Anspruch auf vollständige Privatsphäre bei Trennung in einer Wohnung?

Auch wenn viele Bedingungen bei Scheidungen heutzutage deutlich besser sind als noch vor Jahren, so entstehen doch bei aller Liberalisierung leider immer noch sehr grundsätzliche Streitpunkte. Aus Kostengründen bleiben getrennte Ehegatten oft in der gleichen Wohnung. Doch wie sieht es mit der Privatsphäre aus? Müssen sie sich gegenseitig berichten, wer wann was vorhat? Nein, das sei eine unzumutbare Einschränkung des Nutzungsrechts des anderen Ehegatten, so das Bamberger Oberlandesgericht in einer Entscheidung vom April 2022.

Leben die Eheleute in der Ehewohnung getrennt, so besteht kein Anspruch auf vollständige Privatsphäre und Auskunft über die Anwesenheitszeiten des anderen Ehegatten, wie der konkrete Fall deutlich macht: Seit Ende September 2021 lebte ein Ehepaar der in Bayern liegenden Ehewohnung getrennt. Bei dieser Wohnung handelte es sich um eine Immobilie mit 1.800 qm Grundstück – bei einer Wohnfläche von ca. 200 qm. Da die Ehefrau das Zusammenleben mit ihrem Ehemann innerhalb eines Haues für unzumutbar hielt, beantragte sie im Dezember 2021 die Zuweisung der Wohnung zur alleinigen Nutzung. Sie beanspruchte eine umfassende Privatsphäre und wollte wissen, wann sich der Ehemann im gemeinsamen Haus aufhalten wird. Das Amtsgericht gab dem Antrag statt. Dagegen richtete sich denn auch die Beschwerde des Ehemanns.Anspruch auf vollständige Privatsphäre bei Trennung in einer Wohnung?

Das anschließend angerufene Oberlandesgericht Bamberg entschied jedoch zu Gunsten des Ehemanns. Die Ehefrau könne keine Wohnungszuweisung verlangen. Diese setze nämlich besondere Umstände voraus, die über bloße Unannehmlichkeiten oder Belästigungen, wie sie oft in der Auflösungsphase einer Ehe auftreten, hinausgehen. Nur unter Berücksichtigung der Interessen des anderen Ehegatten muss in solchen Fällen das Verbleiben in der Wohnung – trotzdem – zu einer klaren, unerträglichen Belastung werden. Solche Umstände habe die Ehefrau aber nicht darlegen können.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts bestehe während der Trennungszeit auch grundlegend kein Anspruch auf umfassende Privatsphäre in der gesamten Wohnung und Kenntnis der Anwesenheitszeiten des Ex-Ehepartner während des Zusammenlebens. Dies würde dem Charakter als gemeinsam genutzten, „ehemaligen“ Ehewohnung widersprechen. Die fehlende vollständige Privatsphäre sei der gemeinsamen Nutzung innewohnend. Zudem würde es den Ehemann unzumutbar in seinem freien Nutzungsrecht einschränken, wenn er der Ehefrau seine exakten Ankunfts-, Abfahrts- und Anwesenheitszeiten mitteilen müsste.

Beschluss des Oberlandesgericht Bamberg vom 1.4.2022; AZ – 2 UF 11/22 –

Foto:  vchalup

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