Eine weitreichende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom Dezember 2024 sorgt für mehr Rechtssicherheit im Bereich der Mobilität nach einer Alkoholfahrt. Das Gericht stellte fest, dass die Fahrerlaubnis-Verordnung keine rechtliche Grundlage für eine behördliche Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen bietet. Zu diesen Fahrzeugen zählen unter anderem Fahrräder, Mofas und E-Scooter.
Der Sachverhalt betraf zwei Fälle aus Duisburg und Schwerte. In einem Fall fuhr eine Person unter dem Einfluss von Amphetamin einen E-Scooter, im anderen Fall ging es um eine klassische Alkoholfahrt mit dem Fahrrad, bei der eine Blutalkoholkonzentration von über zwei Promille festgestellt wurde. Beide Personen besaßen keine Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge wie PKW. Die zuständigen Fahrerlaubnisbehörden untersagten ihnen daraufhin das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Nach Ablehnung ihrer Eilanträge durch die Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Gelsenkirchen legten die Betroffenen erfolgreich Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht ein.
Der Senat des Oberverwaltungsgerichts begründete seine Entscheidung damit, dass die entsprechende Vorschrift der Fahrerlaubnisverordnung nicht hinreichend bestimmt und verhältnismäßig sei. Die Richter betonten, dass ein solches Verbot nach einer Alkoholfahrt die grundrechtlich geschützte Fortbewegungsmöglichkeit der Betroffenen erheblich einschränke. Außerdem wurde berücksichtigt, dass fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Vergleich zu Kraftfahrzeugen in der Regel weniger gefährlich sind.
Das Gericht kritisierte besonders, dass die bisherige Vorschrift nicht hinreichend klar regelt, in welchen Fällen jemand als ungeeignet oder bedingt geeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge einzustufen ist und wann Eignungszweifel bestehen. Diese Unbestimmtheit der Norm führte letztlich dazu, dass die behördlichen Untersagungen nach einer Alkoholfahrt für rechtswidrig erklärt wurden.
Mit dieser Rechtsprechung folgt das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen einer Linie, die bereits vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im April 2023 und vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im März 2024 etabliert wurde. Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar, was bedeutet, dass die betroffenen Personen aus Duisburg und Schwerte nun vorläufig wieder berechtigt sind, mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen am Straßenverkehr teilzunehmen, obwohl sie zuvor eine Alkoholfahrt begangen hatten.
Diese Entscheidung verdeutlicht eine wichtige rechtliche Differenzierung zwischen dem Führen von fahrerlaubnispflichtigen und fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen. Während bei ersteren ein umfassendes Regelwerk zur Eignungsfeststellung existiert, fehlt es bei letzteren an einer entsprechend klaren gesetzlichen Grundlage. Der Gesetzgeber müsste nun tätig werden, wenn er die Möglichkeit einer behördlichen Untersagung auch für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge nach einer Alkoholfahrt schaffen möchte.
Für Personen, denen das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nach einer Alkoholfahrt untersagt wurde, eröffnet diese Rechtsprechung die Möglichkeit, gegen solche Verwaltungsakte vorzugehen. Gleichzeitig bleibt zu beachten, dass Alkohol- und Drogenkonsum beim Führen jeglicher Fahrzeuge weiterhin strafbar sein kann und erhebliche Gefahren für alle Verkehrsteilnehmer mit sich bringt. Eine Alkoholfahrt mit dem Fahrrad oder E-Scooter ist also keineswegs straffrei, lediglich die behördliche Untersagung des Führens dieser Fahrzeuge ist nach aktueller Rechtsprechung nicht zulässig.
Urteil des Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen vom 5.12.2024; AZ – 16 B 175/23 –
Foto: LIGHTFIELD STUDIOS