Kann Urlaub einfach automatisch verfallen oder muss der Arbeitgeber aktiv werden?

Urlaub verfällt nicht mehr automatisch. Urlaub verfällt tatsächlich nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor auf drohenden Urlaubsverfall hingewiesen hat. Die Hinweispflicht des Arbeitgebers umfasst dabei auch Urlaub aus vergangenen Jahren. Hintergrund ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom November 2018 nachdem ein Urlaubsverfall in der Regel nur noch dann eintreten kann, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter zuvor konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub zu nehmen und daraufhin gewiesen hat, das dieser anderenfalls oder mit Ablauf eines Übertragungszeitraums erlischt.

Wie ist er aber, wenn der Arbeitnehmer über eine lange Zeit ohne Unterbrechung arbeitsunfähig erkrankt ist und auch gar keinen Ur­laub nehmen kann? Dann besteht eine solche Hinweispflicht nicht, so das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm in einem Urteil vom Juli 2019.

Urlaubansprüche müssen vom Arbeitgeber nur benannt werden, wenn Arbeitnehmer nicht langfristig erkrankt sind.Im vorliegenden Fall war eine Arbeitnehmerin gut 18 Monate durchgehend erkrankt und verlangte nach ihrer Genesung 14 Urlaubstage für dass erste Jahr ihrer Krankheit. Nun wären diese nach der Rechtsprechung 15 Monate nach Ablauf des betreffenden Urlaubsjahres verfallen, daher berief sie sich darauf, dass der Arbeitgeber sie (was grundsätzlich unstreitig war) nach dem ersten Krankheitsjahr nicht auf den bevorstehenden Verfall des Urlaubsanspruchs hingewiesen hatte.

Das LAG wies die Klage jedoch ab, wie auch schon das Arbeitsgericht Paderborn zuvor und entschied, dass in einer solchen Situation eine Belehrungspflicht des Arbeitgebers über Urlaubsansprüche bei Nichtinanspruchnahme bis zum 31. Dezember des Kalenderjahres oder bis zum 31. März des Folgejahres erlöscht. Eine solche Pflicht bestehe bei langfristig erkrankten Arbeitnehmern nicht – erst nach der Wiedergenesung setze die Verpflichtung erneut ein.

Selbst wenn der Arbeitgeber gegen Ende des Jahres der Erkrankung noch nicht wusste, wie lange die Arbeitsunfähigkeit andauern würde, bestehe trotzdem solange keine Belehrungspflicht – mit einer sehr nachvollziehbaren Begründung: Eine Beantragung oder Erteilung von Urlaubes war objektiv gar nicht möglich.

Mittlerweile hat sich auch das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz dieser Meinung angeschlossen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Januar 2020; AZ – 7 Sa 284/19 –). Eine Revision beim Bundesarbeitsgericht steht noch aus, eine Entscheidung ist noch 2020 zu erwarten.

Urteil des Landesarbeitsgericht Hamm vom 24.7.2019; AZ – 5 Sa 676/19 –

Foto: graphixchon

 

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.