Auf Antrag des Jugendamtes vom Januar 2008 wurde einer Kindesmutter mit Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom selben Tage per einstweiliger Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide zu der Zeit noch minderjährigen Töchter entzogen und auf das Jugendamt übertragen. Die Kinder fühlten sich bei den Großeltern wohl und wollten ausdrücklich erst in den mütterlichen Haushalt zurückkehren, wenn die Mutter „wieder gesund“ sei. Daher sah das Gericht konkrete Gefahren für das Wohl der Kinder.
Gegen diese Entscheidung hatte die Mutter dann Beschwerde eingelegt. Sie bestritt eine Kindeswohlgefährdung in ihrem Haushalt, insbesondere eine bei ihr seit mehreren Jahren bestehende Alkoholabhängigkeit. Sie nehme über längere Zeiträume überhaupt keinen Alkohol zu sich; lediglich „im üblichen Rahmen komme es vor, dass sie übermäßig Alkohol trinkt.“ Ein länger dauernder Verbleib der Kinder im Haushalt der Großeltern sei ihrer Ansicht nach nicht gerechtfertigt und insbesondere auch deshalb abzulehnen, weil die Großeltern insbesondere die jüngere Tochter unter Druck setzten und die Kinder von der Kindesmutter entfremden wollten. Eine Verfahrenspflegerin hatte basierend auf einem Gespräch mit beiden Töchtern im Haushalt der Großeltern deutlich gemacht, dass die Großeltern der Kindesmutter in der Tat nicht wohlgesonnen seien und dies beiden Kindern auch vermittelten.
Richtig und von der Kindesmutter auch eingeräumt war, dass sie Anfang des Jahres 2008 mit der Versorgung und Betreuung der Kinder physisch und psychisch überfordert war, wobei es in diesen Situationen auch zu Zeiten einen übermäßigen Alkoholgenuss gegeben hat. Nachdem die Kindesmutter aus diesem Grund objektiv nicht in der Lage war, der seinerzeit notwendigen besonderen Unterstützung der Töchter gerecht zu werden, bestand zur Abwendung erheblicher Gefahren für das Kindeswohl dringender Handlungsbedarf. Mit Blick auf die seinerzeit gänzlich fehlende Einsicht der Kindesmutter in die Notwendigkeit externer Hilfe, war der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts mit der Folge einer Unterbringung der Kinder im Haushalt ihrer Großeltern nicht unverhältnismäßig.
Die Kindesmutter hatte später die besonderen seelischen, physischen und finanziellen Belastungen durch die Todesfälle Ende des Jahres 2008 insofern überwunden, als sie sich „gefangen“, ihr Leben neu geordnet, die Schuldensituation überschaubar gestaltet und mit einer neuen Arbeitsstelle insgesamt eine neue Perspektive gewonnen hatte. Persönlich wie auch finanziell entstanden so mehr Sicherheit und Stabilität – dazu beigetragen hatte sicherlich auch die Inanspruchnahme eines Nervenarztes. Eine neue Perspektive für das Thema Aufenthaltsbestimmungsrecht.
Die Kindesmutter, die dann über einen erheblichen Zeitraum von rund einem Jahr abstinent gelebt hatte, konnte dem Brandenburger Oberlandesgericht durchaus überzeugend vermitteln, dass sie auf absehbare Zeit so hinreichend gefestigt ist, dass ein weiterer „Absturz“ zwar vielleicht nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, zumindest aber eher unwahrscheinlich ist. Diese Überzeugung des Gerichts erwächst zum einen aus dem glaubhaft vermittelten festen Willen der Mutter, „meinen Kindern das nicht antun zu wollen“, insbesondere aber auch aus der noch überzeugender vermittelten – und sicher berechtigten – Sorge der Kindesmutter, dass „dann sofort wieder alle auf der Matte stehen. Und damit erneut Eingriffe in das elterliche Sorgerecht drohen.
Eine der Töchter hatte zudem in einer Befragung keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie anhand einer gemeinsam mit der Familienhilfe und der Kindesmutter aufgestellten und stets griffbereit verwahrten Telefonliste uneingeschränkt in der Lage sei, Hilfe zu holen, sollte sie von der Sorge umtrieben werden, ihre Mutter könne ihrer Verantwortung im Einzelfall nicht mehr nachkommen.
Durch diese Sachlage bestehe kein Anlass mehr, an dem Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrecht der Kindesmutter festzuhalten, so dass die ursprüngliche Entscheidung 2009 durch das Brandenburgisches Oberlandesgericht abgeändert werden konnte.
Foto: Christian Schwier