Zu spät zur Arbeit zu kommen, das passiert wohl jedem Arbeitnehmer einmal – die Umstände sind so unterschiedlich wie die betroffenen Personen. Und viele Arbeitgeber sehen das – besonders wegen vereinbarten Gleitzeit-Regelung – nicht als allzu problematisch an. Kommt eine Arbeitnehmerin an vier aufeinander folgenden Arbeitstagen teilweise erheblich zur spät zur Arbeit, so geht das sicher zu weit – und rechtfertigt tatsächlich die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Fehlt (wie im vorliegend Fall) der Arbeitnehmerin zudem ein wirkliches Unrechtsbewusstsein, so bedarf es auch keiner vorherigen Abmahnung. Dies hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Ende August 2021 entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ende 2019 wurde eine bei einem Sozialgericht in Schleswig-Holstein beschäftigte Angestellte ordentlich gekündigt, weil sie an vier aufeinanderfolgenden Arbeitstagen teilweise erheblich zu spät zur Arbeit kam.
Die Angestellte war in der Poststelle eingesetzt und an ihren Arbeitstagen dort die einzige Mitarbeiterin. Sie begründete die Verspätungen unter anderem mit Schlafmangel. Sie empfand dies als hinreichenden Grund für ihre Verspätungen und erhob Klage gegen die Kündigung. Das Arbeitsgericht Flensburg wies die Klage ab. Das wollte sie nicht hinnehmen und ging in die Berufung.
Das zuständige Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein bestätigte jedoch die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die wiederholten Verspätungen der Klägerin bei der Arbeitsaufnahme rechtfertige in jedem Fall eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Sie habe klar ihre Verpflichtung zum pünktlichen Arbeitsantritt verletzt. Soweit die Klägerin einen Schlafmangel anführte, sei dies ihren privaten Lebensumständen zuzurechnen und könne die Pflichtverletzung nicht beseitigen.
Auch eine ins Spiel gebrachte Abmahnung habe es nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht bedurft. Denn die Klägerin sei ersichtlich nicht ernsthaft gewillt gewesen, sich ihrem Arbeitsvertrag gemäß zu verhalten. Dafür sprächen die massiven Verspätungen der Klägerin an vier aufeinanderfolgenden Arbeitstagen. Denn obwohl sie bereits nach der ersten Verspätung in einem Gespräch auf die Pflichtverletzung hingewiesen wurde, habe sie keine Maßnahmen ergriffen, um ein erneutes Verschlafen zu verhindern. Zudem habe sie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, es sei nicht so schlimm und führe nicht zu betrieblichen Störungen, wenn die Post einmal liegen bleibe. Dies zeige erkennbar fehlendes Unrechtsbewusstsein.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 31.8.2021; AZ – 1 Sa 70 öD/21 –
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