Kein Widerspruchsrecht von Lebensversicherungen bei geringfügigen Belehrungsfehlern

Werden Versicherungsnehmer unrichtig über die Form ihrer Widerspruchserklärung belehrt, so ist ein entsprechender Vertrag nicht automatisch oder notwendigerweise ungültig noch muss es zwangsläufig zu einer Rückabwicklung kommen. Den Versicherungsnehmern ist nämlich durch den im Streitfall möglicherweise nur geringfügigen Belehrungsfehler nicht die Möglichkeit genommen worden, ihr Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei voll zutreffender Belehrung auszuüben. Das entschied der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom Februar 2023.

Die Klägerin machte im vorliegenden Fall Ansprüche auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungsverträge geltend. Diese Verträge dazu wurden im November und Dezember 2002 nach dem sogenannten Policen-Modell  abgeschlossen. Die Versicherungsnehmer kündigten die Verträge 2016 und 2017 und erklärten jeweils 2018 den Widerspruch.

In den Vorinstanzen war die Klage erfolglos, wobei das Berufungsgericht besonders darauf abhob, dass der Geltendmachung des Rückabwicklungsanspruchs der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen stehe. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers in den Fortbestand des Vertrags komme in Betracht, wenn Umstände vorlägen, die den Schluss zuließen, dass der Versicherungsnehmer auch in Kenntnis seines Aufhebungsrechts an diesem festgehalten hätte. Der Fehler der Belehrung über die einzuhaltende Schriftform – anstelle der eigentlich ausreichenden Textform – für die Widerspruchserklärung, könne die Versicherungsnehmer nicht ernsthaft von der Ausübung des Widerspruchsrechts abgehalten haben. Hiergegen richtete sich die Revision der Klägerin.Geringfüge Beleherungsfehler: Kein Widerspruchsrecht per se

Der Bundesgerichtshof bejahte den Verstoß gegen Treu und Glauben und entschied, dass wenn nur ein geringfügiger Belehrungsfehler vorliegt, damit dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben. Denn dies stelle, so die Richter,  im Ergebnis eine folgenlose Verletzung der Pflicht des Versicherers zur ordnungsgemäßen Belehrung dar.

Die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerspruchsrechts stehe auch in Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), so dass eine Vorlage an diesen nicht in Frage kommt. Ob das Policen-Modell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union eventuell unvereinbar sei, sei zudem nicht erheblich für diese Entscheidung. Auch im Fall einer unterstellten Unions-Widrigkeit (also gegen EU-Recht) sei es den Versicherungsnehmern nach Treu und Glauben eindeutig verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages dann plötzlich auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen – und daraus gar Bereicherungsansprüche herzuleiten.

Im Übrigen komme es auf den allgemeinen Grundsatz des Unions-Rechts zum Rechtsmissbrauch und dessen Voraussetzungen hier nicht an. Im Bereich der Lebensversicherungsrichtlinien sei ein Rückgriff auf den nationalen Grundsatz von Treu und Glauben durchaus zulässig, soweit die praktische Wirksamkeit der Richtlinien – wie im vorliegenden Fall – nicht beeinträchtigt wird.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.2.2023; AZ – IV ZR 353/21 –

Foto: nmann77

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