Grobe Fahrlässigkeit: Versehentliches Anschalten einer Herdplatte statt Ausschalten

Welche Pflichten haben Mieter vor dem Verlassen ihrer Wohnung zu beachten? Wann liegt eine grobe Fahrlässigkeit vor und in welchen Fällen muss der Gebäudeversicherer komplett haften? Kommt es zu einem Brandschaden in einem Wohnhaus, weil vor dem Verlassen des Hauses eine Herdplatte versehentlich eingeschaltet wurde anstatt eine andere Platte auszuschalten, kann die Versicherung ihre Leistung um 25 Prozent kürzen. Denn dem Versicherungsnehmer ist in einem solchen Fall grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Dies hat das Oberlandesgericht Bremen im Mai 2022 entschieden.

Vor Verlassen ihrer Wohnung hatte eine Frau versehentlich den falschen Drehknopf an ihrem Elektroherd betätigt – statt die Herdplatte auszuschalten, stellte sie diese auf die höchste Stufe. Den entstandenen Brandschaden regulierte der Wohngebäudeversicherer der Frau allerdings nur zu 75 Prozent. Eine Zahlung der restlichen rund 9.000 Euro lehnte er mit der Begründung ab, dass die Frau grob fahrlässig gehandelt habe.Grobe Fahrlässigkeit entsteht auch bei versehentlichem Anschalten einer Herdplatte

Die Versicherungsnehmerin bekam zunächst vor dem Landgericht Bremen Recht. Das Verhalten der Klägerin sei fahrlässig, aber nicht grob fahrlässig gewesen, urteilten die Richter. Es habe kein typischer sogenannter Herdplattenfall vorgelegen, in dem jemand „bewusst oder unbewusst“ zubereitetes Essen auf dem eingeschalteten Herd zurückgelassen habe. Tatsächlich sei im konkreten Fall der „Kochvorgang“ mit dem vermeintlichen Ausschalten der vorderen Herdplatte abgeschlossen gewesen. Die Klägerin habe mit ihrem Verhalten die gebotene Sorgfaltspflicht nicht in einem „ungewöhnlich hohen Maße“ verletzt.

Angesichts der besonderen Gefährlichkeit eines in Betrieb befindlichen Elektroherds habe sich die Klägerin durch einen Blickkontakt vergewissern müssen, dass der Herd auch tatsächlich ausgeschaltet war, argumentierte hingegen das Oberlandesgericht. Dies gelte insbesondere deshalb, weil sie das Haus verlassen wollte. Man könne auch nicht von einem Augenblicksversagen sprechen, so die Richter. Es seien keine Umstände erkennbar, die das momentane Versagen der Klägerin in einem anderen Licht erscheinen lasse. Eine besondere Eile oder eine Ablenkung durch eine außergewöhnliche (Not-)Situation sei nicht ersichtlich.

Auch die Grundsätze der sogenannten Routinehandlungen, die typischerweise unbewusst ausgeübt werden, seien nach Ansicht des Oberlandesgericht nicht anwendbar. Denn weder handele es ich bei der Bedienung eines Herdes um eine routinemäßige Dauertätigkeit, die ständige Konzentration erfordert, noch sei erkennbar, dass die Klägerin durch äußere Umstände abgelenkt war.

Oberlandesgericht Bremen, Urteil vom 12.05.2022; AZ – 3 U 37/21 –

Foto: Africa Studio

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