Schnelleres Fahren als Verkehr auf Ausfahrtstreifen begründet Mithaftung der Verkehrsteilnehmer

Die Situation ist fast alltägliche Realität: Fahren Verkehrsteilnehmer auf dem Ausfädelungstreifen einer Autobahn schneller als der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn, so verstoßen sie gegen die StVO. Das kann dann im Fall eines Unfalls eine Mithaftung begründen. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken vom Januar 2021 hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall kam es auf einer Autobahn zwischen einem Lkw und einem Kleinlaster zu einem Verkehrsunfall. Der Fahrer des Lkw gab an, er sei infolge einer Baustelle auf die rechte Fahrspur verengten Fahrbahn gefahren, als ihn der Kleinlaster auf dem Ausfädelungsstreifen überholt und gestreift habe. Der Fahrer des Kleinlasters behauptete wiederum, er habe den Ausfädelungsstreifen befahren, um an der Ausfahrt abzubiegen. Dabei sei der Lkw auf den Ausfädelungsstreifen gewechselt und gegen sein Fahrzeug gestoßen. Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger hatte festgestellt, dass der Kleinlaster im Kollisionszeitpunkt schneller als der Lkw gefahren sein muss.

Verkehrsteilnehmer dürfen auf Auffahrten nicht schneller als der normale Verkehr fahrenDas zunächst angerufene Amtsgericht St. Wendel nahm eine hälftige Haftungsverteilung vor, weil seiner Auffassung nach keiner Partei ein unfallursächliches Verschulden nachzuweisen sei. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung beim Landgericht in Saarbrücken. Das bejahte ganz klar den Verkehrsverstoß des Kleinlasterfahrers. Denn ohne eine höhere Geschwindigkeit auf der Standspur oder dem Einfädelungsstreifen wäre der Kleintransporter hinter dem Lkw gefahren. Ein Ausweichen des Lkw nach rechts, sei es innerhalb der eigenen Fahrspur oder durch ein Hinüberfahren auf die danebenliegende Spur, hätte dann zu keiner Kollision führen können.

Das Landgericht Saarbrücken hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf. Es sei unzutreffend, dass keiner Partei ein Verkehrsverstoß anzulasten sei. Aufgrund des vorliegenden Verkehrsverstoßes haftet der Beklagte zu 75% für die Unfallfolgen, so das Landgericht. Die 25% Mithaftung des Klägers ergebe sich aus der Betriebsgefahr der Klägerfahrzeugs. Angepasste Geschwindigkeit auf Ausfädelungsspuren ist damit erkennbar unabdingbar – die Verkehrsteilnehmer haben eben die Autobahn o.ä. faktisch noch nicht verlassen. Auf der Autobahn darf ja zum Beispiel auch nur von rechts überholt werden, wenn auf der linken Spur eine Fahrzeugschlange im Stau steht oder besonders langsam fährt.

Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 22.1.2021; AZ – 13 S 110/20 –

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Muss in der Winterzeit ausgebrachtes Streugut umgehend wieder entfernt werden?

In der kalten Jahreszeit gilt es für Grundstückseigentümer wie für die Kommunen zu überprüfen, ob der Reinigungs-, Streu- und Räumdienst auf Grundstücken sowie den öffentlichen Verkehrswegen ausreichend organisiert ist. Ist eine Streupflicht gegeben, so richten sich Inhalt und Umfang nach den Umständen des Einzelfalls – auch für die Verwendung des Streugut. Dabei sind Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Räum- und Streupflicht besteht jedoch nicht uneingeschränkt. Eine absolute Sicherheit kann und muss nicht erreicht werden.

Es ist so zu räumen, dass für Fußgänger und andere Verkehrsteilnehmer keine Gefahr besteht. Demnach muss je nach Wetterlage auch mehrmals am Tag geräumt oder gestreut werden. Maßgeblich ist, wann damit zu rechnen ist, dass die Wirkung des Streugutes nachlässt. Natürlich ist nur zu räumen, wenn dies auch sinnvoll ist. Es ist erst dann zu streuen, wenn von einer allgemeinen Glättebildung auszugehen ist und nicht nur von vereinzelten Glättestellen.

Streupflichtige müssen nicht nach jeder Verwendung des Streugut dieses gleich beseitigen.Doch was ist, wenn die akute Glättebildung vorüber ist, wie schnell muss das Streugut wieder beseitigt werden? Besonders Kommunen haben ja mitunter viele Kilometer Fuß- und Radwege zu betreuen und lassen daher das Streugut längere Zeit vor Ort liegen. Im verhandelten Fall ging es genau darum: Eine Radfahrerin im Norden von Schleswig-Holstein stürzte bei einem Abbiegevorgang und verletzte sich dabei. Sie gab an, auf einen für Fahrräder zugelassenen Gehweg gefahren und dort aufgrund des ausgebrachten Streuguts weggerutscht zu sein. Zur Unfallzeit herrschte aber kein Frost und die Fahrbahnbedingungen waren einwandfrei. Sie klagte gegen die Gemeinde, das Streugut nicht beseitigt zu haben. Zudem sei das verwendete Splitt-Salz-Gemisch ungeeignet als Streugut. Sie klagte daher auf Zahlung von Schadensersatz.

Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein urteilte im September 2020, dass Streupflichtige nicht nach jeder Verwendung des Streuguts dieses gleich wieder beseitigen müssen. Gerade ein Splitt-Salz-Gemisch solle präventiv gegen die von künftigen Schneefällen und Eisbildungen ausgehenden Gefahren schützen. Ein Splitt-Salz-Gemisch stelle zudem ein geeignetes Streumittel dar.

Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Schadensersatz zu. Denn der beklagten Gemeinde sei keine Verkehrssicherungspflichtverletzung anzulasten. Dies gelte vor allem deshalb, weil das verwendete Splitt-Salz-Gemisch dazu diene, die von künftigen Schneefällen und Eisbildungen ausgehenden Gefahren zu mindern. Zudem stehe die Auswahl des Streumittels grundsätzlich im Ermessen des Streupflichtigen.

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10.9.2020; AZ – 7 U 25/19 –

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