Auch nicht im EU-Ausland beantragte Familienleistungen werden auf deutsches Kindergeld angerechnet

Nehmen Bezieher von Kindergeld eine Erwerbstätigkeit im EU-Ausland auf, ohne die Familienkasse darüber zu informieren, so haben sie nur Anspruch auf Familienleistungen nach dem Recht des ausländischen EU-Mitgliedstaats. Aufgrund der Erwerbstätigkeit ist dieser vorrangig zuständig zur Gewährung von Familienleistungen geworden. Dies bedeutet auch, dass solche Leistungen nachträglich auf das nach deutschem Recht gewährte Kindergeld anzurechnen sind, auch wenn der Kindergeldberechtigte die ihm im Auslandsstaat zustehenden Familienleistungen dort nicht beantragt und bezogen hat.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil im Dezember 2020 hat entschieden, dass der Anspruch auf Kindergeld nach deutschem Recht tatsächlich auch dann in Höhe des Anspruchs auf vergleichbare Familienleistungen im EU-Ausland zu mindern sein kann, wenn im Ausland Erwerbstätige die dort vorgesehenen Leistungen nicht beantragen.

Kindergeld muss immer in dem Land beantragt werden, in dem man arbeitet – FamilienrechtIm vorliegenden Fall lebte der Kläger mit seiner Familie in Deutschland. Er bezog für seine beiden Kinder Kindergeld nach deutschem Recht. Die Ehefrau war nicht erwerbstätig. Dann nahm er eine Arbeit in den Niederlanden auf, ohne die ihm dort für seine Kinder zustehenden Familienleistungen zu beantragen. Auch machte er der Familienkasse davon keine Mitteilung, so dass diese das Kindergeld weiterhin ungemindert auszahlte. Erst ganze 16 Jahre später erfuhr die Familienkasse von der Arbeit im EU-Ausland. Sie hob dann die Festsetzung des Kindergeldes für mehrere Jahre in der Höhe auf, in der ein Anspruch auf Familienleistungen in den Niederlanden bestanden hatte.

Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass die Koordinierung der Ansprüche des Klägers auf Familienleistungen nach deutschem und nach niederländischem Recht nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union (EU) vorzunehmen ist. Aus ihnen ergibt sich, dass die Niederlande vorrangig zuständig für die Gewährung von Familienleistungen seien, weil der Kläger dort eine Erwerbstätigkeit ausübte und die Ehefrau des Klägers in Deutschland nicht erwerbstätig war.

Damit sei auch deutlich, dass die deutsche Familienkasse nur die Differenz zwischen dem deutschen Kindergeld und dem Anspruch auf die (niedrigeren) niederländischen Familienleistungen zu zahlen hat. Dies gelte auch, wenn der Kläger in den Niederlanden keinen entsprechenden Antrag gestellt habe. Denn der beim nachrangigen Träger (Deutschland) gestellte Antrag auf deutsches Kindergeld ist unionsrechtlich so zu behandeln, als wäre er beim vorrangig zuständigen Staat (Niederlande) gestellt worden.

Urteil des Bundesfinanzhof vom 9.12.2020; AZ – III R 73/18 –

Foto: Marcus Klepper

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