver zu ermöglichen.
Das Landgericht Saarbrücken wies die Schadensersatzforderung des Linksabbiegers ab, eine Entscheidung, die durch die Berufung beim Oberlandesgericht Saarbrücken bestätigt wurde. Die Richter stellten klar, dass der Linksabbieger eine bestehende Wartepflicht verletzt hatte. Die entscheidende Erkenntnis aus dem Urteil ist, dass beim Abbiegen in Straßen mit mehreren Fahrspuren kein Verlass darauf besteht, dass ein entgegenkommender Abbieger die für ihn vermeintlich „richtige“ Spur wählt. Tatsächlich umfasse der Vorrang des Rechtsabbiegers auch die Freiheit, zwischen mehreren Fahrspuren zu wählen, ohne dass dies als Fahrstreifenwechsel im Sinne eines Verstoßes gegen die StVO angesehen wird, so das Saarbrücker Gericht.
Die Entscheidung des Amtsgerichts, von einer Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen, wurde vom Oberlandesgericht nicht geteilt. Vielmehr betonte das Gericht, dass die Fahrt mit einem E-Scooter im betrunkenen Zustand grundsätzlich als Indiz für die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen wird. Diese Sichtweise berücksichtigt das Gefährdungspotential, das von E-Scootern ausgeht, und stellt sie Fahrrädern gleich. Dabei wurde auch auf die bestehende Rechtsprechung verwiesen, die für Fahrradfahrer einen Grenzwert von 1,6 Promille ansetzt, während die Frage, ob der Grenzwert für Kraftfahrzeugführer von 1,1 Promille auch für E-Scooter gilt, offenblieb. Ein Fahrerlaubnisentzug wegen Trunkenheit ist daher nicht ungewöhnlich.
Ein Urteil aus Niedersachsen vom August 2023 illustriert die Ernsthaftigkeit solcher Bestimmungen. Ein Radfahrer wurde mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,95 Promille aufgegriffen. Ein daraufhin erstelltes medizinisch-psychologisches Gutachten bestätigte eine hohe Wahrscheinlichkeit der Wiederholung ähnlicher Vorfälle. Daraufhin verhängten die Behörden ein sofortiges Fahrverbot. Die rechtliche Grundlage für dieses Verbot findet sich in § 3 FeV (Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr).
Die juristische Auseinandersetzung konzentrierte sich denn auch darauf, ob und in welchem Umfang der Fahrzeughalter für die Verwahrkosten aufkommen muss. Das Landgericht entschied zunächst zu Gunsten des Abschleppunternehmens, während das Oberlandesgericht die Erstattungspflicht auf die Kosten der ersten fünf Tage der Verwahrung beschränkte.