Ein Wohnungsmieter hat sozialadäquaten Lärm, wie etwa Staubsaugen eines Nachbarn zur Mittagszeit hinzunehmen. Es besteht keine Pflicht zur Vermeidung jedes störenden Geräusches. Dies hat das Amtsgericht Singen im April 2022 entschieden.
Die Mieterin einer Erdgeschosswohnung klagte im Jahr 2021 gegen die über ihr wohnende Nachbarin auf Unterlassung von Lärmstörungen. Sie beschwerte sich darüber, dass kurz nach 7 Uhr mit Fenstern und Türen geknallt und hin und her getrampelt werde. Auch staubsauge die Nachbarin jeden Tag gegen 12 Uhr. Die Wohnung befand sich in einem sehr hellhörigen Mehrfamilienhaus, ohne Trittschalldämmung.
Von der Beklagten könne nicht erwartet werden, so das Amtsgericht, dass sie nach Ende der Nachtruhe sich ganz zaghaft und behutsam schleichend zu verhalten sowie zaghaft darauf zu achten, keinen Laut von sich zu geben und mucksmäuschenstill zu sein. Auch eine Hausordnung könne nicht vorgeben, dass „jedes störende Geräusch“ zu vermeiden sei. Es gebe nun mal Alltagstätigkeiten, die naturgesetzlich mit Geräuschentwicklungen verbunden seien.
Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Unterlassung jeglicher Ruhestörung zu, so das Singener Amtsgericht. Die von ihr genannten Belästigungen seien als Bagatelle zu werten. Der Beklagten sei es erlaubt, im Rahmen eines sozialadäquaten Verhaltens in der von ihr bewohnten Wohnung Geräusche zu verursachen – auch wenn diese von anderen Hausbewohnern als ruhestörend empfunden werden. Ein Wohnungsmieter dürfe selbstverständlich mittags staubsaugen. Zwar komme es beim Schließen von Fenstern und Türen zu punktuellen Geräuschentwicklungen. Diese gehören aber ebenso zum Alltagsleben und seien hinzunehmen.
Grundsätzlich steht bei diesem Urteil – wie auch immer wieder im Mietrecht – die Frage im Raum „Was ist noch sozialadäquat (und damit zu dulden) und ab wann überschreitet die Geräuschkulisse das sozialadäquate Maß (und ist damit nicht mehr zu dulden)?“ Mittägliche Ruhezeiten, wie sie von Mietern immer noch wieder gerne diskutiert und beansprucht werden, sind aber in den meisten Bundesländern bereits seit vielen Jahren, bzw. Jahrzehnten abgeschafft. Und damit für diese Entscheidung im Grunde nicht relevant.
Die Kategorie des sozialadäquaten Lärms ist tatsächlich rechtlich schwierig einzuordnen. Es gibt keine direkt anwendbaren technischen Grenzwerte und in rechtlicher Hinsicht ist ein erheblicher Bewertungsspielraum vorhanden. Viele Streitigkeiten vor Gericht drehen sich deshalb immer mal wieder um diese Frage. Das Urteil der Richter aus Singen ist dazu aber in jeder Hinsicht sehr eindeutig.
Amtsgericht Singen, Urteil vom 29.4.2022; AZ – 1 C 235/21 –
Foto: Halfpoint